Schnell eine SMS checken oder kurz telefonieren - während der Fahrt. Viele tun es trotz Verbot. Die Polizei warnt davor, die Gefahren zu unterschätzen.
Das Smartphone durchdringt alle Lebensbereiche und macht auch vor dem Straßenverkehr nicht Halt. Rund die Hälfte aller Autofahrer lassen sich durch digitale Kommunikationsgeräte ablenken. Verkehrsexperten machen die Geräte für die seit zwei Jahren wieder ansteigende Zahl von Verkehrsunfällen verantwortlich. Doch ist das wirklich so? Welche Erfahrungen haben die Polizeiinspektionen im Landkreis gemacht? Und welche Strafen erwarten Autofahrer, die erwischt werden? Der FT hat nachgefragt.
Bei Handyverstößen handelt es sich um sogenannte Kontrolldelikte - ohne Kontrollen bleiben solche Verstöße unbemerkt. "Die Dunkelziffer dabei ist sehr hoch", erklärt Matthias Stöcker, Sachbearbeiter für Verkehr bei der Polizeiinspektion Kronach.
Erst sind die Zahlen gestiegen, dann wieder gesunken
Von 2010 bis 2014 gab es im Landkreis einen deutlichen Zuwachs an festgestellten Handy-verstößen - von 156 jährlich auf 419. Seitdem sanken die Zahlen wieder. Gründe könnten laut Stöcker Freisprecheinrichtungen oder die Kontrollstellen sein, die mittlerweile bekannt sind. 2016 waren es 277 Verstöße im ganzen Landkreis. "Für 2017 sind wir bis jetzt bei 101. Dieses Jahr wird ähnlich werden wie 2016", meint Stöcker.
Seitens des Präsidiums wurde der Mai als Schwerpunktmonat für dieses Thema herausgepickt. Bei der Kampagne "Verkehrssicherheit 2020. Bayern mobil - sicher ans Ziel" wirbt FC-Bayern-Spieler Joshua Kimmich dafür, beim Autofahren immer voll bei der Sache zu sein. "Die Kollegen waren angewiesen, im täglichen Dienst im Mai vermehrt auf Handyverstöße zu achten und auch Kontrollen diesbezüglich wurden verstärkt durchgeführt", erklärt der Sachbearbeiter für Verkehr.
Kontrollen gibt es regelmäßig
Doch auch in den anderen Monaten gebe es regelmäßig solche Kontrollen - meist kombiniert mit Gurtkontrollen. Ähnlich läuft das laut Alexander Thomas auch im Bereich der Polizeiinspektion Ludwigsstadt ab. Er und seine Kollegen sind für den nördlichen Landkreis zuständig: Wenn einer Streife ein Autofahrer auffällt, der ein Handy benutzt, werde dieser herausgewunken und kontrolliert. "Wenn wir sicher sind, jemanden mit Handy am Steuer gesehen zu haben, dann suchen wir nach dem Telefon", erklärt Thomas weiter.
Laut Stöcker vergehe bei ihnen keine Kontrolle, bei der die Beamten niemanden erwischen. Ein sogenannter Vorselektierer, ein Polizeibeamter in Zivil, schaut auf der Straße nach Autofahrern, die ihr Handy während der Fahrt benutzen, und gibt dies an seine Kollegen weiter, die den Fahrer ein paar hundert Meter weiter vorn aus dem Verkehr ziehen und damit konfrontieren. "Der Vorselektierer gibt dabei nur Sachen weiter, bei denen er sich zu 100 Prozent sicher ist. Da geht Qualität vor Quantität", sagt Stöcker. Und wie reagieren die Autofahrer? "Ganz unterschiedlich. Manche geben es gleich zu und andere streiten es vehement ab", erklärt Alexander Thomas. Wer mit dem Handy hinter dem Steuer erwischt wird, muss mit 60 Euro Bußgeld und einem Punkt in Flensburg rechnen, Radfahrer mit Handy zahlen 25 Euro und bekommen eine Verwarnung.
Zahlen, die erschrecken
Matthias Stöcker zitiert aus einer Studie von letztem Jahr: Allein der Griff zum Handy erhöhe die Unfallgefahr um das Fünffache, die Eingabe einer Telefonnummer sogar um das Zwölffache. Unfallforscher schätzen, dass jeder vierte schwere Unfall auf Ablenkung zurückzuführen ist - egal ob durch Handy, Navi oder Radio.
"Manchmal kommen wir zu Unfällen, wo jemand auf kerzengerader Strecke von der Fahrbahn abgekommen ist. Da fragt man sich schon, wie so etwas passieren kann", sagt Stöcker. Ob ein Handy schuld daran war, ist meist schwer herauszufinden. Wenn bei einem solchen Unfall jedoch jemand verletzt wird, also eine Straftat im Raum steht, würde die Polizei dem genauer nachgehen. "Die Kollegen schauen dann schon bei der Unfallaufnahme, ob sich im Fahrzeug ein Handy befindet", erklärt der Polizeibeamte. Nach Rücksprache mit der Staatsanwaltschaft könne ein Handy sogar ausgewertet werden, ob zum Unfallzeitpunkt mit dem Handy telefoniert oder eine SMS versendet wurde.
Und die Zahlen sprechen für sich: Wenn ein Autofahrer bei 50 km/h für fünf Sekunden auf sein Handy schaut, legt er laut Stöcker 69 Meter im Blindflug zurück. Auf der Autobahn bei 130 km/h sind das sogar 180 Meter. "Das muss man sich mal vor Augen führen, was auf der Strecke alles passieren kann: Ein Kind läuft plötzlich auf die Fahrbahn oder es zieht ein Lkw auf die Überholspur. Viele Leute unterschätzen, wie groß die Gefahr ist", macht Stöcker deutlich.