Gedankenspiel: Ein Rundgang durch ein Kronach ohne Ehrenamt

3 Min
Heidi Diller. Foto: Marco Meißner
Heidi Diller. Foto: Marco Meißner
Hubertus Pohl. Foto: Marian Hamacher
Hubertus Pohl. Foto: Marian Hamacher
 

Wie würde das Alltagsleben in Kronach wohl aussehen, wenn es keine ehrenamtlich Engagierten gäbe.

Politiker übernehmen Verantwortung. Angestellte übernehmen Verantwortung. Firmenchefs übernehmen Verantwortung. Sie alle verdienen ihr Geld damit, den "Laden" am Laufen zu halten. Allzu gerne vergessen wir dabei eine andere große Gruppe, die unser ach so selbstverständliches gesellschaftliches Leben erst möglich macht - und das ohne eine Entlohnung. Die Rede ist von den Ehrenamtlichen. Wie sähe es wohl aus, wenn sie nicht da wären? Machen wir doch das Gedanken-Experiment und spazieren durch solch ein Kronach.

Ganz alltägliche Probleme

In der Kreisstadt herrscht geschäftiges Treiben. Auch an der Grundschule. Quietschende Reifen. Vollbremsung. Ein Fahrer schimpft hinter der Scheibe. Fast wäre ihm ein Kind vors Auto gelaufen ist. Dabei ist er doch selbst in Gedanken versunken auf den Zebrastreifen zugefahren. Kein Signal weckte seine Aufmerksamkeit für die Gefahr, niemand bremste den Schüler. An der Bushaltestelle geht es heute ohnehin chaotisch zu. Die Kleinen huschen durcheinander, schubsen sich, balancieren auf der Bordsteinkante. Kein freiwilliger Schulweghelfer hat die Situation im Blick. Die sind nämlich nicht da, sie sind ja Ehrenamtliche.

Nicht weit entfernt von den herumtollenden Kindern warten schon einige Senioren im Altenheim. Sie haben keine Angehörigen. Die Pfleger sind bemüht, doch für ein tiefgreifendes, persönliches Gespräch fehlt ihnen im stressigen Arbeitsalltag oft die Zeit. Der Besuchsdienst schließt diese Lücke, hat ein offenes Ohr und bietet menschliche Wärme. Aber nicht heute, denn die Ehrenamtlichen sind ja nicht da.

Geschichte geht verloren

Das sind sie auch nicht für die historisch Interessierten, die gerne mehr über die Stadt Kronach, die Festung und deren Geschichte erfahren möchten. Mehr als eine Aufwandsentschädigung springt für ehrenamtliche Führer nicht heraus. Und viel über die historischen Hintergründe wüssten sie in unserem Szenario ohnehin nicht zu berichten. Die Informationen liegen ihnen schließlich nicht vor. Es kümmert sich ja kein Heimatpfleger mehr darum, tagelang die Textquellen zu durchforsten und Denkmäler wieder herrichten zu lassen.

Öde wird nicht nur die Besichtigungstour, sondern auch der Gang auf den Fußballplatz an der Hammermühle. Der Ball holpert bei den "Rothosen" über das nicht abgesteckte, unebene Spielfeld.

Auf dem Gelände liegen noch die Abfälle der Zuschauer vom vorherigen Heimspiel, und auf dem Platz geht's ohne Taktik heillos durcheinander. Ein Foul, kein Pfiff, alle streiten. Kein Wunder, findet sich doch weder ein Platzwart, noch ein Trainer, geschweige denn ein Schiedsrichter auf dem Spielfeld ein.

Während es dort lautstark zugeht, bleibt es in der Stadtpfarrkirche still. Keine Band spielt im Gottesdienst, kein Gläubiger spricht die Fürbitten, kein Ministrant unterstützt den Pfarrer. Die Kleinen warten derweil nebenan darauf, beim "Kinder-Abenteuerland" Gott und die Gemeinschaft zu erfahren, aber kein Erwachsener nimmt sich heute Zeit für sie.

Auf dem Heimweg erreichen wir ein brennendes Gebäude. Ein schockierendes Bild bietet sich dem Betrachter. Die Polizei und das Rote Kreuz stehen vor dem Haus. Ihre Mitarbeiter blicken hoch zu den Menschen, die am Fenster stehen und auf Hilfe warten. Doch im Erdgeschoss züngeln die Flammen. Es gibt kein Durchkommen.

Risiko fürs eigene Leben

Von der Feuerwehr und vom Technischen Hilfswerk ist keine Spur zu sehen. Ihre Einsatzkräfte sind beim Alarm lieber zu Hause geblieben. Sie genießen den Abend im Kreis ihrer Familien, statt stundenlang in der Kälte zu schuften und am Ende noch das eigene Leben zu riskieren - und das alles für einen feuchten Händedruck.

Gott sei Dank ist das alles nur ein Gedankenspiel. Unsere Ehrenamtlichen werden sicher auch in Zukunft dafür sorgen, dass Jung und Alt gut betreut werden, dass auf dem Sportplatz über Tore gejubelt werden kann und dass Menschen in Not nicht alleine gelassen werden. Und auch wenn sie dafür kein Geld verlangen, einen anerkennender Klopfer auf die Schulter haben sie von uns allemal verdient. Denn selbstverständlich ist ihr Einsatz nicht - doch ohne ihn wäre unser Leben um vieles Ärmer.

Das sagen zwei Ehrenamtliche

Heidi Diller hält seit Jahrzehnten die Fäden im evangelischen Kirchenchor in der Hand. "Ich bin ja für alle die ,Chormutter‘", freut sie sich über die Gemeinschaft und den Zusammenhalt. Dieser Motivation steht die Erwartungshaltung vieler Menschen gegenüber, dass der Chor selbstverständlich überall aufzutreten habe. Welches Pensum dafür zu absolvieren sei, sähen die Wenigsten.

Als "Schlauch" ist Hubertus Pohl in Kronach jedem bekannt. In der Feuerwehr (seit 1975 dabei) übernimmt er diverse Aufgaben und Ämter, "weil ich gerne helfe, ich gerne mit Menschen zusammen bin und es mir einfach Spaß macht". Leider werde es immer schwerer, Ehrenämter zu besetzten. "Und die Arbeit der Ehrenamtlichen wird heute von vielen als selbstverständlich angesehen."

Anerkennung für das Engagement

Die Bayerische Ehrenamtskarte wurde auch im Landkreis Kronach als Anerkennung für engagierte Mitbürger eingeführt. Grundsätzliche Vorgaben für den Erhalt dieser Karte, die bei Einkäufen oder Eintrittspreisen Vergünstigungen beinhaltet, sind ein freiwilliges unentgeltliches Engagement von durchschnittlich fünf Stunden pro Woche oder bei Projektarbeiten mindestens 250 Stunden jährlich. Außerdem sollte das bürgerschaftliche Engagement mindestens seit zwei Jahren bestehen. Weiter dürfen aktive Einsatzkräfte von Feuerwehr, Rettungsdienst und Katastrophenschutz die Karte erhalten. Die Juleica-Karte ermöglicht den Besitzern ebenfalls regional unterschiedliche Vergünstigungen. Sie richtet sich aber speziell an Jugendleiter. Diese müssen mindestens 16 Jahre alt sein.