Erwin Lohneisen feierte goldenes Priesterjubiläum. Die slawischen Völker liegen ihm besonders am Herzen. Seit 41 Jahren ist er Gefängnisseelsorger in Kronach. Mit den dort über einem Dutzend einsitzenden Russen kann er sich in ihrer Muttersprache verständigen.
Eigentlich wollte Erwin Lohneisen als ausgebildeter Russenseelsorger dorthin, wo die meisten russischen Katholiken sind: nach Russland. Aber auf dem Weg von Rom nach Moskau ist er vor über 40 Jahren fast in der Mitte - in Kronach - hängen geblieben.
Ein Glücksfall für beide Seiten: Die Frankenwälder mögen seine freundliche und ruhige Art und Erwin Lohneisen ist in Kronach richtig heimisch geworden. Außerdem kann er hier auch seine ursprüngliche Berufung erfüllen, denn er kümmert sich als nebenamtlicher Gefängnisseelsorger um mehr als ein Dutzend russisch sprechende Insassen. Um die anderen der über 100 Gefangenen in der Kronacher Justizvollzugsanstalt seit 41 Jahren natürlich auch, aber dadurch, dass er die Sprache der Russen spricht, öffnen sich leichter Türen, nein nicht die in der Anstalt, obwohl er für diese den Schlüssel hat, sondern die zu den Herzen der Gefangenen.
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feierte Erwin Lohneisen sein goldenes Priesterjubiläum. Und er blickte zusammen mit uns auf fünf Jahrzehnte Arbeit im Weinberg des Herrn zurück. Als Pensionist ist er seit 2002 im Unruhestand. Doch trotz der vielen Aufgaben ist Hektik für ihn ein Fremdwort. "Ich übe mich in der christlichen Tugend der Gelassenheit", beschreibt er sein Lebensmotto. Und so kennt man ihn. Nicht hetzend, sondern ruhig, immer mit einem Lächeln auf den Lippen, in Kronach meist zu Fuß unterwegs, denn das hält fit. "Für mich ist das alles ein positiver geistiger und körperlicher Stress, denn da verschleißt man nicht so", sagt Lohneisen zu seinen Aufgaben im Ruhestand.
Das Schlüsselerlebnis Lohneisen stammt aus Regensburg, aus einer Eisenbahnerfamilie. Die verschlug es durch Versetzung nach Hof an der Saale. So kam er nach Franken.
Im Priesterseminar in Bamberg erlebte er eine byzantinische Liturgie mit vierstimmigem Chor mit. "Als Musikbegeisterter und guter Sänger habe ich sofort Feuer gefangen", beschreibt Lohneisen die Initialzündung. "Das ist über's Ohr gelaufen!" Also ging er zur weiteren Ausbildung ans Päpstliche Russische Kolleg nach Rom. Der Studienaufenthalt dort zählt zu den prägenden Erfahrungen im Leben Lohneisens, denn so konnte er das 2. Vatikanische Konzil als Theologiestudent aus der Nähe beobachten.
Berufung in den Schuldienst Bis zur russischen Revolution gab es in Russland ein Priesterseminar. Das wurde von den Kommunisten geschlossen. Als Reaktion darauf entstand in den 1930er Jahren in Rom das Collegium Russicum. Und Erwin Lohneisen war von 1960 bis 1967 dort Student. Ziel: Russenseelsorger werden.
Zu Zeiten des Eisernen Vorhangs gab es keine Chance, nach Russland zu fahren und dort als Priester tätig zu werden. "Die Katholische Kirche als Weltkirche denkt in Jahrhunderten", beschreibt Lohneisen die Tatsache, dass trotzdem Russenseelsorger ausgebildet wurden.
Und die brauchte man auch anderswo, denn nach der russischen Revolution flüchteten viele Katholiken ins Ausland: nach Wien, Paris, Buenos Aires, Australien etc. Erwin Lohneisen war drei Jahre lang unter Emigranten in Salzburg tätig. Dann kehrte er in die Diözese Bamberg zurück.
Als Kaplan in Neustadt an der Aisch kam er 1971 der Bitte des Ordinariats Bamberg zum Wechsel in den Schuldienst am Kaspar-Zeuß-Gymnasium Kronach nach. Seit der Zeit ist er am Fuße der Festung Rosenberg heimisch geworden. Im Haus der Armen Schulschwestern gleich neben dem Rosenberg-Kindergarten. Dort stellt der bärtige Priester mit der sonoren Stimme seit 35 Jahren den Nikolaus dar.
Erwin Lohneisen findet den richtigen Draht zur Jugend. Das gilt sowohl für seine Zeit als Religionslehrer am Gymnasium als auch in 27 Jahren als Jugendseelsorger im Dekanat Kronach. Legendär waren seine rhythmischen Messen mit der Band "Swinging Church", die bei den Jüngeren super ankamen, bei manchen in der älteren Generation jedoch für Verdruss sorgten.
Seit 41 Jahren ist er für die Insassen des Kronacher Gefängnisses der seelsorgerische Ansprechpartner. Zu denen kommt er nicht im Priestergewand, sondern in Zivil, klopft an die Zellentür, bringt eine Zeitung mit und spricht die Russen auf russisch an. "Da geht bei denen die Sonne auf, weil einer ihre Sprache spricht", freut sich Erwin Lohneisen über die vielen positiven Erlebnisse. Manche sagen "Batjuschka" (Väterchen) zu ihm.
Erwin Lohneisen besorgt für die Gefangenen Lektüre in ihrer Sprache, aber auch Rosenkränze, Ikonen, Buntstifte, Puzzles und Tischtennisbälle. Er versucht, die Leute geistig anzuregen, denn während der Untersuchungshaft sind sie zum Nichtstun verurteilt. Die Kraft für die psychisch belastende Aufgabe im Gefängnis holt sich der passionierte Gärtner im Garten des Hauses der Armen Schulschwestern.
Immer auf Achse Seine Aufgabe als Gefängnisseelsorger sieht Erwin Lohneisen als "Open-End-Funktion". Die der Aushilfe in den Pfarreien im Raum Kronach auch. Wenn im Seelsorgeverbund Kronach ein Priester gebraucht wird, ist Erwin Lohneisen zur Stelle. "Es gibt fast keine Kirche im Kreis Kronach, in der ich nicht schon Gottesdienst gefeiert habe", blickt er zurück.
Und dann macht er sich wieder auf den Weg.
Wohin der führt? Erst zum Zeitungskiosk, dann ins Gefängnis, denn er bringt den dortigen Insassen Lektüre mit. Sogar Zeitungen in Russisch und Polnisch. In der Rückschau erweist sich eine Tatsache als höhere Fügung: Dass dem einst verhinderten Russenseelsorger die seelsorgliche Betreuung im Kronacher Gefängnis zufiel. Denn dort sitzen sehr viele slawische Männer ein. Aber auch Anderssprachigen kann das Sprachtalent Erwin Lohneisen helfen, denn er spricht Russisch, Englisch, Französisch, Italienisch und ein bisschen Spanisch.