Ursula Mintzlaff hilft Leuten, wieder finanziell auf die Beine zu kommen. Manchmal gibt es jedoch nur noch die Möglichkeit, eine Verbraucherinsolvenz durchzuziehen.
Die Leute, die zu Ursula Mintzlaff kommen, sind am Boden - finanziell gesehen. Und sie schämen sich. Durch Arbeitslosigkeit und Krankheit, aber auch durch Sucht und unüberlegte Ratenverträge sind ihre Geldangelegenheiten in eine Schieflage geraten. Aus Verschuldung ist Überschuldung geworden. Die Einnahmen reichen bei Weitem nicht aus, um die Ausgaben zu bestreiten. Und die Schuldenlast steigt von Tag zu Tag. Ein Teufelskreis.
Die Schuldnerberatung kann den Klienten helfen, wieder auf die Beine zu kommen und begleitet sie auf diesem Weg. Wo gar nichts mehr geht, weil die Schulden zu hoch sind, kann den Frauen und Männern nur noch zum Verbraucherinsolvenzverfahren geraten werden. Dieses dauert sechs Jahre.
Die Schuldnerberaterin des Caritasverbandes Coburg ist regelmäßig in Kronach für ihre Außensprechstunde. Eine Anmeldung ist hierfür unbedingt erforderlich. Für eine persönliche Beratung besteht auf Grund der großen Anfrage eine Wartezeit. "Manche kommen mit einer Tüte voller Rechnungen und Mahnungen. Alle Kuverts noch ungeöffnet."
Eigentlich sollte diese Vorarbeit zum Zeitpunkt des Erstgesprächs durch den Schuldner bereits erfolgt sein, um die Bestandsaufnahme und somit die Erarbeitung eines Schuldenbereinigungsplans zu vereinfachen und vor allem zu verkürzen. "Da mach ich zwei bis drei Umschläge zusammen mit den Schuldnern auf und sag' ihnen, wie sie das bis zum nächsten Gespräch mit mir ordnen und abheften müssen", weist die Beraterin den Weg.
26 Rentner unter den Schuldnern Durch das lange Aufschieben der Zahlungen steigen die Schulden unaufhörlich. Da können aus 5,60 Euro aus einem Zeitschriftenbezug schon mal 117,60 Euro werden, weil das Inkassobüro (mit 57 Euro) und der Rechtsanwalt der Gegenseite ordentlich Gebühren berechnen. Aus 33 Euro Telefonkosten wurden durch Inkasso und Vollstreckung 280 Euro, aus ursprünglich etwa 320 zu zahlenden Euro über 700 Euro.
Manchmal ist es auch die Summe aus vielen kleinen Beträgen, die sich zu einem Schuldenberg ansammelt, wie bei einer Frau, die bei 29 verschiedenen Gläubigern mit insgesamt 42 000 Euro in der Kreide steht. Sehr oft passiert es, dass ein Schuldner bei mehreren Energielieferanten mit hohen Beträgen hinterherhinkt. Er hat gewechselt, weil er bei den ersten nicht mehr bezahlen konnte.
Im vergangenen Jahr hat Ursula Mintzlaff in der Stadt und dem Landkreis Kronach 158 Fälle betreut. Unter den Schuldnern waren 74 Lohn- und Gehaltsempfänger, 14 Leute bezogen Arbeitslosengeld, 42 erhielten Hartz IV, zwei Sozialhilfe. Und es waren auch 26 Rentner unter den Klienten. Stichwort: Altersarmut! Auch Menschen, die einer Erwerbstätigkeit nachkommen, haben immer häufiger Schwierigkeiten, ihren Zahlungsverpflichtungen nachzukommen. Die Sozialpädagogin nennt da beispielsweise die Einkommensarmut durch Niedriglöhne und Leiharbeit.
Zuschuss des Landkreises Ursula Mintzlaff, die seit drei Jahren die Aufgabe der Schuldnerberatung im Landkreis Coburg und Kronach wahrnimmt, weist darauf hin, dass der Landkreis Kronach die Schuldnerberatung durch einen jährlichen Zuschuss unterstützt. Im vergangenen Jahr konnte das Stundenkontingent zwar erfreulicherweise aufgestockt werden, jedoch ist es nach wie vor schwer, dem Bedarf in der Region gerecht zu werden.
Wie sieht die Unterstützung durch die Schuldnerberatung genau aus? Nachdem Ordnung in die Liste der Verbindlichkeiten gebracht worden ist, wird ein Schuldenbereinigungsplan erstellt und den Gläubigern ein außergerichtlicher Einigungsversuch angeboten. Die Schuldentilgung kann in Form eines Gesamtvergleichs oder aber auch Schritt für Schritt erfolgen.
Bei Zahlungsunfähigkeit oder drohender Zahlungsunfähigkeit, das heißt, wenn der Schuldner weder mit dem aktuellen noch mit dem zukünftigen Einkommen in der Lage sein wird, die bestehenden Zahlungspflichten zum Zeitpunkt der Fälligkeit zu erfüllen, kommt ein Verbraucherinsolvenzverfahren in Betracht, um am Ende des Verfahrens Restschuldbefreiung zu erlangen. Während des Verbraucherinsolvenzverfahrens wird dem Schuldner vom Gericht ein Treuhänder, in der Regel ein Rechtsanwalt, zur Seite gestellt. Dieser hat die Aufgabe, das gesamte pfändbare Vermögen, das dem Schuldner zur Zeit der Verfahrenseröffnung gehört und das er während des Verfahrens erlangt, zu verwerten und den Erlös gleichmäßig unter den Gläubigern zu verteilen.
Zu Vermögenswerten gehören unter anderem Lebensversicherungen und Bausparverträge. Mit dem Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung werden Zwangsvollstreckungsmaßnahmen einzelner Gläubiger unzulässig.
Die Schuldnerberaterin hat die Erfahrung gemacht, dass die Schamgrenze bei Älteren höher ist. Die wollen unbedingt die Schulden abtragen. Wenn junge Menschen etwas haben wollten, könne dies auf Grund von attraktiven Ratenzahlungsangeboten auch sofort umgesetzt werden. Wegen der guten Konjunktur werde relativ leichtfertig konsumiert. "Die Leute denken, sie schaffen das schon. Sie sind unvorsichtig geworden."
Dass es sich bei einer großen Schuldenlast nicht lohnt, etwas zu arbeiten, ist laut Ursula Mintzlaff eine Mär. Die Freigrenzen bei der Lohnpfändung liegen deutlich über dem Sozialhilfesatz. Außerdem muss der Schuldner während der Verbraucherinsolvenz die Wohlverhaltensphase von sechs Jahren durchlaufen und einer Erwerbstätigkeit nachkommen.
Bei Alleinstehenden darf bei einem Nettolohn über 1050 Euro gepfändet werden. Verdient der Alleinstehende 1200 Euro, sind 108,47 Euro pfändbar. Hat der Schuldner Frau und zwei Kinder, liegt die Freigrenze bei 1879,99 Euro. Bei einem Nettoverdienst von 2000 Euro beträgt der pfändbare Anteil 37 Euro. Das heißt, wer 130 Euro mehr verdient, hat 93 Euro mehr zum Leben. Die genauen Zahlen lassen sich im Internet unter dem Stichwort "Pfändungstabelle" in den Suchmaschinen ermitteln.