Die Veterinäre am Landratsamt sind zur Stelle, wenn das Tierwohl in Gefahr ist. Ein Thema der heutigen Zeit ist für sie "Animal Hording", wie Stefan Heckel berichtet. Auch in Kronach kommen immer wieder solche Fälle vor, wo Menschen verwahrlosen - und zugleich massenweise Tiere halten.
Der Veterinärbezirk Kronach erstreckt sich über den ganzen Landkreis. Egal, ob in Tettau oder in Küps, wenn ein Tier in Not ist oder zu sein scheint oder nicht richtig behandelt wird sind Veterinär Stefan Heckel (52) und seine Kollegin Stephanie Sattler zur Stelle. Zum Sachgebiet Veterinärwesen am Kronacher Landratsamt gehören zudem noch eine Verwaltungskraft, ein Veterinärassistent und vier Lebensmittelüberwachungsbeamte.
"Als Veterinär ist man manchmal hin- und hergerissen zwischen gefühltem Tierschutz und echtem Tierschutz", sagt Stefan Heckel. Wenn er beispielsweise Bilder von einem überfetteten Hund sieht, wird er nachdenklich. Denn eigentlich ist auch das ein Verstoß gegen den Tierschutz.
Doch in der Regel ruft seiner Erfahrung nach nicht ein "Zuviel" die Menschen auf den Plan; angerufen werden die Veterinäre meistens, weil Nachbarn glauben, Hund oder Katze werden nicht richtig versorgt oder vernachlässigt. Dann läuft eine Maschinerie an, die nach strengen Qualitätsrichtlinien funktioniert. Das bedeutet: Stefan Heckel und Stephanie Sattler fahren zum Ort des Geschehens, versuchen sich selbst ein Bild zu machen. "Aber wir müssen wirklich feststellen, dass es viel mehr Beschwerden gibt als tatsächliche Verstöße", sagt Heckel.
Viele Beschwerden unnötig Manchmal reicht es schon, dass ein Nachbar beobachtet, dass ein Hundehalter zu wenig Gassi geht, um die Veterinäre auf den Plan zu rufen. Manchmal stecken auch Nachbarschaftsstreitigkeiten hinter den Meldungen. "Ja, wir werden schon manchmal instrumentalisiert - oder man versucht es", sagt Heckel.
Doch die Veterinäre machen Fotos, die den tatsächlichen Zustand belegen. "60 Prozent der Beschwerden stellen sich als gegenstandslos heraus", ist Heckel froh.
Manchmal ist es seinen Worten nach einfach falsch verstandene Tierliebe, welche die Menschen hellhörig werden lässt: "Wenn jemand seine Katzen ins Bett lässt und der Nachbar das nicht tut, dann kann es durchaus sein, dass wir angerufen werden", sagt Heckel. Er stellt fest, dass in den letzten Jahren solche Anrufe zugenommen hätten, weil die Menschen einfach nicht mehr wüssten, wie artgerechte Tierhaltung wirklich funktioniert.
Krankhaftes Sammeln von Tieren Allerdings gibt es auch Fälle, in denen die Veterinäre schockierende Verhältnisse vorfinden. Denn "Animal Hording" ist auch in Kronach ein Thema. Immer wieder.
"Die Leute sammeln Tiere regelrecht und kommen dann nicht mehr mit der Versorgung nach", erklärt Heckel das Phänomen. "Wir haben eigentlich nie Probleme mit Angehörigen aus der mittleren oder höheren Gesellschaftsschicht, aber wenn viele Tiere und eine schlechte soziale Stellung zusammentreffen, dann kann das zu Problemen führen", sagt Heckel.
Eigentlich sei es nie so, dass die Tierhalter ihren Pflichten aus finanziellen Gründen nicht nachkommen könnten, sondern fast immer kämen psychische Probleme oder Alkoholabhängigkeit bei den Haltern dazu. "Wir sind einmal in eine Wohnung gekommen, weil dort Katzen sein sollten; die war in einem wirklich desolaten Zustand", erzählt Heckel und zeigt erschreckende Bilder. Ein Mensch hauste damals unter völlig verwahrlosten Bedingungen. Überall lagen alte Zeitungen und Schmutz auf dem Boden. Die Teppiche waren so dreckig, dass nicht einmal mehr das Muster zu erkennen war.
Zudem wurden von dem Katzenhalter, der gleich mehrere Tiere hatte, die ausgetrunkenen Flaschen von Monaten einfach auf den Boden geworfen.
Überall Exkremente Bier, Rotwein und Rum lagen durcheinander. Dazwischen standen Eimer mit menschlichen Exkrementen, einige große Hinterlassenschaften waren auch direkt auf dem Boden zu finden und verbreiteten einen üblen Geruch. Der Katzenhalter benutzte nicht mehr seine Toilette, sondern überall in der Wohnung waren die Hinterlassenschaften von ihm selbst und natürlich auch der Tiere zu finden. In dem Chaos wurden natürlich auch die Katzentoiletten und Futternäpfe nicht mehr gesäubert. "Wir haben die Katzen aus der Wohnung entfernt und untergebracht", sagt Heckel. Der Halter allerdings wollte sich keiner Behandlung unterziehen, musste aus dem Krankenhaus schnell wieder entlassen werden. Ein Zwangsentzug wurde nicht angeordnet.
"Nach wenigen Wochen sind wir dann wieder in die Wohnung gerufen worden, weil er zwei neue Katzen hatte. Da war alles noch genauso verwahrlost, nur dass der Schimmel eben noch schlimmer geworden ist. Der Mann lag völlig hilflos im Bett", schildert der Veterinär den Sachverhalt. Für die Tiere konnte das Amt noch Hilfe leisten, für den Mann kam sie zu spät. Er starb ein paar Tage danach im Krankenhaus. "Solche Fälle von ,Animal Hording‘ gibt es immer wieder - auch bei uns in Kronach", unterstreicht Heckel.
Überforderte Tierhalter Die Veterinäre wurden in einem Fall gerufen, weil angeblich Hunde und Katzen unversorgt sein sollten. "Einmal waren zwei Katzen, ein ganzer Korb voller Katzenbabys, ein Wellensittich und Meerschweinchen in einer Wohnung. Dazwischen noch Kinder.
Ein Kind hatte schon Asthma, weil der Tierhalter die Katzentoiletten nicht sauber gemacht und versucht hat, die Gerüche mit Duftspray zu übertünchen. Alle Tiere waren wirklich schlecht beieinander", schildert Heckel Erfahrungen aus seinem Berufsleben.
Oft wird er mit Schicksalsschlägen konfrontiert. Ältere Menschen können aus gesundheitlichen Gründen vorübergehend die Tiere nicht mehr versorgen. "Wir waren einmal bei einem Tierhalter, da haben wir die Tiere - fast 20 Hunde und noch ein paar Katzen - dann vorübergehend untergebracht. Letztlich hat der Halter dann drei Hunde zurückbekommen. Eben so viele, wie er auch versorgen konnte", erzählt Heckel. "Wir bekommen jede Woche solche Hinweise, aber meistens lassen sich die Zustände durch Beratung oder durch die Anordnung kurzfristiger Maßnahmen beheben", sagt der Veterinär.
Manchmal hat er auch seltsame Begegnungen.
So wurde einmal eine Python vorübergehend über Nacht ins Landratsamt verfrachtet, ehe sie von einem sachkundigen Schlangenexperten abgeholt wurde. Neben den Haustieren sind die Veterinäre immer wieder auch mit Nutztieren befasst. Denn es geht auch darum, dass diese Tiere das richtige Futter bekommen. Nur dann können sichere Lebensmittel erzeugt werden.
Die ersten Hochlandrinder "Als die ersten Landwirte anfingen, Hochlandrinder im Frankenwald draußen zu lassen und auf extensive Landwirtschaft zu setzen, haben wir immer wieder Anrufe bekommen", sagt Stefan Heckel. Doch es gibt klare Richtlinien, welche Tiere auch im Winter draußen bleiben dürfen. "Sie müssen einen trockenen Platz und eine Unterstellmöglichkeit haben", erzählt Heckel.
So manches Mal rückte er auch aus, weil die Kühe es liebten, sich im Matsch zu wälzen und Leute beobachtet hatten, dass die Tiere dreckig waren. Allerdings gibt es auch Krankheitsfälle, welche die Veterinäre auf den Plan rufen. So sorgte vor einigen Jahren die Vogelgrippe für viel Arbeit. Im vergangenen Jahr war es der Schmallenberg-Virus. In Bayern waren 175 Rinder, 40 Schafe und eine Ziege betroffen, deutschlandweit sogar 2085 Betriebe.
Auch in Sachen Bienenseuchen wurde die Behörde alamiert. Die amerikanische Faulbrut sorgte unter Imkern für Horror. Deshalb sind Steinbach am Wald, Haßlach, Förtschendorf, Reichenbach, Kronach und Friesen als Sperrgebiete ausgewiesen worden. "Aber die Völker sind abgeschwefelt worden. Wir konnten vor dem Winter nur nicht mehr nachschauen, deshalb haben wir noch so viele Sperrbezirke", sagt Heckel. Er ist guter Dinge, dass die Imker aus Kronach die Bienenseuche in den Griff bekommen haben und dass die Sperrgebiete an den ersten warmen Tagen aufgehoben werden können.