21 der insgesamt 52 Drehtage hatten die Filmleute im nordöstlichen Frankenwald verbracht. Leider hatte es Mücke nicht geschafft, mehr von Land und Leuten zu sehen. Deshalb nahm er das Angebot von Bürgermeister Michael Pöhnlein gerne an, den Ort der Ballonlandung bei einer Wanderung in Augenschein zu nehmen.
Nicht nur die Leute hatte er wiedererkannt, auch die Örtlichkeiten: "Den Zaun, die Garage und die Gartenstraße, das habe ich sofort gesehen." Erstmals konnte Friedrich Mücke auch einen Blick in die ehemalige Bäckerei werfen, die im Film zur Apotheke umfrisiert worden war. Bürgermeister Michael Pöhnlein sperrte ihm kurzentschlossen auf. Das war es auch, was Friedrich Mücke und das ganze Team an Nordhalben so begeisterte, die Aufgeschlossenheit und die unbürokratische Lösung jedes Problems. Kaum hatte man von einer Herausforderung berichtet, schon war die Lösung da.
Nordhalben wird zur Stadt
Der Hauptdarsteller war auch am Samstag begeistert und erhob den Markt Nordhalben kurzfristig zur Stadt - unter dem Jubel der Zuschauer. Bei denen entschuldigte er sich für manche Unannehmlichkeit beim Dreh. "Wir haben auch nachts in der Gartenstraße gedreht und da war es manchmal laut."
Weil Regisseur Bully Herbig aus gesundheitlichen Gründen weder an der Weltpremiere des Films drei Tage vorher in München noch an der Preview in Nordhalben teilnehmen konnte, verlas Friedrich Mücke ein Grußwort von Herbig.
Der schwärmte auch ein Jahr nach den Dreharbeiten von der Unterstützung in Nordhalben. Deshalb sei es für Herbig ein besonderes Anliegen gewesen, den Bürgern noch vor dem offiziellen Kinostart einen exklusiven Filmabend zu bieten. Zum Bundesstart am 27. September werden wohl nicht viele Nordhalbener ein Kino besuchen, denn da haben sie Kirchweihauftakt.
Für Bürgermeister Michael Pöhnlein war es beeindruckend, wie die Bürger die Filmproduktion unterstützt haben. "Wir haben alles möglich gemacht. Die Sondervorstellung haben sich die Nordhalbener verdient." Das Gemeindeoberhaupt hob den tollen Teamgeist und die Unterstützung hervor und nannte ein Beispiel der Aufgeschlossenheit seiner Bürger.
Ein gelbgestrichenes Haus in der Gartenstraße habe nicht in das Farbkonzept für den Film gepasst. Ob man das Haus für den den Film farblich verändern dürfe? Die legendäre Antwort des Hausbesitzers: "Macht's halt!"
Unheimlich spannend, sehr düster - so fanden die Nordhalbener den Film
Wenn Bully ruft, lassen sich die Nordhalbener nicht lange bitten: Innerhalb kürzester Zeit waren die Tickets für die Sondervorstellung vergriffen. Auch Margarete Wunder-Blinzler hat sich einen Platz sichern können. Sie ist eine echte Nordhalbenerin.
Spannende Einblicke
Sie erinnert sich noch gerne an die Dreharbeiten im vergangenen Jahr, die sie oft vom Rathausfenster aus beobachten konnte. "Manchmal haben sie eine Szene zehnmal gedreht, bis Bully Herbig zufrieden war. Die Feuerwehr hat sogar für eine Filmsequenz künstlichen Regen gemacht. Die ganze Zeit hat es geregnet, aber als er für eine Einstellung gebraucht wurde, war es trocken. Für die Anwohner war es spannend. Keiner hat sich beschwert."
Einmal habe sie sogar eine DDR-Fahne aus dem Rathaus gehängt, weil es für eine Sequenz wichtig war. Nicht so gut gefallen hat ihr, dass der Film sehr düster gedreht war. Auch die Musik empfand sie als ziemlich dumpf. Ihr wäre es außerdem lieber gewesen, wenn der Film mit der erfolgreichen Ballon-Landung bei Naila geendet hätte.
Auf das Weiterstricken zehn Jahre weiter mit dem Mauerfall und der Rückkehr der Ballon-Flüchtlinge per Kleinflugzeug in ihre Heimat hätte man ihrer Meinung nach verzichten können.
Neubürgerin fieberte mit
Jutta Pecher ist seit mehr als vier Jahren Neubürgerin in Nordhalben. Sie stammt aus Küps und kam über einen längeren Abstecher in die Holledau nach Nordhalben. Die Dreharbeiten selbst haben sie nicht so stark tangiert, "denn wir wohnen außerhalb."
Nur wenn man durch den Ort fahren wollte, habe man wegen der Sperrungen etwas von den Dreharbeiten mitbekommen. "Das hat nicht gestört, denn es war viel Neugierde da. Am Rande haben wir ein bisschen geguckt und indirekt etwas mitbekommen."
Den Thriller empfand sie als unheimlich spannend, "obwohl man ja wusste, wie es ausgeht. Die Leute neben mir haben genauso wie ich mitgefiebert." Die Darstellung der Stasi-Aktivitäten hielt sie nicht für überzeichnet. "Wie sie das dargestellt haben, das war genau richtig, denn man konnte niemand trauen. Die Stasi war ja überall."
Die Energie der beiden Familien, die mit dem Heißluftballon flohen, empfand sie beeindruckend. Nordhalben als Drehort zu wählen, sei richtig gewesen, denn dabei konnte das Thüringische mit dem Schiefer gut rausgearbeitet werden.
Info: Die Geschichte der Flucht
Flucht Am 16. September 1979 gelang den Familien Strelzyk und Wetzel aus Pößneck in Thüringen die Flucht aus der DDR in den Westen. Die beiden Ehepaare, ein Jugendlicher und vier Kinder, schwebten in einem selbstgebauten Heißluftballon mit dem Nordwind nach Bayern und landeten in der Nähe von Naila. Dies war einer der spektakulärsten erfolgreichen Fluchtversuche aus der DDR in den Westen. Wahrscheinlich setzten 38000 oder mehr DDR-Bürger ihr Leben aufs Spiel, um in den Westen zu gelangen. Die meisten scheiterten, Hunderte starben, weil sie die Sperranlagen zu Fuß überwinden wollten. Sie hatten nicht mit der ausgefeilten Technik an der Grenze gerechnet.
Vorbereitungen Die Vorbereitungen für die Ballonflucht aus Pößneck waren langwierig und aufwendig. Die beiden Familien mussten Tausende von Quadratmetern Stoff für die Ballonhülle kaufen, aber in kleinen Mengen und in weitem Umkreis, damit das nicht auffiel. Als sie einmal in Berlin 200 Meter Stoff kaufen wollten, wurde das sofort an die Stasi gemeldet. Dauernd saß ihnen die Stasi im Nacken, sie handelten unter enormem Zeitdruck.
Aufwand Ähnlich aufwendig waren die Vorbereitungen von Michael Bully Herbig für den Thriller "Ballon". Jahrelang war er auf Achse, um die deutschen Rechte für den Film zu erwerben. Er sprach mit den beiden Familien getrennt, denn diese redeten inzwischen nicht mehr miteinander. Auch die Vorbereitung der 52 Drehtage und der Schnitt des umfangreichen Materials kostete viel Zeit.