Wenn die Wilde Jagd durch die Lüfte zieht

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Nicht ganz geheuer war vielen Menschen in früheren Zeiten das, was sich zwischen dem Heiligen Abend und Dreikönig am Himmel abgespielt hat ...
Kreisheimatpfleger Karl-Heinz Wolbert. FOTO: Gerhard Bauer
Gerhard Bauer

Die Zeit zwischen Heilig Abend und Dreikönig ist geprägt von Brauchtum, dessen Entstehung teilweise in die frühchristliche Zeit zurückreicht. Manches hat sich erhalten.

Die Zeit zwischen dem Heiligen Abend und Dreikönig ist geprägt von allerlei Brauchtum, dessen Entstehung teilweise in die frühchristliche Zeit zurück reicht.

Die zwölf Nächte zwischen den Festtagen sind bekannt als die Rauhnächte. Nach uralter Vorstellung seien in dieser Zeit Geister, Hexen und Dämonen unterwegs, erzählt der Kreisheimatpfleger und ehemalige Schulleiter Karl-Heinz Wolbert.

Die wilde Jagd

Der Sage nach fliegt die „wilde Jagd“ durch die Lüfte. Unter der „wilden Jagd“ versteht der Volksmund das Totenheer der unerlösten Seelen, dem Wotan auf seinem unvergleichlichen Schlachtross Sleipnir mit unglaublichem Getöse vorausreitet. Wotan ist im Norden unter dem Namen Odin als Vater aller und höchste und einzige Gottheit bekannt.

Träume gehen in Erfüllung

Was in den ursprünglich vier, später zwölf Rauhnächten geträumt wird, soll in Erfüllung gehen. Die Träume waren von altersher aus Angst vor übersinnlichen Mächten gefürchtet.

Eine andere Erklärung leitet sich vom Mondkalender mit nur 354 Tagen ab. Um die fehlenden elf, in Schaltjahren zwölf Tage, zu ergänzen, wurde diesen fehlenden toten Tagen eine besondere Bedeutung beigemessen.

Wilde Gestalten

Der Name Rauhnacht rührt von den „rauhen“, also haarig oder mit Fell bekleideten wilden Gestalten, die sich in diesen Nächten herumtrieben, könnte aber auch von „Rauch“ kommen, da verbreitet Haus und Stall zum Segen von Mensch und Tier und zum Schutz vor Unheil ausgeräuchert wurden.

Das Haus schützen

Der Brauch, das Haus zu schützen, wird teilweise bis heute praktiziert, wenn Hausbewohner mit einer Pfanne oder Schaufel mit glühenden Kohlen und geweihtem Weihrauch durch Haus und Stall gehen und das „Vater unser“ und das „Gegrüßet seist du Maria“ beten, um den Segen Gottes zu erbitten.

Wildes Heer in Winterhausen

In einem alten Schullesebuch aus früherer Zeit steht die Geschichte des wilden Heeres bei Winterhausen nachzulesen. Es soll zur dortigen Fähre gekommen sein und dem Fährmann ein „Hol über“ zugerufen haben. Er hörte zwar Hufgetrappel wie von vielen wilden Pferden, unüberhörbares Stimmengewirr, Hörnerblasen und Hundegebell, nur als er am Sommerhausener Ufer ankam, sah er niemanden. Der Schall vieler Füße verriet ihm, dass sich eine Menge Menschen auf seiner Fähre drängte. Sie sank immer tiefer, bis Bord und Wasser gleich hoch standen.

Es sei zwar viel gesprochen worden, doch verstanden hatte der Fährmann kein Wort. Nach dem Fährlohn gefragt, sagte er ein vorsichtiges „nichts“.

Gute Antwort

Ein Sprecher lobte mit rauher Stimme die kluge Auskunft. Hätte er gefordert, wäre es ihm schlecht ergangen. Mit lautem Getöse, Peitschenknallen, Jagdrufen und Hufgetrappel machte sich das wilde Heer wieder von dannen. Am nächsten Morgen fand der Fährmann einen großen Pferdeschinken als Fährlohn.

Wettervorhersagen

Von alters her wurden die Rauhnächte auch zu Wettervorhersagen genutzt. Sechs mittelgroße Zwiebeln wurden halbiert und soweit ausgehöhlt, dass kleine Schüsselchen entstanden. In die Höhlungen wurde etwas Salz gefüllt und über Nacht ans Fenster gestellt. Am nächsten Morgen wurde begutachtet, wieviel Flüssigkeit sich angesammelt hatte und das Ergebnis als Voraussage für den Regen den Monaten zugeordnet.

Keine Wäsche waschen

Verbreitet ist bis heute, dass in den sechs letzten Tagen des alten und den sechs Tagen des neuen Jahres keine Wäsche gewaschen wird, um im kommenden Jahr einen Todesfall in der Familie zu vermeiden. Backen und Spinnen waren verboten. Für Karl-Heinz Wolbert liegt nahe, dass sich die Menschen, die ansonsten jeden Tag schufteten, einmal Ruhe gönnen sollten.

Zu Neujahr sollte Kraut gegessen werden, um das ganze Jahr über das Geld nicht ausgehen zu lassen. Die Spinnräder mussten still stehen, es durfte kein Mist auf die Felder gebracht werden und Müller scheuten sich, die Mühlen mahlen zu lassen. Wer unterwegs war, sollte vor Einbruch der Dunkelheit zuhause sein.

In den zwölf Rauhnächten empfahl sich das oftmalige Wasserholen vom Dorfbrunnen, denn diesem Wasser wurde eine verstärkte Heilkraft zugesprochen.

Schlachfeste

Da auf den Feldern weniger zu tun war, wurden Schlachtfeste abgehalten, zu denen besonders Pfarrer, Lehrer und die Nachbarschaft kamen. Arme Leute erhielten die Gredel- oder Metzelsuppe, manchmal mit Fleisch und Würsten darin. Das Wurstsuppentragen ist in einigen Dörfern erhalten geblieben.

Betteln

Im fränkischen Brauchtum wurde der erste Tag des Jahres besonders festlich gefeiert. Mit dem neuen Jahr regten sich Hoffnungen und Wünsche, es drohten aber auch Gefahren. Das gegenseitige Neujahrswünschen wurde mehr und mehr mit Betteln verbunden, so dass es 1605 in Nürnberg sogar bei Strafe verboten wurde.

Von Haus zu Haus

In einigen Dörfern Frankens ist erhalten geblieben, dass Kinder lärmend von Haus zu Haus ziehen und ihre Neujahrswünsche vortragen. Sie klopfen an und tragen ihre auswendig gelernten Sprüche vor. Dafür fordern sie eine angemessene Gabe in Form von Münzen.

Blick in den Odenwald

Im Odenwald sprachen die Kinder vor allem ihren Paten an und bekamen dafür einen Neujahrsweck oder Eierring. Da die Bauern in ländlichen Gebieten den Brauch kannten, buken sie vorab ausreichend Backwaren für die lärmende Schar.

In Gochsheim übergaben die Kinder ihrem „Douden“ (Paten) ein aus Mürbteig gebackenes Hufeisen, später Eierringe. Die Kinder erhielten von ihrem Taufpaten bis zum Schuleintritt alljährlich ein Geschenk.