Birgit Scheller ist Mutter dreier Kinder, von denen zwei bereits studieren. Das ist ihr lieb - und teuer.
Sie würde schon ganz gern die Totenglocke läutern. "Studiengebühren fördern eine Zwei-Klassen-Gesellschaft", ist Birgit Scheller sicher. "Das ist nicht fair, deshalb bin ich für die Abschaffung. Eigentlich." Warum die Einschränkung? "Weil manche Unis das Geld echt gewinnbringend für die Studenten einsetzen. Fällt die Gebühr weg, könnte der Schuss nach hinten losgehen."
Ob sie für das Volksbegehren "Nein zu Studienbeiträgen in Bayern" unterschreiben wird? Birgit Scheller zögert noch. Sie hat zwei Söhne, die in Passau und München studieren, und eine Tochter, die noch im Gymnasium ist. Für ihre Jungs muss die Pharmazeutisch-Technische Assistentin keine Studiengebühren zahlen - wie alle Eltern, die für drei oder mehr Sprösslinge Kindergeldanspruch haben. Dennoch sind die Ausgaben für die Bildung ihrer Kinder hoch: "Wohnung, Lebensunterhalt, Fahrten - da kommen sowieso schon mehrere Hundert Euro im Monat zusammen." Privatschulen? Auslandssemester? "Das wäre für den Lebenslauf toll - ist aber viel zu teuer."
Gleiche Chancen für alle? Bis zu 500 Euro Gebühr müsste Scheller zusätzlich pro Semester für jeden ihrer Studenten zahlen, wenn sie nicht noch eine jüngere Tochter hätte. Sie würde das Geld zusammenkratzen. "Doch das schafft nicht jeder." Wenn diese Kosten dazu führen, dass junge Menschen nicht studieren können, obwohl sie das Zeug dazu haben, ihnen aber ein dicker (elterlicher) Geldbeutel fehlt, sei das schlimm. "Wo bleibt die Chancen-Gleichheit?"
Allerdings sieht die Castellerin durch ihren ältesten Sohn Jens auch die Vorteile der Abgabe: "Die Uni Passau finanziert mit dem Geld drei Extra-Professoren zur Vorbereitung aufs Examen. Das kommt allen zugute."
Ungerecht findet sie jedoch den Unterschied zwischen den Ländern. Sie nennt ein Beispiel: Die beiden Kinder ihrer Freundin studieren in Thüringen und Sachsen. Dort werden keine Studiengebühren erhoben.
Die Frage nach der Gerechtigkeit wird auch Georg Kaiser dann und wann gestellt. Der Pressesprecher der Julius-Maximilians-Universität Würzburg analysiert die Lage nüchtern: Rund 15 Millionen Euro hat die Uni Würzburg im vergangenen Jahr durch die Studiengebühren fürs Sommer- und Wintersemester eingenommen. Von diesen 15 Millionen fließen "ziemlich genau 70 Prozent in zusätzliche Personalmittel". Die Situation für die Studierenden habe sich seit Einführung der Studiengebühren 2007 "erheblich verbessert".
Die Uni Würzburg handhabe es wie die meisten Unis in Bayern, berichtet Kaiser. Über die Verwendung der Studienabgaben entscheiden Kommissionen in den Fakultäten und zentralen Einrichtungen (Uni-Bibliothek, Rechenzentren), die je zur Hälfte mit Studenten und Vertretern der Uni besetzt sind. "So ist ausgeschlossen, dass das Geld zweckentfremdet wird."
"Wir können keine 15 Millionen herzaubern." Kaiser weiß, dass sowohl der Bologna-Prozess - die Umstellung auf Bachelor- und Master-Studiengänge - als auch der doppelte Abi-Jahrgang, der sich noch mehrere Jahre in den Unis bemerkbar machen wird, zusätzliches Personal binden. "Hier zeigt sich das Dilemma." Von den Studiengebühren werden gut 250 so genannte "Vollzeit-äquivalente Stellen" finanziert. "Tatsächlich sind das fast 800 Arbeitskräfte, allerdings viele in Teilzeit." Würde der Staat die Gebühren ersatzlos streichen, "könnten wir diese 800 Menschen nicht mehr bezahlen", denn: "Wir können keine 15 Millionen herzaubern."
Deshalb lautet die Forderung der Uni-Präsidenten, falls das Volksbegehren durchgeht: Volle Kompensation durch den Freistaat "plus X". Das X ist die Zusatzsumme, die durch weiter steigende Studentenzahlen generiert worden wäre.
"Würden die Gebühren einfach wegfallen - ohne Ausgleich - , hätte das dramatische Folgen", betont Kaiser. Die derzeitige Bildungs-Qualität könnte nicht gehalten werden. Angebote müssten gestrichen oder die Studentenzahl pro Kurs drastisch angehoben werden. Öffnungszeiten müssten zurückgefahren, wichtige Neuanschaffungen zurückgestellt werden.
Thomas Wehr, 52-jähriger Polizeibeamter aus Volkach, hört diese Worte - aber er glaubt nicht, dass die Gelder überall so effizient eingesetzt werden. Deshalb ist er nach wie vor "absolut dafür, dass die Studiengebühren abgeschafft werden". Der Vater von fünf Kindern ist froh, dass derzeit nur Tochter Theresa studiert. "Da ich noch drei Kinder auf der Lohnsteuerkarte habe, ist sie von den Gebühren befreit." Sohn Simon absolviert den freiwilligen Wehrdienst und überlegt noch, was er danach machen will.
Für den Otto-Normal-Verdiener, der "vielleicht 2 000 Euro netto nach Hause bringt", werde es schwierig, mehr als einem Kind ein Studium mit allem Drum und Dran zu finanzieren. Und auch, dass ein Student seine Bildungsausgaben selbst erarbeitet, sei kaum möglich, findet Wehr. "Bis jemand, der zum Beispiel als Bedienung sechs, sieben Euro in der Stunde bekommt, das nötige Geld zusammenhat, vergeht viel Zeit, die ja auch fürs Lernen fehlt." Insofern wäre Wehr nicht traurig, wenn für die Studiengebühren die Totenglocke läuten würde.