Pionier aus Mainsondheim
Andreas Seubert war der erste Teilnehmer, der in das Projekt einstieg. Als er mit seiner Familie im Herbst 2013 sein neues Heim in Mainsondheim (Lkr. Kitzingen) bezog, war es für ihn selbstverständlich, eine Solaranlage auf dem Dach zu installieren. Der Ingenieur, der selbst bei Siemens tätig ist, hatte ein Ziel vor Augen: Ich möchte unabhängig von Energielieferanten werden.
Selbst Batterien zu kaufen, um seinen an sonnigen Tagen im Überfluss produzierten Solarstrom speichern zu können, erschien ihm unrentabel: „Fachleute rieten mir ab, da sie die leistungsfähigen Batterien für den privaten Haushalt noch zu teuer finden.“ Von Kollegen bei Siemens erfuhr er vom Caterva-Projekt. Der heute 53-Jährige meldete sich als Teilnehmer.
Die N-Ergie trägt das Pilotprojekt wesentlich mit. Der Energieversorger spricht gezielt Kunden in seinem Netzgebiet an, die eine relativ neue Solaranlage installiert haben und am Projekt teilnehmen wollen. Die Resonanz ist gut, ein erster Schwarm von 60 Teilnehmern beisammen, berichtet Caterva-Sprecherin Catrin Schlatmann.
Vertragspartner der Teilnehmer am ersten Schwarm ist Caterva. Die Pullacher lieferten das System im Stahlschrank und schlossen es an, für 4000 Euro. Für Miete und Wartung über die Nutzungsdauer von 20 Jahren wurde noch einmal die gleiche Summe fällig. Dafür kostet der eigenerzeugte Strom nichts, der Teilnehmer ist insoweit unabhängig vom Strompreis. Für Andreas Seubert gibt es einen weiteren Grund, vom Schwarmstrom-Projekt zu schwärmen: „Ich muss mich überhaupt nicht drum kümmern.“ Will heißen: Caterva und die N-Ergie haben alles im Griff.
Regelleistung wird an der Strombörse gehandelt, es lassen sich hohe Preise erzielen. Die Einnahmen aus der Vermarktung der Regelleistung gestatten die günstigen Mietkonditionen, außerdem wurde das Pilotprojekt vom Freistaat Bayern gefördert.
N-Ergie stellt die übergeordnete Infrastruktur zur Verfügung. Ihre Leitwarte steuert künftig neben den Kraftwerken des Unternehmens auch den Schwarm des Caterva-Projekts. Über Mobilfunk kommen die Daten aus den ESS in den Kellern der Teilnehmer in die Zentrale. Dort kennt man also jederzeit den tatsächlichen Ladezustand der Batterien. Gleichzeitig wissen die ESS, wann die Netzfrequenz schwankt, das heißt, wann es ein Ungleichgewicht zwischen Stromangebot und -nachfrage gibt. Das ist beispielsweise dann der Fall, wenn die dezentralen Stromerzeuger zu viel Leistung erbringen oder auch konventionelle Erzeuger wie Kraftwerke ganz ausfallen.
Um die Differenz zwischen Ein- und Ausspeisung auszugleichen und die Netzfrequenz bei 50 Hertz zu halten, muss dann umgehend Strom zu- oder abgeführt werden. Diese Regelleistung übernehmen klassischerweise konventionelle Kraftwerke.
Seit 2011 können auch dezentrale Energie-Erzeuger ab einem Megawatt Leistung Regelleistung einspeisen und sollen diese Aufgabe laut der „Roadmap Systemdienstleistungen 2030“ der Deutschen Energie-Agentur (dena) auch immer stärker wahrnehmen. Doch dafür müssen neue Technologien eingesetzt und erprobt werden, eben wie bei Caterva.
Die Zentrale steuert den Schwarm
Die Teilnehmer des Pilotprojekts profitieren also nicht nur, indem sie mehr Solarstrom selbst nutzen, sondern sie tragen auch zum Gelingen der Energiewende bei. Ihr ESS wird ergänzt von einer Caterva-App, die neben dem Stromverbrauch im Haushalt stets anzeigt, wie hoch die Leistung der PV-Anlage ist, wie viel Strom in der hauseigenen Batterie gespeichert ist und wie viel ins Netz eingespeist wird. Die Kontrolle über die eigene Batterie haben die Projektteilnehmer allerdings nicht. In der Leitzentrale von N-Ergie laufen alle Daten zusammen, hoch verschlüsselt und anonymisiert, wie ein Unternehmenssprecher versichert.
Das Pilotprojekt soll erst der Anfang einer weitreichenden Entwicklung sein. Denn je größer der Schwarm ist, desto größer ist der Beitrag zur Netzstabilität. „Wir beginnen gerade mit der Erweiterung des Schwarms in Kooperation mit der N-Ergie“, teilt Caterva-Sprecherin Catrin Schlatmann mit. Allerdings sind die Konditionen nicht mehr ganz so günstig wie beim Pilotprojekt, das vom Freistaat gefördert wurde. „Aktuell erwirbt der Kunde die Caterva-Sonne und profitiert von Freistrom und Gemeinschaftsprämie“, schreibt Schlatmann.
Deutschland ist für die Umsetzung des Konzepts „Mit der Sonne im Netz“ – der Slogan von Caterva – besonders gut geeignet. Mit rund 1,1 Millionen privaten PV-Anlagenbesitzern hält es weltweit mit großem Abstand den Rekord.