Schiedsrichter, besonders auch jugendliche Nachwuchskräfte, werden Zielscheiben immer aggressiverer verbaler Attacken. Mehr und mehr Unparteiische schmeißen deshalb hin.
Beleidigungen, Geschrei und Drohungen, gleich ob die U11 oder die erste Mannschaft kickt. Erich Brauch, ehemaliger Obmann der Kitzinger Schiedsrichtergruppe, hat seine eigenen Erfahrungen gemacht. Unverbesserliche Spieler, Trainer, Betreuer oder Zuschauer flippen nach seinen Worten bei mehr als der Hälfte der Spiele aus.
"Ich bin der Meinung, dass die Aggressivität gegen Schiedsrichter im Fußball zugenommen hat. Vor allem im Jugendbereich", schildert er die Situation auf den Fußballplätzen der Region. Als Schiedsrichter brauche man deshalb ein dickes Fell. Der Willanzheimer zuckt mit den Achseln: "Du musst sehr viel sehen und noch viel mehr überhören".
Erich Braun hat in 27 Jahren Schiedsrichtertätigkeit die nötige Erfahrung und Charakterstärke gesammelt und weiß, wie er mit derben verbalen Attacken umgehen muss. Er lächelt spitzbübisch, als er ein Beispiel erzählt. "Hey Schiri, ich weiß wo dein Auto steht", sei eine typische Beschimpfung. "Und ich weiß, wie du ausschaust", lautet sein Konter. Körperlich sei er jedoch noch nie angegriffen worden.
Erfahrung und Routine
Derart selbstsicher ist jedoch nicht jeder. Braun schätzt, dass man bis zu fünf Jahre Praxis brauche, um Spiele souverän zu pfeifen "Gerade unsichere, junge Schiedsrichter werden oft angegangen", berichtet er. 13 oder 14 Jahre sind die Jüngsten, die vom Spielfeldrand aus die gesamte Palette Kraftausdrücke an den Kopf geworfen bekommen. So habe er als Beobachter mit angehört wie eine junges Mädchen mit asiatischen Wurzeln angebrüllt wurde, sie solle sich dahin zurückscheren, wo sie herkomme.
"Dass die jungen Leute irgendwann die Lust verlieren ist kein Wunder", sagt er. Noch vor vier Jahren habe es in der Schiedsrichtergruppe Kitzingen sechs bis acht Mädchen gegeben, die neu begonnen hatten, Spiele zu leiten. Erst kürzlich hätten wieder drei hingeschmissen. Übrig geblieben sei heute nur noch eine. "Die anderen wurden so heftig angegangen, dass sie aufgehört haben", berichtet er.
Nachwuchsprobleme
Insgesamt fehle es an Nachwuchs, die Qualität der Unparteiischen verschlechtere sich. Braun ist sich sicher, dass in den nächsten Jahren auch hier im Landkreis Spiele nicht mehr besetzt werden. "Dabei müsste man zeigen: Leute, ohne Schiedsrichter geht es nicht", betont er. Stattdessen gebe es Mannschaften, wo man im Vornherein wisse, dass man dort keine jungen Schiedsrichter Spiele leiten lassen kann.
Gründe für die steigende Aggressivität auf dem Platz sieht er zu einem großen Teil auch neben dem Platz liegen: "Ausschlaggebend ist die Qualität der Betreuer." Leider seien einige sehr undiszipliniert und würden sich, wie auch die Spieler, aufpeitschen. "Da wird dann jede Entscheidung kritisiert", merkt er an. Jede Entscheidung sei von vornherein falsch. Kritik per se sei am Unparteiischen natürlich erlaubt.
Das gebiete die Fairness. Aber sie müsse angemessen sein und dürfe sich vor allem nicht im Ton vergreifen. Wie er schildert haben damit allerdings der eine oder andere ihre Mühe: "Manchmal gehört auch den Eltern eine rote Karte gezeigt."
Vorbild Bundesliga
Ebenfalls sehr skeptisch verfolgt Erich Braun das Gebaren mancher Trainer in der Bundesliga. Wie sich ein Jürgen Klopp über Schiedsrichterentscheidungen ärgere, sei grenzwertig. "Und wenn die Jungs in der Kreisklasse sehen, wie sich die Vorbilder in der Bundesliga verhalten, meinen sie, sie hätten da auch das Recht dazu", stellt der Referee fest. "Schiedsrichter müssen Idealisten sein", weiß er aus eigener Erfahrung.
Als Kitzinger Obmann war er sieben Tage in der Woche täglich drei Stunden im Einsatz. Dennoch könne er es nur jedem raten, eine Schiedsrichter Ausbildung zu absolvieren. Er selbst hat den Spaß am Pfeifen auch noch nicht verloren. Braun weiß, dass es eben ein paar Chaoten gibt, unter denen der ganze Sport leidet. Er sieht deshalb die Vereine und deren Trainer wie auch Betreuer in der Pflicht, bei Fehlverhalten couragiert einzugreifen. "Es geht nur mit- und nicht gegeneinander", ist er überzeugt.
gabs schon immer, so manch erboster weiblicher zuschauer ließ , meist in den untersten kreisklassen, ihren regenschirm auf dem kopf des schiedsrichters tanzen, sobald das spiel abgepfiffen war.
nicht wahr was ich schreibe?-- alles schon miterlebt
Als ehemaliger Schiedsrichter bin ich über die ausufernde Gewalt total entsetzt. Die zunehmende Gewalt ist allerdings auch ein "Markenzeichen" unserer rücksichtslosen und egoistischen Gesellschaft. Die schlimmste verbale Entgleisung habe ich vor ca. 2 Jahren von einem Funktionär eines Vereins gehört, der nach einer strittigen Abseitsentscheidung gerufen hat: "Stecht sie ab die schwarze Sau" unglaublich, aber wahr! Die Schiedsrichter sollten über ein Aussetzen der Spielleitungen nachdenken.
Am sinnvollsten meiner Meinung nach wäre es, wenn zum einen die Sportgerichte drastischer durchgreifen würden und Strafen aussprechen würden, die nicht immer nur am Mindeststrafmass kratzen. Andere Sache wäre noch ein möglicher Ansatz, die max. Kilometerentfernungen in sämtlichen Klassen aufzuheben oder zumindest wieder erhöhen, denn dann könnte bspw. auch bei sogenannten "Problemvereinen" eben mal ein Schiri aus Aschaffenburg nach Kitzingen fahren und dort eine Kreisklassenpartie pfeifen. Mal sehen, ob das dann den betroffenen Vereinen nicht zu bunt wird und diese ihre Störenfriede selbst ruhig stellen werden, wenn das in der Saison 3 oder 4 mal so praktiziert wird.