Mordversuch ohne dritten Mann

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Im Schlosspark von Wiesentheid (Lkr. Kitzingen) wurde am 5. Januar eine schwer verletzte 22-jährige Frau gefunden. Die brutale Tat sollen zwei Jugendliche begangen haben.
Foto: Kristian Kienberger

Am 5. Januar wurde im Schlosspark von Wiesentheid eine verletzte Frau gefunden. Zwei Teenager stehen unter Mordverdacht.

Der 19-Jährige Reinhold sieht auf Bildern ganz brav aus: Gar nicht wie einer, der Lieder der Metal-Band „Slayer“ hört – oder eine Ex-Freundin nachts in den Schlosspark lockt und dann brutal auf sie einsticht. Aber das hat Reinhold, der eigentlich anders heißt, Ermittlern gestanden.

Reinholds Kumpel, der 18-jährige Sebastian (Name ebenfalls geändert), posiert auf Facebook zwar wie ein Gangsta-Rapper. Aber als zwei kräftige Polizisten ihn in Handschellen in den Polizeibus laden, wirkt er so schüchtern, als sei er allenfalls fähig, hinter einem Busch einen Joint zu rauchen – aber nicht wie einer, der beim Mord helfen würde.

Drei Monate nach der Bluttat im Schlosspark von Wiesentheid (Lkr. Kitzingen) ist die 5000-Einwohner-Gemeinde zum Alltag zurückgekehrt. Für die Beteiligten aber ist nichts wie vorher. Reinhold und Sebastian sitzen in Untersuchungshaft und warten auf ihre Anklage. Bis zu einem Urteil gelte für Sebastian die Unschuldsvermutung, betont Verteidiger Hanjo Schrepfer. „Mein Mandant hat gestanden“, sagt Reinholds Verteidiger Jan Paulsen. „Man wird sehen, wie sich das auf ein Urteil auswirkt.“

Bitter sind die Folgen für die niedergestochene junge Frau. Sie leidet drei Monate später noch immer an den Auswirkungen der brutalen Attacke auf Kopf, Hals und Rücken – körperlich wie seelisch. Sie sei „stabil“. Aber sie sei noch immer zu keiner Vernehmung in der Lage, sagt Oberstaatsanwalt Boris Raufeisen zurückhaltend.

Die Ermittlungen nach der Bluttat führten Kripo-Beamte schnell zu einem sozialen Brennpunkt in Kitzingen: In der Egerländer Straße fristen Menschen in schwierigen Verhältnissen ihr Dasein, Obdachlose, Langzeit-Arbeitslose, manche mit Suchtproblemen.

Nach einem Killer gesucht

Dieses Milieu war den zwei Tatverdächtigen vertraut. Hier soll Reinhold zunächst einen Killer gesucht haben, der sich für ihn die Finger schmutzig macht. Wie ernst das gemeint war? Manche Bewohner des sozialen Brennpunktes genießen die plötzliche Aufmerksamkeit und erzählen Abenteuerliches, wenn man sie fragt. Andere tauchten unter, wenn sie von der Staatsanwaltschaft vorgeladen werden. Das nährte Gerüchte über einen dritten Tatbeteiligten nach der Festnahme von Reinhold und Sebastian. „Es gibt keinen dritten Mann, der da ernsthaft beteiligt war“, sagt Oberstaatsanwalt Raufeisen auf Nachfrage. Aber ein junger Mann sagt: Reinhold habe gefragt, ob er den Killer machen würde. Aber er weigerte sich zu töten.

Selbst altgediente Mordermittler schütteln den Kopf darüber, dass zwei kaum erwachsene Kerle so brutal vorgegangen sein sollen. Ob Reinhold – als er am 5. Januar nach Wiesentheid aufbrach – auch Musik der von ihm geliebten Gruppe „Slayer“ hörte, Songs, die „No mercy“ (keine Gnade) heißen oder „Angel of death“ (Todesengel)?

Man traut diesem in sich gekehrten Teenager kaum zu, ein Messer zu zücken, als sei er selbst eine der grausamen Figuren, über die „Slayer“ singen. Und doch gestand der 19-Jährige: Er sei verzweifelt gewesen, als die 22-Jährige nichts mehr von ihm wissen wollte. Er habe getrunken, einen Job verloren. Dann soll er bei Nacht zur Mordwaffe gegriffen haben – als geistere ihm die Liedzeile aus dem Song von „Slayer“ im Kopf herum: „Bevor du das Licht siehst, musst du sterben“.

Sebastian will nicht gewusst haben, was Reinhold vorhatte. Ob ihm das Gericht das glaubt? Reinhold hat den Kumpel im Verhör schwer belastet. Überdies soll bei Sebastian die Mordwaffe gefunden worden sein.

Keine weiteren Komplizen

Als die junge Frau am 5. Januar gefunden wurde, machte die Nachricht die Runde, sie habe überlebt. Da soll Reinhold überlegt haben, in der Klinik sein tödliches Werk zu Ende zu bringen. Aber weil Ermittlern da noch nicht klar war, wie viele Personen an der Tat beteiligt waren, bezogen Polizisten zum Schutz der jungen Frau Posten vor dem Krankenzimmer. Sie zogen erst ab, als Reinhold und Sebastian gefasst waren – und Raufeisen wusste, dass es keine weiteren Komplizen gab. Das war eine Frage von vier Tagen.

Das alles soll wohl im Sommer in einem Prozess zur Sprache kommen. Vielleicht erholt sich das Opfer bis dahin zumindest so weit, dass es Angaben machen kann. Reinhold wurde von der JVA Aschaffenburg nach Ebrach verlegt, bestätigt die Justiz – ohne Gründe zu nennen. Ein Insider sagt: In seiner Zelle habe man Hinweise gefunden, dass der 19-Jährige einen Fluchtversuch geplant habe.