Als Gertraud Weigand geboren wurde, war Deutschland noch ein Kaiserreich. Ein ganzes Jahrhundert umspannt das Leben der gebürtigen Großlangheimerin.
Als Gertraud Weigand geboren wurde, war Deutschland noch ein Kaiserreich. Auf den Straßen fuhren kaum Autos und es gab weder Fernseher noch Internet. Ein ganzes Jahrhundert umspannt das Leben der gebürtigen Großlangheimerin. Viel hat sich seit ihrer Geburt verändert. Am Sonntag feierte sie ihren 100. Geburtstag.
Als Älteste von fünf Kindern erblickte die Jubilarin am 15. Mai 1916 in Großlangheim das Licht der Welt. Ihre Eltern Michael und Gretel Pfannes führten dort das Gasthaus „Zum Hirschen“. Ruhig und beschaulich war es damals in dem kleinen Weinort. Kaum Autos, wenig Verkehr, drum herum nur Äcker, Weinberge, Wald und Wiesen. „In meiner Jugend gab es bei uns vielleicht ein oder zwei Autos“, erinnert sich die 100-Jährige. Mit Ochsen- oder Pferdegespannen fuhren die Bauern damals noch aufs Feld.
Auch Fernseher gab es in Gertraud Weigand?s Kinder- und Jugendzeit noch nicht. Langweilig war es den Dorfbewohnern trotzdem nicht. „Wenn man abends ?rausging und sich auf?s Treppchen vorm Haus gesetzt hat, waren sofort viele Leute um einen herum“, erinnert sich die Jubilarin. Ein beliebter Treffpunkt nach Feierabend sei auch das „Bänkla“ im Schlosshof gewesen. Es wurde geplaudert, gelacht – und natürlich auch die neuesten Nachrichten aus dem Dorf ausgetauscht. Schön sei das gewesen, meint die alte Dame rückblickend.
Einfach war das Leben trotzdem nicht. Wie in den meisten Familien auf dem Land, musste auch Gertraud Weigand von klein auf mithelfen: „Geschenkt wurde einem nichts“, sagt sie. Neben der Gastwirtschaft betrieben ihre Eltern eine Landwirtschaft und Weinbau. Da galt es, mit anzupacken. Schon als Kind musste sie mit aufs Feld und in den Weinberg, später bediente sie in der elterlichen Gastwirtschaft. Dort lernte sie auch ihren Mann Willi kennen: Der gelernte Installateur stammte ebenfalls aus Großlangheim und war seinerzeit Bordfunker bei der Lufthansa in Hannover.
Als er während eines Heimaturlaubs in den „Hirschen“ ging, funkte es zwischen den beiden. 1939 wurde geheiratet. Danach zog Gertraud Weigand nach Hannover und bekam dort ihre ersten beiden Töchter. Als der Krieg ausbrach, wurde ihr Mann als Bordfunklehrer zur Luftwaffe eingezogen. Sie kümmerte sich Zuhause um die Familie.
Heimweh plagte die junge Mutter im fernen Hannover nicht: Gertraud Weigand genoss es, nicht mehr aufs Feld zu müssen und ganz für die Familie da sein zu können. Doch die Idylle währte nur kurz. Immer stärker spürte ihre Familie die Auswirkungen des Krieges. „Mit der Zeit gab es kaum mehr etwas zu essen“, erinnert sich die Jubilarin. Nach vier Jahren kehrte sie deshalb mit ihren zwei kleinen Töchtern zurück nach Großlangheim, wo die Lebensmittelversorgung wesentlich besser war als in der Großstadt.
Nach Kriegsende kam auch Ehemann Willi zurück ins Heimatdorf. Gertraud Weigand kümmerte sich weiterhin um die Familie, die auf drei Töchter und einen Sohn anwuchs. Nebenbei arbeitete sie über viele Jahre hinweg als Bedienung, zuerst im Kitzinger Gasthaus „Köberlein“, danach mehr als 20 Jahre lang beim Gasthaus „Stier“ in Rödelsee.