Früher war Schnee an Weihnachten normal – oder etwa doch nicht? Die Wetterdaten sagen etwas anderes. Außerdem erklärt ein Psychologe, warum uns unser Gedächtnis manchmal einen Streich spielt.
Wissen sie noch? Damals, im Jahr 1990, als der Main in Kitzingen zugefroren war? Ein harter Winter. Schneegestöber am 21. Dezember. Und Weihnachten? An der Kitzinger Messstation des Deutschen Wetterdienstes (DWD) wurde keine Schneedecke mehr gemessen.
Oder die Wintersaison 2010/2011. Das schneereichste Jahr in Kitzingen in den letzten Jahrzehnten. 79 Zentimeter hat es damals im gesamten Winter geschneit. Weiße Weihnacht? Gab es selbst in diesem Jahr nicht im gesamten Landkreis.
Wie kommt das? Und gab es früher nicht öfters weiße Weihnachten? „Traditionell gibt es um Weihnachten eher mildes Wetter“, erklärt Heiko Paeth, Professor für Geographie an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg. Diese Erfahrung schlägt sich auch im „Hundertjährigen Kalender“ nieder – dem über Jahrhunderte gesammelten Wettererfahrungsschatz der Menschen. Hier ist vom „Weihnachtstauwetter“ die Rede.
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Trügerische Erinnerungen
Heiko Paeth erklärt, wieso: „Das Wetter in unserer Region wird maßgeblich von der 'Nordatlantischen Oszillation' beeinflusst. Um Weihnachten treiben häufig Westwinde wärmere Luftmassen vom Atlantik zu uns – es wird mild.“ Auch die Daten des DWD bestätigen: In den Jahren seit 1979 gab es durchschnittlich nur alle zehn Jahre weiße Weihnachten in Kitzingen. Im höher gelegenen Geiselwind immerhin etwa alle vier Jahre.
Dass viele Menschen glauben, früher hätte es öfter weiße Weihnachten gegeben, hat für Fritz Strack, Professor für Sozialpsychologie an der Universität Würzburg, mehrere Gründe. Zum einen sei Gedächtnis nicht gleich Gedächtnis, erklärt er. „Im episodischen Gedächtnis speichern wir ab, wie genau etwas gewesen ist. Sie wissen dann noch, wie das Wetter zu Weihnachten war, wer alles da war und was es zu essen gab.“ Wegen der begrenzten Kapazität des Gehirns werden solche Erinnerungen jedoch schnell gelöscht.
„Was bleibt ist das semantische Gedächtnis“, erklärt Strack. Hier spielen aber auch Einschätzungen, Urteile und fremde Ideen eine Rolle. „Hier kommt es auch darauf an, wie etwas sein sollte“, sagt der Psychologe. „Wir wissen beispielsweise vom Klimawandel. Wir wissen also, dass es früher kälter gewesen sein muss.“ Tendenziell glauben wir deshalb, dass es früher öfters Schnee gab. Wir glauben es nicht nur, wir erinnern uns sogar daran.
Im Fernsehen und auf Bilder – überall wird uns suggeriert, Weihnachten und Schnee gehören zusammen. Und irgendwann speichert das Gehirn das auch so ab. „Unser Gedächtnis konstruiert Erinnerungen“, erklärt Strack. Außerdem blieben uns Ereignisse, die außergewöhnlich waren, präsenter. „Ankererinnerungen“ nennt Strack das.