Wunschtraum weiße Weihnacht

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Seltener Anblick: So verschneit wie hier am 24. Dezember 1958 ist es Weihnachten nur selten.
Foto: Stadtarchiv Kitzingen
Schneesturm: Am 21. Dezember 1990 schneite es. Drei Tage später war davon nichts mehr zu sehen.
Stadtarchiv Kitzingen
Alte Postkarte
Stadtarchiv
Verschneite Grüße: Postkarte aus dem Jahr 1898 – Kitzingen liegt unter einer Schneeschicht. Solche Bilder beeinflussen die Erinnerung. Doch auch damals waren weiße Weihnachten selten.
Fotos: Stadtarchiv Kitzingen
Daten DWD
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Daten DWD
.Weihnachten 1979 bis heute
Daten DWD

Früher war Schnee an Weihnachten normal – oder etwa doch nicht? Die Wetterdaten sagen etwas anderes. Außerdem erklärt ein Psychologe, warum uns unser Gedächtnis manchmal einen Streich spielt.

Wissen sie noch? Damals, im Jahr 1990, als der Main in Kitzingen zugefroren war? Ein harter Winter. Schneegestöber am 21. Dezember. Und Weihnachten? An der Kitzinger Messstation des Deutschen Wetterdienstes (DWD) wurde keine Schneedecke mehr gemessen.

Oder die Wintersaison 2010/2011. Das schneereichste Jahr in Kitzingen in den letzten Jahrzehnten. 79 Zentimeter hat es damals im gesamten Winter geschneit. Weiße Weihnacht? Gab es selbst in diesem Jahr nicht im gesamten Landkreis.

Wie kommt das? Und gab es früher nicht öfters weiße Weihnachten? „Traditionell gibt es um Weihnachten eher mildes Wetter“, erklärt Heiko Paeth, Professor für Geographie an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg. Diese Erfahrung schlägt sich auch im „Hundertjährigen Kalender“ nieder – dem über Jahrhunderte gesammelten Wettererfahrungsschatz der Menschen. Hier ist vom „Weihnachtstauwetter“ die Rede.

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Trügerische Erinnerungen

Heiko Paeth erklärt, wieso: „Das Wetter in unserer Region wird maßgeblich von der 'Nordatlantischen Oszillation' beeinflusst. Um Weihnachten treiben häufig Westwinde wärmere Luftmassen vom Atlantik zu uns – es wird mild.“ Auch die Daten des DWD bestätigen: In den Jahren seit 1979 gab es durchschnittlich nur alle zehn Jahre weiße Weihnachten in Kitzingen. Im höher gelegenen Geiselwind immerhin etwa alle vier Jahre.

Dass viele Menschen glauben, früher hätte es öfter weiße Weihnachten gegeben, hat für Fritz Strack, Professor für Sozialpsychologie an der Universität Würzburg, mehrere Gründe. Zum einen sei Gedächtnis nicht gleich Gedächtnis, erklärt er. „Im episodischen Gedächtnis speichern wir ab, wie genau etwas gewesen ist. Sie wissen dann noch, wie das Wetter zu Weihnachten war, wer alles da war und was es zu essen gab.“ Wegen der begrenzten Kapazität des Gehirns werden solche Erinnerungen jedoch schnell gelöscht.

„Was bleibt ist das semantische Gedächtnis“, erklärt Strack. Hier spielen aber auch Einschätzungen, Urteile und fremde Ideen eine Rolle. „Hier kommt es auch darauf an, wie etwas sein sollte“, sagt der Psychologe. „Wir wissen beispielsweise vom Klimawandel. Wir wissen also, dass es früher kälter gewesen sein muss.“ Tendenziell glauben wir deshalb, dass es früher öfters Schnee gab. Wir glauben es nicht nur, wir erinnern uns sogar daran.

Im Fernsehen und auf Bilder – überall wird uns suggeriert, Weihnachten und Schnee gehören zusammen. Und irgendwann speichert das Gehirn das auch so ab. „Unser Gedächtnis konstruiert Erinnerungen“, erklärt Strack. Außerdem blieben uns Ereignisse, die außergewöhnlich waren, präsenter. „Ankererinnerungen“ nennt Strack das.

Auswirkungen des Klimawandels

Aber natürlich gibt es trotzdem bedenkliche Veränderungen unseres Klimas: „Schon allein das Wort 'Weihnachtstauwetter“ impliziert ja, dass es vorher schon mal geschneit hat“, sagt Klimaforscher Paeth. Das ist aber tatsächlich immer seltener der Fall: „Die Winter werden immer wärmer.“ Dieses Jahr hat es praktisch noch keinen wirklichen Frost gegeben.

Tatsächlich sei die Region Mainfranken besonders vom Klimawandel betroffen: „Während die Temperaturen weltweit seit 1946 im Durchschnitt um etwa 0,6 Grad gestiegen sind, stiegen sie hier um etwa 1,6 Grad“, erklärt Paeth. Die stärker werdende Nordatlantische Oszillation führe zu einer ungleichen Verteilung des Temperaturanstiegs: „Während es in Nordamerika häufiger Blizzards und extreme Kälte gibt, wird es bei uns milder“, beschreibt Paeth die Auswirkungen des Wetterphänomens.

Dass es dieses Jahr etwas wird mit der weißen Weihnacht, ist praktisch ausgeschlossen. Laut DWD klettern die Temperaturen an Heiligabend auf über zehn Grad. „Bisher haben wir den wärmsten aufgezeichneten Winter aller Zeiten“, sagt Paeth. „Wieder einmal“, fügt er nach einer kurzen Pause hinzu. „Ich wohne seit etwa zehn Jahren hier“, erzählt der Forscher. „In dieser Zeit habe ich meine Schneeschaufel eigentlich fast nie gebraucht“. Oder täuscht ihn vielleicht seine Erinnerung?