Wer dreht hier am Rad?

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Gegenüber der Bushaltestelle in Castell befindet sich dieser Kaugummiautomat, der in seinem langen Leben schon einiges mitgemacht hat. Er wurde auch schon Opfer eines Spreng-Versuchs ...
Foto: Diana Fuchs
In der Kaiserstraße hängt einer. Irgendwie gehört er dazu.
Foto: Robert Wagner
In der Kaiserstraße hängt einer. Irgendwie gehört er dazu.
Foto: Robert wagner
Mainbernheimer Straße in Etwashausen.
Foto: Petra Kuhn via Facebook

Die zehnjährige Anna schüttelt den Kopf und meint: „Nö, da habe ich noch nie Geld rein geworfen.“ Ihre Geschwister Thea und Moritz stimmen dem zu. Keiner von den dreien hat jemals 20 Cent in einen Kaugummiautomaten gesteckt. Dabei stehen solche Geräte auch im Landkreis an vielen Standorten.

Kaugummi-Automaten kennt immer noch fast jeder aus seiner Kindheit. Spricht man Passanten auf die roten Kästen an, hört man oft folgenden Satz: „Was, die gibt's noch?“ Früher ließ sich für zehn Pfennige das Plastikkreuz drehen und eine klebrige Kugel fiel heraus. Schön waren die Dinger eigentlich nie. Die Automaten sind häufig verschmiert, viele von ihnen haben Brandspuren und machen einen ziemlich tristen Eindruck. Obwohl innen drin bunte Kaugummis sind oder billige kleine Spielsachen, die häufig viel zu schnell kaputt gehen beziehungsweise relativ sinnfrei sind. Vor allem an Schulwegen, bei Kindergärten und Bushaltestellen gibt es sie noch.

Die Automatenaufsteller kommen ihrer Hauptkundschaft – den Kindern – gern ein bisschen entgegen. Sie kennen ihre Zielgruppe, seit Jahrzehnten schon. Aber die Alterung unserer Gesellschaft sorgt in der Aufsteller-Branche für Sorgenfalten. Weniger Kinder bedeuten nämlich geringere Umsätze. Im Fachjargon der Branche auch Drehzahlen genannt.

Am besten liefen nach wie vor Kaugummis, meint ein Aufsteller, der nicht genannt werden möchte. Entscheidend sei in seinem Geschäft nicht so sehr die Gewinnspanne beim Verkauf eines Produkts, sondern vor allem die Drehzahl. Also, wie viele Kinder ihr Geld in den Automaten stecken.

„Wenn Sie ein Produkt mit viel Gewinn haben, das sich nur wenig verkauft, nutzt das nichts“, meint der Geschäftsmann am Telefon. Um die Drehzahl am Münzrad hoch zu halten, werden daher neue Trends aufgriffen - wie etwa beliebte Kinderfilme, deren Figuren dann kurze Zeit später in den Automaten liegen. Aber es gibt auch Klassiker, die seit Jahren funktionieren: Flummis, Stinkbomben und supersaure Süßigkeiten.

Lohnt sich denn das Geschäft mit den Kaugummiautomaten? Laut Einschätzung des Verbandes der Automaten-Fachaufsteller (Vafa) sei hier kein eindeutiges Ja oder Nein möglich.

Bis zu 700 Euro Umsatz

Es gebe durchaus noch Standorte, an denen hohe Umsätze bis zu 700 Euro im Jahr möglich seien. Andere Plätze würden nur 20 Euro abwerfen. Allerdings kommen Aufsteller mit ein paar Hundert Automaten nicht über die Runden. Um genügend Umsatz zu machen, braucht es schon mindestens 2000 solcher Apparaturen.

Die Behältnisse, in denen sich das Angebot befindet, werden übrigens im Schnitt alle drei Monate ausgetauscht. Insgesamt hat der Inhalt eines Automaten den Wert von 30 Euro.

Verändert hat sich in der Branche in all den Jahren wenig. Mit einer Ausnahme: Die Einführung des Euro sorgte dafür, dass alle Kaugummiautomaten mehr oder weniger über Nacht auf die neuen Münzen umgestellt wurden.

Rentables Geschäft

Für die jungen Kunden hatte das teure Konsequenzen: Was früher zehn oder 20 Pfennige wert war, kostet seitdem das Doppelte. „Das Geschäft rentiert sich“, meint der Aufsteller, der über 3000 Automaten in Süddeutschland betreibt. Hin und wieder würden sogar Kinder bei ihm anrufen und nach neuen Spielfiguren fragen: „Für Jungen und Mädchen ist es was Besonderes, wenn sie sich zum ersten Mal alleine etwas am Automaten holen. Wir verkaufen auch ein wenig Freude.“

Wenig Freude bereitet aber das mutwillige Zerstören der Automaten. Am schlimmsten sei Silvester. Es soll sogar Aufsteller geben, die im Dezember die Geräte ab- und im Januar wieder aufhängen. Ein Standardautomat kostet übrigens rund 120 Euro. Und am Geschäft mit bunten Kaugummis und Spielsachen können sogar die Gemeinden ein wenig mit verdienen. Kommunen regeln nämlich über eine Sondernutzungsgebührensatzung das Aufstellen von Automaten. Je nach dem, wie die Regelung genau formuliert ist, kann also durchaus ein geringer Obolus für die Gemeinde abfallen.

Wie steht's aber um die Haltbarkeit der Waren in den Kästen? Die Antwort des Aufstellers: „So ein Kaugummi ist so gut wie unverwüstlich. Er wird nur mit der Zeit ein bisschen blass.“ Wer?s mag…

Technik

Mechanik: Kaugummiautomaten kamen in der Nachkriegszeit nach Deutschland. Sie sind rein mechanische Konstruktionen. Es wird eine Münze eingeworfen, welche beim Bedienen des Drehgriffs einen Mechanismus auslöst, der die Münze in den Sammelbehälter fallen lässt und die Ware, die sich meist in einem Plexiglasbehälter über dem Automaten befindet, freigibt und ins Ausgabefach fallen lässt.

Leuchtend: Die Automaten wurden mit der Zeit in ganz Deutschland an Hauswände gehängt und prägen bis heute so das Ortsbild mit. Es handelt sich dabei meist um Automatenbatterien, die im Prinzip zwei bis vier Automaten in einem Metallrahmen vereinigen, der in leuchtenden Farben lackiert ist. Jeder Einzelautomat hat ein Guckfenster, das den kleinen Kunden einen Blick auf den Inhalt ermöglicht.