Stan ist rund einen Monat zusammen mit seiner Mutter in Europa unterwegs – ohne seine Frau. Ein Umstand, den die rund 70-jährige Mutter äußerst positiv hervorhebt. Probleme zwischen Schwiegertochter und -mutter existieren eben länderübergreifend.
Währenddessen erklärt Stadtführer Patrice Feraco den bei Temperaturen um die null Grad bibbernden Touristen gerade, dass Kitzingen im Sommer gleich zweimal den deutschen Hitzerekord gebrochen hat. Diese Gelegenheit nutzt Stan, um zu erzählen, wie viel es bei ihnen zuhause in Colarado geschneit hat. „So hoch liegt der Schnee“, sagt er und hält sich die Hand knapp über die Hüfte.
Schnee hat Kitzingen an diesem Tag zwar nicht zu bieten; dafür wird das Herolds- oder „Draculagrab“ angesteuert. „Friedhöfe sind so beliebt, die Menschen würden sogar sterben, um dahin zu kommen“, sagt Barbara fröhlich. Heuer bleibt aber kaum Zeit für das obligatorische „Selfie“ mit den furchterregenden Fresken, da geht es auch schon weiter.
„Der Zeitplan ist straff“, erklärt Walter Vierrether. Nicht mehr als eine Stunde darf der Stadtrundgang insgesamt dauern. Die Stadt selbst habe darauf keinen Einfluss, erklärt der Tourismuschef. Vielmehr bestimmen die Reedereien als Veranstalter, wo es lang geht. Und das im wahrsten Sinne des Wortes: „Die Reedereien sind mit uns einmal quer durch die Stadt gelaufen. Dann haben sie festgelegt, wann und auf welchem Weg die Gäste geführt werden sollen.“
Keinen Einfluss haben die Reedereien dagegen darauf, wann welche Schiffe anlegen dürfen. „Die Anlegestelle haben wir, im Gegensatz zu vielen anderen Orten, als Stadt selbst finanziert. Das macht uns unabhängiger“, erklärt Vierrether. Er ist stolz auf das Erreichte. Kitzingen steht neben größeren Städten wie Nürnberg, Bamberg und Würzburg immer öfter auf dem Plan der Flussschiffer.
Probleme mache das nicht. Denn auch wenn die Schiffe mitten in der Stadt anlegen, würden die Anwohner kaum gestört. „Die Schiffe sind verpflichtet die Motoren abzuschalten“, sagt der Leiter des Touristenbüros. Das verhindert Abgas- und Lärmbelästigung. Außerdem darf nach 24 Uhr kein Schiff mehr abfahren. „Der Anlegeplatz mitten in der Stadt ist einer der großen Vorteile von Kitzingen“, erklärt Vierrether. In anderen Städten müssten die Gäste erst mit Bussen in die Innenstadt gefahren werden.
Vorteile hat das jedoch nicht nur für die Touristen: „Jedes der 150 Hotelschiffe muss 250 Euro Gebühr an die Stadt zahlen“, fährt Vierrether fort. 150 mal 250 – das macht immerhin 37 500 Euro im Jahr. Hinzu kommen Kosten für Strom, Wasser und Abfallentsorgung. Wichtiger sei jedoch der Tourismus als Wirtschaftsfaktor.
Denn trotz der kurzen Zeit würden die Gäste gerne Kaffee trinken und shoppen gehen. „Besonders die Australier kaufen viel – und zwar keine billige Sachen“, verrät Vierrether. Da trifft es sich vorzüglich, dass knapp 70 Prozent der Schiffstouristen aus Australien oder Neuseeland stammen.
Vor dem Deutschen Fastnachtsmuseum diskutieren die New Yorkerin Babara und Stadtführer Patrice Feraco die Vor- und Nachteile des „Mardi Gras“ in New Orleans und der deutschen Fastnacht. Doch auch hier bleibt kaum Zeit zum Verweilen. „Wir würden das Museum gerne mehr mit einbinden. Da gibt es aber einfach ein Zeitproblem“, sagt Vierrether.
Stattdessen steht die Begrüßung durch den Hofrat und die Weinkönigin auf dem Plan. Natürlich mit anschließender Weinverkostung. „Die Touristen lieben alles Historische“, erklärt Vierrether noch einmal eindringlich.
„Die Touristen lieben
alles Historische“
Walter Vierrether Hofrat
Also steht Jürgen Reitmeier in mittelalterlichen Kostüm und silberner Kandel als Hofrat vor den versammelten Besuchern und erklärt die Geschichte des Kitzinger Weingesetzes. Das stammt immerhin aus dem Jahr 1482. Erst zehn Jahre später entdeckte Christopher Kolumbus Amerika und erst im Jahr 1516 entstand das Deutsche Reinheitsgebot für Bier.
Dann werden drei Freiwillige gewählt und es gibt Geschichte zum Mitmachen. Alle drei müssen einen tiefen Schluck aus dem dargereichten Becher nehmen und auf Deutsch wiederholen: „Geprüfet und für gut befunden!“ Enthusiastisch kippt sich die Vertreterin Brasiliens fast den Becher über die Brust, ihr kanadisches Pendant greift sich unter Beifall den Wein und ruft voller Überzeugung: „Wenn ihr glaubt, das wäre eine Herausforderung, habt ihr wohl noch nie einen Kanadier beim Trinken gesehen!“
Der ganze Besuch dauert insgesamt kaum mehr als drei Stunden. Vollgepackt mit Weinflaschen und Einkaufstüten tritt die Gruppe den Rückzug zur Amaprima an. Würzburg, die nächste „charming little city“, wartet schon. „Und das Mittagessen“, erklärt Barbara, bevor sie im Bauch des Schiffes verschwindet.