Tourismus: „Charming little Kitzingen“

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Prima: Die Amaprima ist eines der knapp 150 Hotelschiffe, die letztes Jahr in Kitzingen angelegt haben.
Foto: Robert Wagner
Interessant: Gespannt hören Barbara und die anderen Reisegäste den Ausführungen ihres „Tourguides“ zu.
Foto: Robert wagner
Kurze Wege: Die Reisegruppen sind schnell von ihrem Schiff mitten in Kitzingen.
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Straffer Zeitplan: Auch vorm „Draculagrab“ hat die Touristengruppe nur wenig Zeit für Erklärungen und Fotos.
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Gut gelaunt: Barbara aus New York hat Spaß im „charming little Kitzingen“.
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Versorgung: Während die Gäste durch Kitzingen streifen, wird auf der Amaprima gearbeitet.
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Verspätetes Weihnachten: Draußen ist der Weihnachtsschmuck schon größtenteils verschwunden, auf der Amprima ist Weihnachten noch ganz nah.
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Historisches: Weinkönigin und Hofrat – die Touristen freuen sich über alles traditionelle.
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Geschichtsträchtig: Natürlich steht auch die Alte Synagoge auf dem Programm.
Foto: Robert Wagner

Knapp 150 Hotelschiffe legten 2015 in Kitzingen an. Die Touristen freut's. Die Stadt auch.

Eine kleine Gruppe schlängelt sich gemächlich von der Alten Synagoge Richtung altes Krankenhaus, immer einem pinken Stecken nach. Den trägt an diesem Tag Patrice Feraco (64), der „Tourguide“ am winterlichen Morgen.

Kitzingen muss Touristen aus der Großstadt doch fast wie ein Dorf vorkommen? „More like an apartment“ – eher wie eine kleine Wohnung, sagt Barbara und lacht herzlich. Sie stammt aus New York und ist dort selbst Stadtführerin. Da in New York mehr als 400 mal so viele Menschen leben, sei ihr der Vergleich verziehen. Barbara ist eine von rund 60 Passagieren der „Amaprima“, die an diesem Morgen Kitzingen erkunden. Ob ihnen die Stadt gefällt? „Very charming“, sagt Barbara. Wirklich bezaubernd, finden auch die anderen Besucher.

Rund 150 Hotelschiffe haben im Jahr 2015 in Kitzingen angelegt, erzählt Walter Vierrether, Tourismusleiter der Stadt Kitzingen. „Bisher waren die Besucher immer sehr zufrieden. Beschwerden gab es nie“, stellt er fest. Für das Jahr 2016 gibt es bereits 70 feste Anmeldungen. „Da kommen aber noch einige dazu“, ist sich der Tourismuschef sicher.

„Der Zeitplan

ist straff“

Walter Vierrether Tourismusleiter

Den Gästen aus Kanada, den USA, Australien und Brasilien imponiert vor allem die lange Geschichte der Stadt. „Das älteste Gebäude in New York ist knapp 300 Jahre alt. Wenn ich das auf meinen Touren erzähle, lachen die europäischen Touristen immer“, erzählt Barbara. Doch nicht nur die Stadthistorie, auch persönliche Geschichte hat die Menschen hergeführt. „Der Vater meines Großvaters ist aus Bayern eingewandert“, erklärt Stan.

„Ich fühle mich deswegen fast, als wäre ich nach Hause gekommen.“ Dass Stan aus Colorado stammt, erklärt wahrscheinlich, warum er Bayern und Franken in einen Topf wirft.

Stan ist rund einen Monat zusammen mit seiner Mutter in Europa unterwegs – ohne seine Frau. Ein Umstand, den die rund 70-jährige Mutter äußerst positiv hervorhebt. Probleme zwischen Schwiegertochter und -mutter existieren eben länderübergreifend.

Währenddessen erklärt Stadtführer Patrice Feraco den bei Temperaturen um die null Grad bibbernden Touristen gerade, dass Kitzingen im Sommer gleich zweimal den deutschen Hitzerekord gebrochen hat. Diese Gelegenheit nutzt Stan, um zu erzählen, wie viel es bei ihnen zuhause in Colarado geschneit hat. „So hoch liegt der Schnee“, sagt er und hält sich die Hand knapp über die Hüfte.

Schnee hat Kitzingen an diesem Tag zwar nicht zu bieten; dafür wird das Herolds- oder „Draculagrab“ angesteuert. „Friedhöfe sind so beliebt, die Menschen würden sogar sterben, um dahin zu kommen“, sagt Barbara fröhlich. Heuer bleibt aber kaum Zeit für das obligatorische „Selfie“ mit den furchterregenden Fresken, da geht es auch schon weiter.

„Der Zeitplan ist straff“, erklärt Walter Vierrether. Nicht mehr als eine Stunde darf der Stadtrundgang insgesamt dauern. Die Stadt selbst habe darauf keinen Einfluss, erklärt der Tourismuschef. Vielmehr bestimmen die Reedereien als Veranstalter, wo es lang geht. Und das im wahrsten Sinne des Wortes: „Die Reedereien sind mit uns einmal quer durch die Stadt gelaufen. Dann haben sie festgelegt, wann und auf welchem Weg die Gäste geführt werden sollen.“

Keinen Einfluss haben die Reedereien dagegen darauf, wann welche Schiffe anlegen dürfen. „Die Anlegestelle haben wir, im Gegensatz zu vielen anderen Orten, als Stadt selbst finanziert. Das macht uns unabhängiger“, erklärt Vierrether. Er ist stolz auf das Erreichte. Kitzingen steht neben größeren Städten wie Nürnberg, Bamberg und Würzburg immer öfter auf dem Plan der Flussschiffer.

Probleme mache das nicht. Denn auch wenn die Schiffe mitten in der Stadt anlegen, würden die Anwohner kaum gestört. „Die Schiffe sind verpflichtet die Motoren abzuschalten“, sagt der Leiter des Touristenbüros. Das verhindert Abgas- und Lärmbelästigung. Außerdem darf nach 24 Uhr kein Schiff mehr abfahren. „Der Anlegeplatz mitten in der Stadt ist einer der großen Vorteile von Kitzingen“, erklärt Vierrether. In anderen Städten müssten die Gäste erst mit Bussen in die Innenstadt gefahren werden.

Vorteile hat das jedoch nicht nur für die Touristen: „Jedes der 150 Hotelschiffe muss 250 Euro Gebühr an die Stadt zahlen“, fährt Vierrether fort. 150 mal 250 – das macht immerhin 37 500 Euro im Jahr. Hinzu kommen Kosten für Strom, Wasser und Abfallentsorgung. Wichtiger sei jedoch der Tourismus als Wirtschaftsfaktor.

Denn trotz der kurzen Zeit würden die Gäste gerne Kaffee trinken und shoppen gehen. „Besonders die Australier kaufen viel – und zwar keine billige Sachen“, verrät Vierrether. Da trifft es sich vorzüglich, dass knapp 70 Prozent der Schiffstouristen aus Australien oder Neuseeland stammen.

Vor dem Deutschen Fastnachtsmuseum diskutieren die New Yorkerin Babara und Stadtführer Patrice Feraco die Vor- und Nachteile des „Mardi Gras“ in New Orleans und der deutschen Fastnacht. Doch auch hier bleibt kaum Zeit zum Verweilen. „Wir würden das Museum gerne mehr mit einbinden. Da gibt es aber einfach ein Zeitproblem“, sagt Vierrether.

Stattdessen steht die Begrüßung durch den Hofrat und die Weinkönigin auf dem Plan. Natürlich mit anschließender Weinverkostung. „Die Touristen lieben alles Historische“, erklärt Vierrether noch einmal eindringlich.

„Die Touristen lieben

alles Historische“

Walter Vierrether Hofrat

Also steht Jürgen Reitmeier in mittelalterlichen Kostüm und silberner Kandel als Hofrat vor den versammelten Besuchern und erklärt die Geschichte des Kitzinger Weingesetzes. Das stammt immerhin aus dem Jahr 1482. Erst zehn Jahre später entdeckte Christopher Kolumbus Amerika und erst im Jahr 1516 entstand das Deutsche Reinheitsgebot für Bier.

Dann werden drei Freiwillige gewählt und es gibt Geschichte zum Mitmachen. Alle drei müssen einen tiefen Schluck aus dem dargereichten Becher nehmen und auf Deutsch wiederholen: „Geprüfet und für gut befunden!“ Enthusiastisch kippt sich die Vertreterin Brasiliens fast den Becher über die Brust, ihr kanadisches Pendant greift sich unter Beifall den Wein und ruft voller Überzeugung: „Wenn ihr glaubt, das wäre eine Herausforderung, habt ihr wohl noch nie einen Kanadier beim Trinken gesehen!“

Der ganze Besuch dauert insgesamt kaum mehr als drei Stunden. Vollgepackt mit Weinflaschen und Einkaufstüten tritt die Gruppe den Rückzug zur Amaprima an. Würzburg, die nächste „charming little city“, wartet schon. „Und das Mittagessen“, erklärt Barbara, bevor sie im Bauch des Schiffes verschwindet.