Tödlicher Geisterfahrer-Unfall: Senioren und das Autofahren

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81-jähriger Falschfahrer verursacht tödlichen Verkehrsunfall
Tragischer Unfall: Bei einem Zusammenstoß auf der B8 bei Rottendorf am 23. Dezember stirbt ein 24-Jähriger aus dem Landkreis.
81-jähriger Falschfahrer verursacht tödlichen Verkehrsunfall
News5/Hoefig
Autofahren im Alter
Fehlender Durchblick? Älteren Menschen wird oft unterstellt, schlecht Auto fahren zu können.
Autofahren im Alter
Felix Kästle/dpa

Nach einem tragischen Unfall am 23. Dezember wird wieder über die Fahrtüchtigkeit von Senioren diskutiert. In der Nähe von Rottendorf ist an diesem Abend ein 24-Jähriger beim Zusammenstoß mit einem 81-jährigen Geisterfahrer ums Leben gekommen.

Es ist der 23. Dezember 2015, gegen 22.45 Uhr. Ein Autofahrer versucht noch, das Unglück zu verhindern. Auf der B8 Richtung Würzburg sieht er bei Rottendorf auf der Gegenfahrbahn ein Auto. Es fährt in die falsche Richtung. Der Fahrer wählt sofort den Notruf, doch noch während des Telefonats kracht der Geisterfahrer in einen entgegenkommenden Wagen. Der Geisterfahrer ist 81 Jahre alt.

Der 24-jährige Fahrer stirbt noch am Unfallort, seine beiden Mitfahrer werden verletzt. Der 81-Jährige Geisterfahrer selbst kommt in ein Krankenhaus und schwebt noch immer in Lebensgefahr. Es sind tragische Unfälle wie diese, die die Diskussion um den Umgang mit älteren Autofahrern anheizen. Sind flächendeckende Tests nötig, die die Fahrtauglichkeit von älteren Menschen überprüfen? Wenn ja, ab welchem Alter? Reichen nicht auch freiwillige Angebote?

Weitere Informationen zum Unfall bei Rottendorf finden Sie hier. 

Es ist ein schwieriges Thema, auf ganz verschiedenen Ebenen. „Senioren sind nicht grundsätzlich unsichere Verkehrsteilnehmer“, sagt Harald Hufnagel von der Polizeiinspektion Kitzingen. Laut offizieller Statistik waren Senioren, also Menschen über 65 Jahre, im Jahr 2014 an 2677 Unfällen in Unterfranken beteiligt. Das entspricht einem Anteil von 7,3 Prozent – und liegt damit wesentlich niedriger als der Anteil der Senioren an der Gesamtbevölkerung. Dieser liegt bei knapp 20 Prozent. Im Jahr 2014 waren 12,5 Prozent aller Falschfahrer auf Autobahnen in Unterfranken über 70 Jahre alt. „Bei Bundesstraßen erhöht sich der Anteil auf 57 Prozent“, sagt Claudia Ernst vom Polizeipräsidium Unterfranken.

Im Landkreis Kitzingen wurden in den ersten drei Quartalen diesen Jahres 125 Unfälle mit Senioren erfasst. „In 75 von ihnen waren sie auch die Hauptverursacher“, sagt Hufnagel. Im Vergleich zum Vorjahr entspricht das einem Rückgang von 19 beziehungsweise 25 Prozent. Oft seien Senioren auch als Fußgänger an Unfällen beteiligt.

Dass Senioren relativ selten an Unfällen beteiligt sind, liegt laut Hufnagel vor allem daran, dass sie auch seltener Auto fahren. „Die durchschnittliche Fahrtauglichkeit ist dennoch deutlich niedriger als bei jüngeren Altersgruppen. Falsch wäre es jedoch, Senioren in Gänze als unsichere Verkehrsteilnehmer darzustellen. Durch ihre langjährige Praxis verfügen sie über einen hohen Erfahrungsschatz.“

Eingeschränkte Handhabe

Ältere Autofahrer sind auch immer wieder Thema in der Führerscheinstelle. „Erst wenn Zweifel an der Fahrtüchtigkeit aufkommen, können wir aktiv werden“, erklärt Sandra Weiss, Sachgebietsleiterin Verkehrswesen im Landratsamt Kitzingen. Dann würden ärztliche Atteste, Gutachten und eventuell auch Fahrproben verlangt. „Solche Zweifel werden uns meist von der Polizei oder den Gerichten mitgeteilt.“

Glücklicherweise gehen die meisten Unfälle glimpflich aus. Weiss berichtet von einem Fall aus diesem Jahr: Ein über 90-jähriger Mann sei durch den halben Landkreis zu einer Gaststätte gefahren. Unterwegs sei er an einem parkenden Wagen hängengeblieben – aber einfach weitergefahren. Später wurde er von der Polizei angehalten. Auf die Frage der Beamten, ob er den Anstoß nicht gehört habe, habe er gesagt „Was haben Sie gesagt? Sie müssen lauter reden!“

In einem anderen Fall sei eine Frau Mitte 80 falsch herum in eine Einbahnstraße gefahren. Als Erklärung hätte sie angegeben, dass die Straße, als sie dort noch gewohnt habe, keine Einbahnstraße gewesen sei. „Das lag jedoch schon 30 Jahre zurück“, erzählt Weiss.

Die beiden Polizeibeamten Hufnagel und Ernst weisen in diesem Zusammenhang auf die Bedeutung freiwilliger Test hin. „Schon im Internet gibt es beim Deutschen Verkehrssicherheitsrat die Möglichkeit einen ersten Seh-, Hör- und Reaktionstest zu machen“, erklärt Hufnagel (). Außerdem bieten verschiedene Anbieter Fahrtests und -trainings an – beispielsweise die deutsche Verkehrswacht, der ADAC oder die VA Verkehrsakademie. Von Zwangsmaßnahmen hält die Polizei Unterfranken nichts: „Dafür sind die Menschen im Alter einfach zu unterschiedlich“, sagt Claudia Ernst. Wichtig sei es jedoch, auf den eigenen Körper zu hören.

Eine andere Möglichkeit ist der Hausarzt. Bei einer Forsa-Umfrage gaben 77 Prozent aller Befragten über 65 Jahre an, in den letzten zwölf Monaten beim Arzt gewesen zu sein. Allerdings haben nur 19 Prozent aller Befragten ihren Arzt jemals auf ihre Fahrtüchtigkeit angesprochen.

Dass ältere Menschen sich oft vor freiwilligen Tests scheuen, ist einer der Gründe, warum sich Sandra Weiss für mehr Kontrollmöglichkeiten seitens des Gesetzgebers ausspricht. „Gelegentlich melden sich auch Angehörige bei uns, weil sie einem Familienmitglied das Autofahren nicht mehr zutrauen. Sie möchten wissen, was unternommen werden muss, damit derjenige seinen Führerschein abgibt“, erzählt sie.

Weis erklärt den Angehörigen dann das Verfahren. Das hat jedoch einen Harken: „Sobald die Angehörigen hören, dass der Betroffene erfährt, von wem die Mitteilung kam, machen sie meist einen Rückzieher, um Ärger zu vermeiden.“ Der Deutsche Verkehrssicherheitsrat gibt deshalb auch Informationsmaterial für Angehörige heraus. Darin wird beschrieben, wie sie das Thema sensibel ansprechen können.

Schwierige Situation für Senioren

Dass ältere Menschen so sensibel auf das Thema Fahrtüchtigkeit reagieren, hat mehrere Gründe: So ist es immer problematisch eine ganze Gruppe für Fehler Einzelner zur Verantwortung zu ziehen. Außerdem ist das Auto oftmals auch ein Stück Freiheit. „Es ist oftmals das letzte Stück Selbstständigkeit auf dem Land“, sagt auch Sandra Weiss.

Gerade im ländlichen Raum kommt der Mobilität entscheidende Bedeutung zu. Insofern spielen auch die äußeren Bedingungen eine Rolle – beispielsweise die Verfügbarkeit von öffentlichen Verkehrsmitteln. Sandra Weiss spricht auch dieses Thema an: „Ich versuche den Senioren, die nicht mehr fahren können oder sollten, immer ökonomische Gründe zu liefern: Mit dem Geld, dass sie durch das Abmelden ihres Autos sparen, könnten sie die meisten Fahrten auch mit dem Taxi erledigen – und hätten immer noch Geld übrig.“
 



Kommentar 

Ältere Menschen gelten als unsichere Autofahrer. Das ist mindestens eine unzulässige Verallgemeinerung. Denn wer im hohen Alter Auto fährt, hat in aller Regel auch jahrelange Erfahrung hinter dem Steuer.

Die fehlt wiederum sehr jungen Autofahrern  – bekanntermaßen eine andere Gruppe, der grundsätzlich eine gefährliche Fahrweise unterstellt wird.

Beides ist zu einfach Gedacht. Zu viele Emotionen und Vorurteile verhindern eine vernünftige Debatte. Es gibt nicht eine schlecht fahrende Gruppe, sondern immer nur einzelne, gute oder schlechte, Autofahrer. Statt also mit erhobenem Zeigefinger auf ganze Personengruppen zu zeigen, sollte man sich die wirklichen Gefahren vor Augen führen: Im hohen Alter lassen Reaktionszeit, Gehör und Sehschärfe nach. Außerdem können auch Krankheiten zu einer Gefahr werden.

Deswegen ist es wichtig, auf seinen eigenen Körper zu hören. Und auf andere Menschen. Denn tatsächlich ist die Einschätzung von Angehörigen ein wichtiges Indiz für die eigenen Fahrkünste – nicht mehr und nicht weniger. Grund zum familieninternen Streit sollte daraus nicht entstehen.

Statt über zwangsweise Fahrtüchtigkeitstests für ältere Menschen zu diskutieren, sollte sich lieber jeder Autofahrer noch einmal bewusst machen, welche große Verantwortung er auf der Straße hat. Unabhängig von seinem Alter. Ob Übermüdung, Alkohol oder Alterskurzsichtigkeit – es gibt viele Gründe, die die Fahrtüchtigkeit einschränken. Sie zu kennen und seine eigenen Fähigkeiten richtig einschätzen zu können sollte ein Selbstverständlichkeit sein. Denn es gibt zwar keine „graue Gefahr“ auf unseren Straßen – grauenvolle Autofahrer aber sehr wohl.