Staubsaugen auf der Autobahn

3 Min
Text
Foto: –
Eichenprozessionsspinner
Einst gefährdet, heute selbst eine Gefahr: der Eichenprozessionsspinner.
Eichenprozessionsspinner
Z1022/_Patrick Pleul (dpa-Zentralbild)
Ausgerüstet wie die „Ghostbusters“ gegen die Raupen.
Foto: Privat
Wacklige Angelegenheit: Vor dem Entfernen müssen die Nester des Eichenprozessionsspinners eingesprüht werden – sonst geraten die giftigen Härchen in die Luft.
Fotos: Robert Wagner
Text
Foto: –
Text
Foto: –

Der Eichenprozessionsspinner ist auf dem Vormarsch. Bekämpft wird er per Hand.

Im letzten Moment reißt der Lkw-Fahrer sein Steuer herum. Reifen quietschen, es riecht nach verschmortem Gummi. Eine kurze Unaufmerksamkeit – und fast wäre der 40-Tonner in den am Standstreifen stehenden Transporter gekracht. Was dann passiert wäre, man will es sich nicht vorstellen.

Es ist eine gefährliche Beschäftigung, der die Angestellten der Firma Packroff aus dem brandenburgischen Elsterwerda derzeit nachgehen. Mit einem Gerätewagen fahren sie die A 3 ab, halten immer wieder am Straßenrand. Der Verkehr rauscht vorbei, man versteht kaum sein eigenes Wort. Doch nicht nur die Autos stellen ein Risiko auf der Strecke zwischen Nürnberg und Würzburg dar.

Gefahr für Menschen

Im Auftrag der Autobahndirektion Nordbayern sammeln die Männer die Nester der Eichenprozessionsspinner von den Eichen am Straßenrand. Wegen der giftigen Brennhärchen der Falter sind sie eine andauernde Gefahr für die Menschen. Die vier jungen Arbeiter aus Polen nähern sich den Nestern deshalb nur in Schutzanzügen und mit Mundschutz.

Bei Kontakt mit der Haut können schwere Reizungen auftreten, durch das Einatmen der Härchen können Husten und Asthma entstehen. Die vier Männer berichten von leichten Hautreizungen – trotz Schutzkleidung. Die Haare bleiben an den weißen Anzügen hängen und können sich später verteilen.

Marcus Neuberger kontrolliert die Arbeiten. Der Garten- und Landschaftsbautechniker arbeitet für die Autobahndirektion Nordbayern in der Würzburger Dienststelle. Seit Jahren hat er mit dem Eichenprozessionsspinner zu tun. „Durch das wärmere Klima breitet er sich immer weiter aus. Vor wenigen Jahrzehnten war der Schmetterling noch selten.“

Falter liebt die Wärme

Davon ist man heute weit entfernt. Der Falter bevorzugt heiße und trockene Gebiete. Darum ist die Fränkische Trockenplatte in Unterfranken besonders gefährdet. Und deshalb schätzt der Falter auch die Nähe der Autobahn: Die heißen Abgase, der abstrahlende Teer – Autobahnen erzeugen viel Wärme. Außerdem ist es gerade an den Autobahnböschungen oft besonders trocken.

Seit Jahren werden deshalb regelmäßig die Rastplätze abgelesen. Die Autobahndirektion beauftragt dazu Firmen wie die Packroff GmbH, die dann die einzelnen Gebiete absuchen und die Nester vernichten. Eine Sisyphus-Aufgabe. Denn ganz verschwinden wird der Eichenprozessionsspinner nicht.

Früher habe man Chemikalien eingesetzt, um die Schädlinge zu bekämpfen, erzählt Neuberger. Seit ein paar Jahren ist das kaum mehr möglich: Man brauche heute ein artenbiologisches Gutachten. „Wir müssen sicherstellen, dass bedrohten Tierarten durch den Einsatz nichts passiert“, erklärt Mandy Miklosa, Sachbereichsleiterin Landschaftsplanung der Autobahndirektion in Würzburg. Der zeitliche und finanzielle Aufwand dafür sei enorm: Rund 800 Autobahnkilometer fallen allein in den Zuständigkeitsbereich der Würzburger Dienststelle. „Das ist kaum zu schultern“, sagt Marcus Neuberger. So bleibt nur das Einsammeln.

Die Arbeiter suchen dafür zunächst die Bäume ab. Finden sie ein Nest, wird es mit einer Flüssigkeit bespritzt. Sie soll die Härchen binden. Dann reißt einer der Männer das Nest ab. Mit einer Art überdimensioniertem Staubsauger sammelt es ein anderer ein. Bis zu einer Höhe von sieben Metern klettern die Arbeiter dafür mit einer Handleiter. Um die Spinner oberhalb der sieben Meter zu erreichen, bräuchte es zusätzliche Gerätschaften. Doch die seien bei den eng stehenden Bäumen nicht einsetzbar.

In erster Linie gehe es darum, eine weitere Vermehrung und Ausbreitung der Falter zu verhindern, erklärt Mandy Miklosa. Eine kleine Population könne eine Eiche zwar nicht schädigen. Ein über Jahre bestehende Plage mache die Bäume jedoch anfällig für andere Schädlinge. Und die Gefahr durch die Brennhaare nehme weiter zu. „Die Härchen bleiben über mehrere Jahre aktiv“, erklärt Miklosa. So könne sich mit der Zeit eine gefährliche Konzentration bilden.

Kinder besonders gefährdet

Ein Risiko besteht für Autofahrer nur, wenn sie an Rastplätzen halten. Und auch das nur, wenn die giftigen Insekten dort vermehrt vorkommen. „Besonders gefährdet sind Kinder, da muss man schon aufpassen“, sagt Neuberger. Sollte es Fälle geben, wird der Platz gesperrt – bis die Tierchen entfernt wurden.

Dass jetzt auch am Autobahnrand gesammelt wird, hat derweil einen anderen Hintergrund: Die größte Gefahr stellen Eichenprozessionsspinner nämlich für Straßenarbeiter und Landschaftspfleger dar. Beim Mähen werden die feinen Härchen in die Luft gewirbelt. Mitarbeiter der Autobahnmeistereien hatten in früheren Jahren über Beschwerden geklagt. Auch bei Baumfällarbeiten geraten die Härchen in die Luft.

Solche Arbeiten gehören jedoch in naher Zukunft zum Alltag an der A3. Im Zuge des sechsspurigen Ausbaus müssen die Fahrbahnen verbreitert werden. Bäume müssen weichen, viel Erde wird bewegt. Schon dieses Jahr werden die Eichenprozessionsspinner möglichst umfassend entfernt – das vereinfacht die zukünftige Arbeit.

Eichen und andere Bäume werden an der ausgebauten Autobahn nicht mehr angepflanzt, erklärt Marcus Neubert. „Früher hat man das gemacht, um die Autobahn in das Umland einzugliedern.“ Heute würde man das so nicht mehr tun: Bei Unfällen entstehen durch Bäume ein zusätzliches Risiko für die Menschen. Einen netten Nebeneffekt wird die neue Politik derweil auch haben: Zumindest direkt an der Straße wird sich der Eichenprozessionsspinner dann auf dem Rückzug befinden.