Zeitarbeit: Sprungbrett oder Sackgasse?

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Bernhard Butz mit seinen Angestellten. Personaldienstleister würden oft zu Unrecht kritisiert, meint der Geschäftsführer.
Foto: Robert Wagner

Zeitarbeitsfirmen verleihen Arbeitskraft - Einblick in eine oft gescholtene Branche.

Für viele Menschen ist es ein Reizthema: Zeitarbeit, Leiharbeit, Arbeitnehmerüberlassung. „Das ist sicher kein Geschäftsmodell, das unseren großen Applaus findet“, sagt beispielsweise Norbert Zirnsak vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) in Würzburg. „Die Leiharbeit war und ist Motor der Niedriglohnbeschäftigung in Deutschland“, meint auch die Linken-Bundestagsabgeordnete Sabine Zimmermann gegenüber der Deutschen Presseagentur.

Für den Hauptgeschäftsführer des Bundesarbeitgeberverbandes der Personaldienstleister (BAP), Thomas Hetz, ist Zeitarbeit hingegen „unerlässlicher Baustein im deutschen Arbeitsmarkt“, der der Wirtschaft die notwendige Flexibilität ermögliche. Der BAP und der DGB verhandeln gerade über einen Tarifvertrag für Zeitarbeiter. Er soll Mindeststandards in der Branche neu festlegen.

„Im Moment ist Zeitarbeit politisch nicht so gefragt.“
Bernhard Butz Personaldienstleister

Einer, um den es in diesen Gesprächen geht, ist Bernhard Butz. Der gelernte Energieanlagenelektroniker und diplomierte Wirtschaftsingenieur hat sich 2002 in Würzburg als Personaldienstleister selbstständig gemacht. Seine externen Mitarbeiter sind heute in Betrieben im Großraum Würzburg, also auch in und um Kitzingen, im Einsatz. „In den 1980er habe ich selbst mehrere Jahre in der Zeitarbeit gearbeitet. Als Einsteiger fiel es mir damals schwer, in meinem Beruf Arbeit zu finden.

Für mich war die Zeitarbeit eine gute Chance und eine hervorragende Erfahrung“, erzählt der Geschäftsführer von „Butz Personal“.

Diese Chancen für Bewerber würden in der öffentlichen Diskussion zu wenig beachtet. Es fehle auch auch ein gewisser Respekt gegenüber den Personaldienstleistern. „Wie viel Arbeit bei uns dahinter steht, was meine Angestellte leisten, das wird nicht beachtet. Das ist ein Knochenjob“, betont Butz. Die öffentliche Kritik sei deshalb übertrieben. „Wenn beispielsweise über moderne Sklavenarbeit gesprochen wird, ist das natürlich Quatsch.“

Viele Menschen würden sich das Geschäft einer Zeitarbeitsfirma zu einfach vorstellen. „Die Wenigsten machen sich überhaupt Gedanken, wie komplex die ganze Materie Zeitarbeit überhaupt ist.

“ Unzählige arbeitsrechtliche Bestimmungen müssen beachtet, Lohn- und Urlaubsansprüche berechnet werden – viele Regelungen unterscheiden sich dabei je nach Branche und Firma des Auftraggebers.

Außerdem müssen die Personalmanager die Qualifikation der potenziellen Mitarbeiter abschätzen. Der Kontakt zu den Bewerbern sei nicht immer einfach. „Viele Bewerber kommen schon mit einem negativen Bild von der Zeitarbeit zu uns“, erzählt Butz. „Da müssen wir viel Aufklärungsarbeit leisten.“ Am Ende seien viele Menschen dann überrascht, wie schnell sie eine Arbeitsstelle bekommen – und das trotz einiger Hindernisse wie fehlender Berufserfahrung oder schlechter Sprachkenntnisse.

Gleichzeitig haben die Personalmanager mit den Arbeitgebern Kontakt. Auch diese erzeugen Druck, sie wollen einen geeigneten Mitarbeiter – und das möglichst schnell.

Bei der Zeitarbeit handelt es sich um eine rechtliche Dreiecksbeziehung: Statt einem gibt es bei der Zeitarbeit zwei Verträge: Einen zwischen Personaldienstleister und Zeitarbeiter, einen zwischen Dienstleister und Betrieb. „In dieser Konstruktion ist der Zeitarbeiter sicher das schwächste Glied“, bestätigt Butz. Um ihn zu schützen, wurde das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz geschaffen. Unter Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles werden die komplexen Auflagen zum 1. Januar 2017 nochmals verändert. Eine Gleichbehandlung von Zeitarbeitern und ihren regulären Kollegen soll garantiert werden. Die Opposition um Linke und Grüne kritisiert das Gesetz als Mogelpackung und Verhöhnung der Betroffenen.

Der Reglementierung der Zeitarbeit steht Butz nicht grundsätzlich negativ gegenüber. Sie dürfe jedoch nicht so kompliziert sein. Das mache nicht nur seine Arbeit schwerer und zeitaufwendiger. Auch die Überprüfung durch die Behörden werde dadurch erschwert – und könnte so dem Missbrauch erst Tür und Tor öffnen. Denn dass es bei den Personaldienstleistern, wie überall, schwarze Schafe gibt, weiß auch Butz.

Die Zahl der Leiharbeiter hat deutschlandweit einen neuen Höchststand erreicht. Knapp eine Million Menschen waren 2015 als Zeitarbeiter beschäftigt. Das entspricht etwa 2,2 Prozent aller Arbeitnehmer. Im Raum Würzburg, Main-Spessart und Kitzingen liegt der Anteil mit 1,6 Prozent darunter. „Dieser Anteil schwankt seit Jahren um die zwei Prozent“, erläutert Wolfgang Albert von der Bundesagentur für Arbeit (BA) in Würzburg.

Gleichzeitig werden aber im Moment knapp 30 Prozent aller Jobs über Zeitarbeitsfirmen angeboten. Wird die Leiharbeit also tatsächlich „zur zentralen Beschäftigungsform“, wie es Linkenfraktionsvize Klaus Ernst ausdrückte? Albert versucht zu relativieren: Eine Firma, die einen Mitarbeiter sucht, spreche nicht nur einen Personaldienstleister an. Außerdem würden auch die Zeitarbeitsfirmen direkt bei den Arbeitgebern anfragen. So komme es, dass ein und dieselbe Stelle teils mehrmals ausgeschrieben werde.

Arbeitnehmerüberlassung sei eine wichtige Aufgabe, meint Bernhard Butz. „Zeitarbeit ermöglicht den Firmen Flexibilität“, sagt der Geschäftsführer. Denn da deutsche Arbeitgeber ihre Mitarbeiter aufgrund des Kündigungsschutzes, anders als beispielsweise in den USA, nicht so leicht wieder entlassen können, müssen sie durch externe Dienstleister Auftragsschwankungen ausgleichen. Besonders, wenn der wirtschaftliche Aufschwung abflacht. „Im Moment ist Zeitarbeit politisch nicht so gefragt“, sagt Butz.

Doch wenn die Arbeitslosigkeit wieder steigt, werde sich das ändern, ist er sicher. Und dann lasse auch die Reglementierung sicher wieder nach.

Wolfgang Albert von der BA sieht das ähnlich: „Die Zeitarbeit kann ein guter Weg aus der Langzeitarbeitslosigkeit sein.“ Er schränkt aber auch ein: „Es sollte aber mehr sein, als ein kurzes Strohfeuer.“ Auch für Bernhard Butz sind die Momente, in denen er Menschen dauerhaft in Lohn und Brot bringt, besonders wertvoll. Er erinnert sich an einen Mann, dessen Firma in Argentinien pleiteging. „Der kam zu mir und sagte: Herr Butz, mir hilft keiner. Kurz darauf habe ich ihm einen Job in Kitzingen vermittelt, dort wurde er auch übernommen – er war überglücklich.“