"Noch so ein Jahr können wir nicht überleben": Schausteller wegen Corona vor dem Ruin

2 Min
Peter Alexander Michel würde gerne, aber darf nicht. Corona bremst den Schausteller aus Neudorf aus.
Foto: Ralf Dieter
2018 war noch was los, am Bleichwasen in Kitzingen. In diesem Jahr gab es keinen Rummel. Ob die Schausteller im kommenden Jahr wieder Geld verdienen werden, steht derzeit in den Sternen. Archiv
Foto: Uebel und Sachs

Unter der Corona-Pandemie leiden viele Branchen. Die Schausteller haben es vielleicht am schwersten. Sie sind auf Feste angewiesen. Und die fallen auf absehbare Zeit aus.

Kein Frühjahrsfest, keine Kirchweih und – so wie es aussieht – auch keine Weihnachtsmärkte. Für die Schausteller ist 2020 ein Jahr zum Vergessen. Die Hoffnung ruht auf 2021. „Dann müssen wir aber unbedingt wieder Geld verdienen können“, sagt Karl Uebel.

Normalerweise würde Uebel, Schausteller aus Schweinfurt, in diesen Wochen schon die Vorbereitungen für die Weihnachtsmärkte in Angriff nehmen.„Fällt alles aus“, sagt er am Telefon. „Wie das ganze Jahr.“ Mit dem Lockdown im März startete ein Jahr, wie es die Schausteller noch nie erlebt haben. Uebel stellte seine Mitarbeiter aus, legte den Betrieb lahm. „Wir haben vom Ersparten gelebt“, sagt er. Vom Staat ist er schwer enttäuscht.

Schausteller in Franken wegen Corona vor dem Ruin: "Fällt alles aus"

Sehr schwer seien die letzten Wochen und Monaten gewesen, bestätigt auch Peter Alexander Michel. Von Neudorf aus hat der Schausteller vor allem kleinere Feste im Raum Kitzingen und Bamberg bestückt. In Bamberg sei er in diesem Sommer mit einem Verkaufsstand gewesen. „Aber es ist kaum jemand gekommen“, erinnert er sich. „Die Leute hatten Angst.“ Auch die Stadt Iphofen habe ihm, außerhalb der Lockdown-Zeiten, einige Termine in ihren Ortsteilen genehmigt. Der Solo-Selbstständige ist dafür dankbar. „Aber meine Verluste liegen trotzdem weit über 50 Prozent“, klagt er.

Normalerweise beginnt das Jahr für die Schausteller an Ostern und endet im Oktober. Im November ist Ruhe und dann starten die – normalerweise – umsatzstarken Weihnachtsmärkte.

Die Regelung der Bundesregierung für Solo-Selbstständige hilft Peter Michel deshalb auch nicht weiter. 75 Prozent der durchschnittlichen Einnahmen eines Novembers verspricht der Staat dieser Berufsgruppe. „Im November verdienen wir so gut wie nichts“, sagt Michel und gesteht: „Das geht mittlerweile schon an die Substanz.“ Er ist nicht der einzige, dem es so geht.

"Noch so ein Jahr können wir nicht überleben"

Alleine sechs Sattelzugmaschinen hat Karl Uebel in seinem Fuhrpark stehen. Kleine Volksfeste wie in Etwashausen kann der Familienbetrieb ganz alleine ausrichten. Seit mehr als 30 Jahren ist Karl Uebel selbstständig. Von den Einnahmen zehrt er in diesem Jahr. „Aber noch so ein Jahr können wir nicht überleben.“ Uebel weiß von kleineren Unternehmen in seiner Branche, die schon Insolvenz anmelden mussten.

Die Zahl von rund 5000 Schaustellern in Deutschland wird nach seinem Dafürhalten schrumpfen. „Aber das ist ja nicht alles“, sagt er. „Da hängt ja ein ganzer Rattenschwanz dahinter.“ Mit anderen Worten: Unter der Krise leiden nicht nur die Schausteller, sondern auch deren Zulieferer und andere Branchen.

Jedes Frühjahr lässt Uebel beispielsweise seinen Fuhrpark in der Werkstatt überholen. Zwischen 10.000 und 15.000 Euro gingen dessen Besitzer heuer durch die Lappen. Wer Makronen oder gebrannte Mandeln herstellt, der hat heuer das Nachsehen. Nicht einmal die spitzen Tüten für die Süßwaren werden benötigt. Bei größeren Volksfesten wie in Schweinfurt oder Würzburg sind rund 100 Schausteller-Familien präsent. „Die gehen alle irgendwo essen, brauchen Heizöl oder Benzin“, erinnert er. Ein Umsatz, der in diesem Jahr in der Region fehlt.

Ansteckungsgefahr bei Volksfesten und Weihnachtsmärkten gering

„Für Corona kann keiner was“, betont Karl Uebel. Wie der Staat bislang mit der Krise umgegangen ist, ist für ihn allerdings unverständlich. Gastwirte und Hotelbesitzer erstellen aufwändige Hygienekonzepte und müssen trotzdem im November schließen. Gleichzeitig werde das Geld seiner Meinung nach zum Fenster hinausgeworfen. „Diese Schulden müssen unsere Enkel irgendwann zurückzahlen“, sagt er.

Besser wäre es gewesen, einzelne Branchen offen zu halten. Dazu zählt Uebel auch seine Gewerbe. Mit strengen Hygienemaßnahmen wäre ein Volksfest auch in diesem Sommer durchführbar gewesen. Und an den Weihnachtsbuden sei die Ansteckungsgefahr ebenfalls gering. „Spielt sich ja alles im Freien ab“, erinnert er. Die Hoffnung der Schausteller ruht nun auf dem Jahr 2021. Aber selbst wenn die Volksfeste und Kirchweihen wieder stattfinden, beschleicht Peter Michel ein mulmiges Gefühl. „Ob die Leute überhaupt noch Geld haben, um auf den Rummel zu gehen?“

Vereinzelt finden in Franken noch Weihnachtsmärkte oder zumindest Alternativen dazu statt: Ein Übersicht finden Sie hier.