Kerstin Stehle kennt das Phänomen: Während einigen großen Firmen immer noch förmlich das Tor zum Betriebsgelände eingerannt wird, haben immer mehr kleine und mittelständische Unternehmen das Problem, dass sich zu wenige Bewerber melden. Und das meist auch noch zu spät. Die Planungen werden so erschwert.
Gleichwohl heißt das nicht, dass sich jeder Jugendliche seine Ausbildungsstätte einfach aussuchen könne, betont Stehle. Obwohl es noch freie Stellen gibt, finden viele Jugendliche keinen Ausbildungsplatz. In Deutschland sind es insgesamt über 20 000.
Anscheinend öffnet sich da eine Schere. Von „Abgehängten“ möchte Stehle jedoch nicht sprechen. Bei der BA gebe es einige Instrumente, um schwächere Bewerber zu unterstützen. So gibt es die „Assistierte Ausbildung“, ein Programm, bei dem leistungsschwächere und sozial benachteiligte Jugendliche vom Zeitpunkt der Bewerbung bis zum Abschluss der Ausbildung begleitet und unterstützt werden.
Andere Angebote richten sich eher an nichtdeutsche Jugendliche, die in den nächsten Jahren verstärkt auf den Ausbildungsmarkt drängen werden und besonders sprachliche Unterstützung brauchen. Die Agentur für Arbeit wünscht sich dafür in einer Presseerklärung „Geduld und einen langen Atem“ – nicht nur bei den Jugendlichen, sondern auch bei Berufsschulen und Arbeitgebern.
Eins zeigt das Gespräch in Volkach auf jeden Fall: Der Ausbildungsmarkt ist in Bewegung. „Von dem Standardmodell der Ausbildung müssen wir uns lösen“, bestätigt Arbeitsvermittler Schmidt. Die Menschen kommen über ganz unterschiedliche Wege und in unterschiedlichem Alter in die Ausbildung. So steige auch die Zahl der Jugendlichen, die eine Ausbildung anfangen, nachdem sie das Abitur in der Tasche haben, erklärt Stehle.
Christian Friedel, Azubi bei EIKONA, ist selbst nicht auf direktem Weg zu seiner Ausbildung gekommen. Zuvor hatte der 21-Jährige bereits bei einem anderen Unternehmen angefangen. „Das hat aber zwischenmenschlich nicht funktioniert“, erklärt er. Dafür sei er jetzt sehr zufrieden.
Der junge Auszubildende weiß aber von einigen Jugendlichen, die sich zu Beginn der Ausbildung schwer tun. Ob da nicht ein Jahr der erzwungenen Orientierung und Selbstfindung, ähnlich dem abgeschafften Zivil- und Wehrdienst, gut täte? „Nein, also ich hätte das nicht gebraucht. Ich wusste genau, was ich machen wollte“, sagt Friedel überzeugt. „Ich finde die Idee gar nicht so schlecht“, meint hingegen Vorstandsvorsitzender Manuel Drescher. „Mir hat die Zeit beim Bund damals gut getan.“
Unabhängig davon, ob ein solcher Schritt tatsächlich eine gute Idee ist: Es muss sich etwas ändern. Denn auch wenn die diesjährigen Zahlen am Ausbildungsmarkt noch keine Panik erzeugen müssen – Sorgen um den Nachwuchs in der dualen Ausbildung sind definitiv gerechtfertigt.
Arbeitsmarktbilanz 2016
Insgesamt wurden 685 Ausbildungsplätze im Landkreis Kitzingen angeboten. 83 Stellen konnten bisher (Ende September) noch nicht besetzt werden. 13 der offenen Stelle waren Ausbildungen als Koch, acht als Hotelfachmann, sechs als Fleischfachverkäufer.
Es gab 807 Bewerber, 474 (59 Prozent) haben eine Ausbildung begonnen, 126 (16 Prozent) Bewerber besuchen weiterhin eine Schule oder haben ein Studium begonnen.
Die Differenz zwischen Stellen- und Bewerberzahlen ist dadurch zu erklären, dass Bewegungen von Jugendlichen aus oder in den Landkreis nicht berücksichtigt werden.
Von den Bewerbern hatten 30 Prozent die Mittelschule abgeschlossen, 44 Prozent die Mittlere Reife und nur acht Prozent die Hochschulreife. 32 Prozent waren Altbewerber (Schule in den Vorjahren abgeschlossen).
Die Top Drei der Ausbildungswünsche im Agenturbezirk Würzburg waren bei den Jungen Kraftfahrzeugmechatroniker, Einzelhandelskaufmann und Industriemechaniker. Bei den Mädchen Bürokauffrau, Medizinische Fachangestellte und Industriekauffrau.