Gemüseanbau: Klein Holland in Franken?

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Gemüseanbau unter Glas
Gemüse wird meist in großen Gewächshausanlagen angebaut. Eine niederländische Firma sucht im Landkreis nach Land dafür.
Gemüseanbau unter Glas
Foto: Patrick Seeger/DPA

Deutsches Gemüse ist gefragt - ausländische Firmen wollen davon profitieren. Im Landkreis Kitzingen versucht ein niederländischer Gemüsebauer ein großes Gewächshaus zu bauen.

Im Supermarkt liegen sie direkt nebeneinander. Hier der Salatkopf aus der Region, dort der Kopfsalat aus Holland. Tomate neben Tomate, Gurke neben Gurke – ihre Herkunft sieht man ihnen nicht an. Und doch spielt sie für viele ein große Rolle.

Für Gemüse aus deutscher Produktion sind viele Kunden bereit, einen Aufpreis zu bezahlen. „Das haben wir uns über Jahre mühsam erarbeitet“, sagt ein Gemüsebauer aus Franken. Er möchte seinen Namen nicht in der Zeitung lesen. Er fürchtet, dass diese Errungenschaft in Zukunft bedroht ist. „Ausländische Anbieter drängen auf den deutschen Markt“, sagt er. In ganz Deutschland seien Gemüsebauern, namentlich aus den Niederlanden, daran interessiert, Anbauflächen zu erwerben. Sie wollten Gemüse regional anbauen und so von höheren Preisen profitieren.

Viel Geld sei dabei im Spiel. Geld, das viele kleinere Unternehmen gar nicht aufbringen könnten. „Die wollen mit viel Kapital einen Großbetrieb aus dem Boden stampfen“, meint der Gemüsebauer. Ein normaler Einsteiger könne sich das gar nicht leisten – die Zukunft kleinerer Familienbetriebe stehe auf dem Spiel. Außerdem hätten solche Großbetriebe oft guten Kontakt zu inländischen Supermarktketten. Kontakte, die kleineren Anbietern fehlten. „Wenn die einmal Fuß gefasst haben, geht das dann ganz schnell.“ Für den fränkischen Gemüsebauer ist die Entwicklung vergleichbar mit den Chinesen, die im großen Stil Fabriken in Afrika aufbauen. Statt „little China“ also „klein Holland“ in Franken?

Martin Bach vom Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF) weiß von einem holländischen Interessenten, der zwar in ganz Bayern, aber eben auch im Landkreis Kitzingen nach Flächen für ein großes Gewächshaus sucht. Die Tendenz sei schon länger absehbar: Gerade in der Grenzregion zu Österreich hätten sich schon ausländische Bauern niedergelassen. „Ich könnte mir vorstellen, dass sich diese Entwicklung verstärkt“, meint Bach. Durch den Strukturwandel hören kleinere Familienbetriebe in Deutschland auf, ausländische Produzenten könnten in die Lücke stoßen. Schließlich könne man so auf den „Regionalzug“ aufspringen.

Bei dem „holländischen Interessenten“ handelt es sich um die Firma „Deliscious“ der Zwillingsbrüder Mark und Roy Delissen. Die Firma bestätigt das Interesse, betont aber, dass „Kitzingen nur eine von mehreren Regionen in Deutschland ist“, in denen man suche. Es sei im Moment noch zu früh, um weitere Auskünfte zu geben. „Erst müssen wir ein geeignetes Stück Land finden und die Unterstützung der Gemeinde bekommen.“

Die Firma Deliscious versteht sich als „Trendsetter“. Sie verkauft „Salat mit Wurzelballen“. So sollen die Salatblätter länger frisch bleiben. Angebaut wird das Gemüse in Rillen, in denen das Wasser aufgefangen und wiederverwendet wird. Man versuche „Kreisläufe zu schließen, Energie und Wasser zu sparen und andere clevere Lösungen für einen nachhaltigen Anbau von Salat zu finden“, heißt es auf der Internetseite von Deliscious.

Das klingt gut, findet Elmar Gimperlein, Gemüsebauer aus Albertshofen und als solcher bis letzten Januar Bezirksvorsitzender. „Ich unterstütze es sehr, dass sich eine solche Firma bei uns niederlässt“, sagt Gimperlein. Er habe selbst seit Jahren enge Kontakte zu holländischen Unternehmen. „Die sind zuverlässig und innovativ.“

Angst vor ausländischer Konkurrenz hat er nicht, im Gegenteil: „Wir brauchen solche Vorzeigebetriebe im Landkreis!“ So verbessere sich das Image der ganzen Region, Zulieferer würden sich ansiedeln, auch überregionalen Kunden wäre der Landkreis dann ein Begriff.

„Ich verstehe die Kritik an solchen Vorhaben nicht“, sagt Gimperlein vehement. „Wenn es jemand stört, dann soll er es doch selber machen!“ Der ehemalige Bezirksvorsitzende bemängelt fehlende Innovationen im Gemüseanbau. „Das Wort Unternehmen kommt eben von etwas unternehmen“, sagt er. Doch wer traue sich, so viel Geld in die Hand zu nehmen und einen innovativen Betrieb aufzubauen?

Tatsächlich ist der Aufbau eines solchen Großbetriebs nicht ohne weiteres möglich. „Das lohnt sich erst ab einer Fläche zwischen fünf und zehn Hektar“, sagt Martin Bach vom AELF. Dabei müsse das Land aber möglichst flach sein und es sollte eine günstige Energiequelle in der Nähe geben – beispielsweise eine Biogasanlage.

Und letztlich müssen auch immer die Eigentümer beziehungsweise die Gemeinde zustimmen. Daran ist bereits ein Versuch im Landkreis gescheitert: Im Großlangheim wurde dem holländischen Interessenten bereits abgesagt. „Für die Flächen gab es bereits andere Pläne“, erklärt Herbert Pfriem, Gemeinderat und selbst Landwirt.

Angst vor größerer Konkurrenz durch ausländische Firmen hat auch Heinz Wenkheimer nicht. Der Albertshöfer Gartenbauer war vor ein paar Jahren mit einer Delegation in den Niederlanden. „Die holländischen Hersteller haben uns gefragt, warum sich deutsches Gemüse besser und teurer verkaufen lässt. “ Für die besseren Absatzmöglichkeiten seien Wenkheimer und Kollegen beneidet worden. Bei einem Gegenbesuch habe es dann ein erstes Interesse gegeben, hier zu produzieren. „Grundsätzlich ist Deutschland für die Holländer sehr reizvoll.“

Trotzdem: Auch die Niederländer müssen sich erst einmal am deutschen Markt beweisen. „Am schwierigsten ist es, den Absatz zu garantieren“, meint Wenkheimer. Die Möglichkeiten seien eben begrenzt. Insofern sei es immer ein unternehmerisches Abwägen: Kann ich meine regionale Ware über zehn, 15 Jahre absetzen? Denn ob der Boom auf regionale Produkte so lange anhält, sei ungewiss. „Ich habe das Gefühl, dass sich der Trend abschwächt und die Leute wieder öfter nur noch auf den Preis schauen“, mein Heinz Wenkheimer.

Der Gemüseanbau könnte dadurch weiter unter Druck geraten – egal ob nun mit oder ohne ausländische Konkurrenz vor Ort. Für beide Albertshöfer ist sowieso klar: Aufhalten ließe sich die Entwicklung sowieso nicht. „Verhindern kann man das nicht. Wenn sie nicht zu uns kommen können, dann gehen sie eben in die Nachbarschaft“, meint Elmar Gimperlein. „Und davon hätten wir dann überhaupt nichts.“

Kommentar: Was heißt hier regional?

Wenn man gehässig wäre, könnte man sagen: Es ist ein schlauer Zug holländischer Bauern, bei uns Land zu kaufen. Schließlich drohen durch den Klimawandel weite Teile ihrer Anbaufläche in der Nordsee zu versinken. Außerdem steckt ja praktisch schon im Namen unseres Nachbarlandes der Befehl zur Landnahme (Hol Land).

Doch das Thema ist für derlei Späße zu ernst – und der Hintergrund ein ganz anderer. Denn dass es sich bei den möglichen Großinvestoren, die sich bei uns im Landkreis niederlassen wollen, um Niederländer handelt, ist eigentlich völlig egal. Genausogut könnten es Franzosen, Sachsen, Franken oder sogar, Gott bewahre, Oberbayern sein. Entscheidend ist: Es sind Großinvestoren.

Es geht also nicht darum, dass sich ein Kleinbetrieb eine Existenz aufbauen will. Es geht darum, dass jemand viel Geld in die Hand nehmen will, um in seinem Betrieb mehr regionales Gemüse zu produzieren, als man regional überhaupt vermarkten kann.

Holländischem Gemüse, insbesondere Tomaten, wird gerne vorgeworfen, dass es als einziges Ding auf der Welt zu mehr als 100 Prozent aus Wasser besteht. Das ist natürlich Unsinn. Nicht das Land, sondern die Anbau- und Produktionsbedingungen sind entscheidend.

Wenn man trotzdem darauf achtet, regionale Gurken, Tomaten und Salate zu kaufen, so hat das meist andere Gründe: Beispielsweise möchte man vermeiden, dass das Gemüse erst einmal durch halb Europa kutschiert werden muss – und dabei Unmengen an CO2 frei werden.

Oft haben Kunden jedoch auch das Bild des fränkischen Familienunternehmens vor Augen, wenn sie Gemüse von hier kaufen. Regional – das klingt nach dem Opa, der sorgsam Schnecken per Hand aus dem Beet im Garten abliest.
Das ist natürlich auch hier schon lange nicht mehr so. Der Strukturwandel ist in vollem Gange. Viele kleinere Betriebe hören auf. Wer weitermachen will, muss wachsen. Friss oder stirb. Ein Phänomen, das die ganze Landwirtschaft im Griff hält. Und in diesem Zusammenhang muss man auch das Interesse holländischer Unternehmen an einer Produktion hier bei uns im Landkreis sehen.

Die Frage ist, wollen wir das? Wollen wir, dass unsere Nahrung in ein paar Jahren nur noch von einer Hand voll Anbietern produziert wird? Oder wollen wir eine Struktur erhalten, in der viele kleinere Familienunternehmen von ihrer Landwirtschaft leben können? Abstimmen können wir Kunden mit unseren Geldbeuteln.