Das Marktbreiter InHotel wurde offiziell eingeweiht. Dort arbeiten behinderte und nicht-behinderte Menschen zusammen.
Gerade hat sie die Ausbildung zur Hauswirtschafterin abgeschlossen, hat ihre erste Arbeitsstelle angetreten. Da kam plötzlich der schwere Unfall. Mit 19 änderte sich das Leben von Alexandra Muhtig komplett. Sie brach sich den fünften und siebten Halswirbel. Das ist lange her. Seitdem hat sie mit Schmerzen zu kämpfen. Das strengt an. „Ich bin schnell ausgepowert.“ Auch ihr Gedächtnis hat gelitten. „Alles, was ich früher gelernt habe, das kann ich“, erzählt Muhtig und lächelt. „Aber die ganzen neuen Geräte, das bekomme ich einfach nicht in den Kopf, das geht nicht.“ Seit sie 19 ist, gilt Alexandra Muhtig als schwerbehindert.
„Mit so einer Diagnose ist es schwer, einen Arbeitsplatz zu bekommen.“
Joachim Beck, über Alexandra Muhtig
Als ihre Söhne viele Jahre später ihr Studium begannen, versuchte die Hauswirtschafterin wieder Fuß auf dem Arbeitsmarkt zu fassen. „Mit so einer Diagnose ist es schwer, einen Arbeitsplatz zu bekommen“, sagt Joachim Beck. Verständnis hat der Leiter des „InHotel Mainfranken“ dafür nur bedingt. „Sie kann ja trotzdem was.“ Seit Anfang 2015 arbeitet Alexandra Muhtig deshalb als Hauswirtschafterin im Marktbreiter Hotel.
Obwohl der Betrieb schon über ein Jahr läuft, wurde das Hotel erst am vergangenen Montag von Bürgermeister Erich Hegwein und Gästen von der AWO offiziell eingeweiht. Erst jetzt wurde die ehemalige AWO-Akademie als „integrativer Hotelbetrieb“ anerkannt. Von den 21 Mitarbeitern haben acht eine körperliche oder geistige Beeinträchtigung. Im Herbst kommen noch einmal zwei dazu: Sie sollen hier ihre Ausbildung zur Hauswirtschafterin beziehungsweise zur Bürokauffrau machen können.
Die Idee zum InHotel wurde aus der Not geboren. Im Jahr 2001 hatte die Arbeiterwohlfahrt das ehemalige Internat in Marktbreit gekauft und ihre Bildungsakademie für Unterfranken dort aufgebaut. „Bildung funktioniert heute aber anders als früher“, erklärt Joachim Beck. Die Nachfrage nach externen Weiterbildungsangeboten sinkt seit Jahren. Buchungen gingen zurück, die Akademie ließ sich kaum noch finanzieren. Immerhin müssen rund 3500 Quadratmeter erhalten und beheizt werden. Hinzu kommen Personalkosten. „Es wurde immer schlimmer.“
Es gab verschiedene Lösungsansätze. Ein Verkauf scheiterte, andere Träger mit ins Boot zu holen ebenso. Auch für das „Inklusions-Hotel“ sah es lange schlecht aus. Die ersten zwei Machbarkeitsstudien fielen negativ aus. „Das verstehe ich bis heute nicht – besonders weil es heute so eine Erfolgsgeschichte ist“, sagt Beck kopfschüttelnd. Im letzten Monat waren die 72 Betten zu 70 Prozent ausgelastet – ohne dass bisher überhaupt für das Hotel geworben wurde. Ein sehr guter Wert, wie Beck versichert.
„Bei uns ist alles etwas entschleunigt.“
Joachim Beck Hotelleiter
Grund für den Erfolg sei die Unternehmensphilosophie. „Bei uns ist alles etwas entschleunigt“, erklärt Beck. Die Gäste könnten hier ihre Ruhe haben, niemand dränge sich ihnen auf. Das Essen werde von Alexandra Muhtig und ihren Kolleginnen frisch zubereitet. Auf einen Koch verzichtet das InHotel bewusst. „Bei uns wird alles per Hand gemacht. Da merken sie sogar, welcher Mitarbeiter gekocht hat.“ Außerdem sind alle Zutaten Bio und aus der Umgebung – so weit dies eben möglich ist. „Unsere Gäste wissen das zu schätzen“. Und dazu sei man auch noch sehr billig.
Wie das geht? Im Gegensatz zu einem normalen Hotelbetrieb habe man eben etwas andere Ziele. Kundenzufriedenheit, Arbeitsplatzsicherheit. „Das Geldverdienen steht nicht im Vordergrund.“ Obwohl: Kostentragend soll es schon irgendwann sein. Und: „Irgendwann würden wir uns schon auch mal gern Handwerker leisten können“, sagt Beck und deutet auf seine Arbeitshose: Der Hotelier, der sonst meist im Anzug unterwegs ist, musste an diesem Tag wieder einmal selbst Hand an- und einen Teppich verlegen. „Bisher haben wir fast alles im Haus selbst gemacht.“