Streuobstwiesen sind ein wichtiger Teil unserer Kulturlandschaft, bieten vielen Tieren ein Zuhause und liefern gesundes, leckeres Obst. Doch sie sind in Gefahr.
Purpurroter Cousinot, Gräfin von Paris, Lohrer Rambour und Mollebusch – das hört sich fremd an. Ist es aber nicht. Diese und viele weitere alte Apfel- und Birnensorten wachsen auf den Streuobstwiesen im Landkreis Kitzingen. Um sie zu erhalten, braucht es die Hilfe der Bevölkerung.
Etwa 30 Frauen und Männer stehen am Ortsrand von Markt Herrnsheim inmitten von Bäumen. Sie sind der Einladung des Landkreises zum Streuobst- und Sortentag gefolgt und hören den Ausführungen von Steffen Kahl aufmerksam zu. Er ist Pomologe, befasst sich also mit Obstsorten und dabei besonders mit dem Streuobst. Gemeinsam mit Jonas Braun vom Landschaftspflegeverband kartiert er derzeit die Streuobstbestände im Landkreis Kitzingen. Die Sorten werden bestimmt, Altersstruktur und Vitalität der Bäume, Unterwuchs und Pflegezustand vermerkt. Die Bürger sind zur Mithilfe aufgerufen: Sie sollen Jonas Braun melden, wie viele und welche Bäume auf ihren Grundstücken stehen.
Bäume prägen die Landschaft
Die blühenden Bäume prägen im Frühjahr das Landschaftsbild – die Streuobstbestände im südlichen Landkreis, der Erwerbsanbau an der Mainschleife. Es gibt 13 Schwerpunktgebiete, in denen der Bestand erfasst wird. Ziel ist es, Nutzungsmodelle für die Zukunft zu erarbeiten. Denn wenn sich nichts tut, sind die Bestände in Gefahr. Viele Bäume wurden bereits gerodet, andere werden, weil die Besitzer zu alt geworden sind, nicht mehr gepflegt und das Obst wird nicht mehr genutzt.
„Wir wollen die Leute motivieren, wieder Streuobstbäume zu pflanzen und die Früchte zu verwerten“, sagt Jonas Braun. Das Problem dabei ist allerdings, dass es mit der Pflanzung neuer Bäume alleine nicht getan ist. Die Jungpflanzen müssen in den ersten Jahren auch gegossen und später gepflegt werden. Ein Aufwand, den manch einer scheut.
Ein Blick in die Geschichte des Streuobstbaus zeigt, dass sich im Landkreis schon viel verändert hat. „Ursprünglich war der Landkreis Kitzingen ein Obstlandkreis“, sagt Andrea Bätz, die Geschäftsführerin des Fränkischen Klein- und Obstbrennerverbandes. 19.000 Zwetschgenbäume standen einst allein auf der Gemarkung Kleinlangheim, von dort wurden Dörrpflaumen nach England und sogar bis nach Amerika verschifft. Noch heute erinnert der Baum im Gemeindewappen daran, dass der Ort einst quasi ein Monopol im Zwetschgenanbau und -handel besaß. Ein anderer Schwerpunkt lag in Marktsteft, so Jonas Braun: Um das Jahr 1900 standen dort noch 78.000 Obstbäume.
Heute gibt es in den repräsentativen Schwerpunktgebieten, die für das bis 2021 laufende Projekt „Streuobstkartierung im Landkreis Kitzingen“ ausgesucht wurden, nur noch wenige tausend Bäume. 1728 hat Steffen Kahl bisher kartiert. Es sei wichtig, die Sorten und den Pflegezustand der Bäume zu erfassen, sagt er. Denn wenn sich niemand um die Bäume kümmert, werden die alten Sorten verschwinden. Und mit ihnen ein Stück Kulturlandschaft und Vielfalt.
Mehrere tausend Sorten
Rund um Herrnsheim ist diese Vielfalt noch gegeben. An den teils über 100 Jahre alten Bäumen wachsen ganz verschiedene Sorten. Steffen Kahl geht von Baum zu Baum, pflückt ein Stück Obst, erklärt die Besonderheiten beispielsweise von Jakob Lebel, Raafs Liebling und dem Purpurroten Cousinot bei den Äpfeln, von Hänser, der Köstlichen aus Charneux und der Nordhäuser Winterforelle bei den Birnen.