Die Angst reist mit

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Bundespolizei am Münchner Flughafen
Zum Ferienstart verstärkt die Polizei die Sicherheitsvorkehrungen am Flughafen München. Nach den Anschlägen der letzten Wochen haben viele Reisende Angst.
Bundespolizei am Münchner Flughafen
Foto: Matthias Balk/dpa
Bundespolizei am Münchner Flughafen
Zum Ferienstart verstärkt die Polizei die Sicherheitsvorkehrungen am Flughafen München. Nach den Anschlägen der letzten Wochen, haben viele Reisende Angst.
Bundespolizei am Münchner Flughafen
Foto: Matthias Balk/DPA
Sandra Koos vom Reiseland Reisebüro in Kitzingen berät eine Kundin. Im Moment fragen sich viele Menschen: Wie sicher ist ein Urlaub in der Türkei?
Foto: Robert Wagner

Zum Ferienstart sind Urlauber verunsichert. Reisevermittler blicken auf schwieriges Jahr.

Heute starten in Bayern die Sommerferien – traditionell die beliebteste Reisezeit. Doch viele Menschen fragen sich: Wohin kann man überhaupt noch fahren? Gerade rund ums Mittelmeer ist die Lage politisch angespannt. Die meisten Urlauber verzichten zwar nicht auf ihre Reise – doch sie suchen nach alternativen Reisezielen.

Nach dem Anschlag auf den Istanbuler Flughafen am 29. Juni und dem gescheiterten Putschversuch am 15. Juli sind besonders Türkeireisende besorgt. „Die Verunsicherung ist natürlich da“, sagt Sebastian Rhoden vom TUI-Reisecenter in Kitzingen. Nina Wittmann, Leiterin des Reiseland Reisebüros am Kitzinger Marktplatz, teilt diesen Eindruck: „Viele Kunden rufen bei uns an, kommen vorbei und lassen sich hier beraten.“ Laut türkischen Medien seien im Juni über 50 Prozent weniger Gäste in die Urlaubsregion Antalya gereist.

„Kein Reiseveranstalter spielt mit dem Leben eines Menschen “
Sebastian Rhoden TUI-Kitzingen

Doch was soll man den Menschen raten? „Ich werde häufig nach meiner persönlichen Meinung gefragt“, erzählt Nils Haupt vom Volkacher Reisebüro. „Ich erzähle dann, dass ich selbst noch vor kurzem in der Türkei war – alles gut.

“ Diese Erfahrung teilt Haupt mit vielen Urlaubern vor Ort. Nach dem gescheiterten Putsch bot TUI laut Rhoden seinen rund 18 000 Gästen vor Ort eine Stornierung an. Nur knapp 30 hätten das Angebot angenommen. „Man sieht daran, wie wohl sich die Gäste fühlen.“

Auch das Auswärtige Amt teilt diese Ansicht. Landesweit sei zwar weiter mit politischen Spannungen sowie gewaltsamen Auseinandersetzungen und terroristischen Anschlägen zu rechnen. Gleichwohl steht auf der Internetseite des Amtes zu lesen: „Aus anderen Teilen des Landes, insbesondere von der Mittelmeerküste, wurden keine besonderen Ereignisse gemeldet.“ Diese Einschätzung hat Folgen für alle Türkei-Reisenden: Eine offizielle Reisewarnung hat das Bundesministerium nur für die syrischen und irakischen Grenzgebiete ausgesprochen. Nur im Falle einer solchen Warnung haben Urlauber einen Anspruch auf Stornierung oder kostenlose Umbuchung ihrer Reise. So sind sie auf die Kulanz der Veranstalter angewiesen. Diese sei jedoch meist gegeben, bestätigen Rhoden, Haupt und Wittmann.

Die drei Reisevermittler stehen, wie ihre zahlreichen Kollegen, vor einem Dilemma. Einerseits gehe es darum, die Sorgen und Ängste der Kunden ernst zu nehmen. Auf der anderen Seite geht es auch darum, nicht noch weiter Angst zu schüren.

Die Kunden hätten sich bewusst für eine organisierte Reise entschieden, erklärte TUI-Vorstand Sebastian Ebel nach dem Putschversuch. Sie wollen und müssen sich auf ihren Veranstalter auch bei unvorhersehbaren Ereignissen verlassen können. „Kein Reiseveranstalter spielt mit dem Leben eines Menschen“, versichert Sebastian Rhoden. Alle Reisebüros informieren sich deshalb über Entwicklungen in den Reisezielen – oft mehrmals täglich.

Letztlich könne ein Anschlag überall stattfinden, sagt Nina Wittmann. Doch im Vergleich mit anderen Risiken, beispielsweise einem Verkehrsunfall, ist die Gefahr, bei einem Terroranschlag zu sterben, immer noch sehr gering. Für die Reisebüros geht es deshalb darum, ernsthaft und sensibel mit dem Thema Terrorismus umzugehen.

Für die Reisebranche war das Jahr 2016 bisher schwierig. Nicht, weil weniger gereist wird. Jedoch verschieben sich die Präferenzen. Der Tourismus in Tunesien und Ägypten ist praktisch zusammengebrochen. „In der Türkei hatte sich die Situation gerade wieder ein bisschen gebessert“, erzählt Nina Wittmann. Dann kam der Anschlag von Istanbul und der Putschversuch.

Interessanterweise scheinen sich die Anschläge in Frankreich weniger auf die Reiselust der Deutschen auszuwirken. „Wir hatten bisher nur eine Stornierung einer Frankreichreise“, sagt Nils Haupt vom Volkacher Reisebüro.

Länder wie Spanien, Griechenland, Kroatien und Italien profitieren von der politischen Situation. „Italien wird dieses Jahr wohl so voll wie noch nie“, sagt Rhoden. Und auch in Spanien befürchtet der Filialleiter Überbuchungen. Dass führt zu weiteren Problemen: Für Urlauber, die ihre Türkeireise umbuchen wollen, müsse erst einmal eine geeignete Alternative gefunden werden. In den anderen Mittelmeeranrainern werden die Betten jedoch knapp. Es zeigt sich ein strukturelles Problem: Hotelkapazitäten aufzubauen, dauert Monate. Doch lohnt sich das, wenn sich das Reiseverhalten der Gäste bald wieder ändern könnte? Was passiert, wenn es beispielsweise in Spanien einen Anschlag geben sollte?

So werden neben den klassischen Urlaubsregionen am Mittelmeer verstärkt andere Gebiete nachgefragt. Laut Nina Wittmann gebe es wieder mehr Autoreisende. Fernreisen und Kreuzfahrten werden beliebter. Auch Ziele im Norden Europas werden interessanter. Jedoch: „Jemand der für 600 Euro eine Woche in die Türkei fliegen wollte, wird nicht stattdessen ein paar tausend Euro für eine Reise nach Mittelamerika oder Asien zahlen“, sagt Haupt. Nicht jede Reise ist deshalb eine Alternative für potenzielle Kunden.

„Italien wird dieses Jahr wohl so voll wie noch nie.“
Sebastian Rhoden

In der Mittelmeerregion kämpft die Tourismusbranche derweil um ihre Gäste. Frankreich hat nach dem Anschlag von Nizza bekannt gegeben, dass große Koffer und Taschen in Zukunft am Strand tabu sind. Polizisten sollen nun mit Waffe vor Ort patrouillieren. Doch man muss gar nicht so weit weg blicken: Auch in Bayern, am Nürnberger und Münchner Flughafen, wird zur Urlaubszeit die Polizeipräsenz erhöht.

Die Beamten tragen verstärkt Schutzwesten und Maschinenpistolen. So soll die Sicherheit gewährleistet werden.

Die allgemeine Verunsicherung hat zumindest ein Gutes – wenn man es überhaupt so sehen kann: „In Ländern wie Tunesien und Ägypten gibt es im Moment sehr guten Service zu sehr niedrigen Preisen“, erzählt Rhoden. Das selbe könnte auch bald für die Türkei gelten. Vorausgesetzt natürlich, es bleibt ruhig – und die Angst reist nicht mehr mit.