Der Nikolaus ist für alle da

3 Min
Große Beute: Für alle braven Kinder gibts Geschenke. Da ist der Sack natürlich schwer.
Foto: Robert Wagner
Geschichte: Der Nikolaus erklärt natürlich auch, warum er heute als Heiliger gilt.
Foto: Robert Wagner
Ständchen: Bevor der Nikolaus die Geschenke rausrückt, will er noch ein Liedchen hören.
Foto: Robert Wagner
Alle gemeinsam: Die Kinder scharen sich um den Nikolaus. Einige von ihnen sehen ihn zum ersten mal.
Foto: Robert Wagner
Keine Berührungsängste: Ritay sieht zum ersten mal den Nikolaus – und ist gleich begeistert.
Foto: Robert Wagner
Wer will? Den Hirtenstab zu halten, ist an diesem Tag die größte Ehre.
Foto: Robert Wagner

Integration ist eine große Aufgabe. Sieht man Kindern zu, wirkt sie plötzlich sehr leicht.

Im evangelischen Kindergarten in der Schreibergasse werden vier Flüchtlingskinder betreut. „Wir freuen uns, dass sie hier sind“, erklärt Heike Jutzi, Leiterin des Kindergartens. „Alles ist besser, als wenn die Kinder den ganzen Tag in der Gemeinschaftsunterkunft sind.“ Vom ersten Tag an hätten sich die Kinder hier wohl gefühlt. „Sie lachen schon früh, wenn sie zu uns kommen“, erzählt Jutzi.

Dabei ist das keine Selbstverständlichkeit. Schließlich haben viele Flüchtlingskinder in ihrer Heimat schreckliche Dinge erlebt, waren lange Zeit auf der Flucht. Bei einem Symposium in Schweinfurt hat die Kindergartenleiterin von schlimmen Schicksalen gehört. „Das schleppt man dann schon ein paar Tage mit sich herum“, erzählt sie. Gelernt hat sie dabei, wie man mit traumatisierten Kindern umgeht: „Man soll versuchen, die Vergangenheit ruhen zu lassen. Wir wollen den Kindern das Gefühl geben, dass wir ihnen zuhören – gleichzeitig aber nicht nachbohren, wenn sie nichts erzählen wollen.“

Normaler Alltag

Bei den Kindern im Kindergarten Schreibergasse hat es bisher keine Auffälligkeiten gegeben. Nur am ersten Tag des ältesten Flüchtlingskindes gab es eine kritische Situation, erzählt Jutzi: „An dem Tag gab es bei uns einen Feueralarm. Das war für das Kind im ersten Moment schon schlimm. Gott sei Dank war noch ein Dolmetscher dabei, der den Jungen gleich beruhigen konnte.“

Generell sind die Flüchtlingskinder schnell und gut integriert. Aber wie macht man den anderen Kindern klar, warum die neuen Spielkameraden hierher kommen? „Wir versuchen das kindgerecht zu erklären: Dass es in ihren Heimatländern böse Menschen gibt und sie deshalb zu uns kommen. Und natürlich auch, dass wir ihnen deshalb helfen müssen.“ Wichtig sei aber auch, dass man auch die Flüchtlingskinder nicht bevorteilt: „Wir wollen sie nicht dauerhaft anders behandeln. Außerdem gibt es auch hier Kinder, die aus armen oder schwierigen Verhältnissen kommen.“

Ein normaler Alltag sei der beste Weg, meint Jutzi. Auch zum Erlernen der Sprache: „Wir begleiten die Kinder bei jedem Handgriff und sagen ihnen, was wir machen. Das ist besser als jeder Deutschkurs.“ Schon nach kurzer Zeit können sie sich meist gut verständigen. „Ich erinnere mich an ein Kind, das hat lange Zeit gar nicht gesprochen. Dann habe ich einmal in einer Gruppe gefragt, wer ein Spielzeug auf den Schrank gelegt hat. Dann antwortet es plötzlich im tiefsten Fränkisch: 'Däs wäs i ned'“, erzählt Jutzi lachend.

Mit Sprachschulung hat man im Kindergarten jahrelange Erfahrung. Mittlerweile haben rund die Hälfte aller Kinder in der Schreibergasse Migrationshintergrund – 2001 waren es noch rund 20 Prozent. „Bei den Kindern ist das eigentlich nie ein Problem.“ Wichtig sei bei so jungen Kinder, dass sie zunächst ihre eigene Muttersprache beherrschen. „Erst dann können sie auch eine andere Sprache lernen.

“ Das müsse man teilweise auch erst den Eltern vermitteln: „Meistens sind sie es, die wollen, dass ihre Kinder nur Deutsch sprechen.“

Probleme wegen der unterschiedlichen Kulturen kennt Jutzi nicht: Auch die muslimischen Kinder gehen mit in die Kirche. „Sie müssen nicht beten, aber wir bitten die Kinder, während des Gebets leise zu sein und einfach nur zuzuhören.“ Schließlich verbindet die Religionen vor allem eines: „Nächstenliebe und der Wille, gut zu den Menschen zu sein.“ Um den verschiedenen Essensvorschriften Rechnung zu tragen, wurde Schweinefleisch kurzerhand vom Speiseplan gestrichen. „Das machen wir aber schon länger so“, sagt die Kindergartenleiterin.

Schwierige Organisation

So einfach und schön das alles klingt, Probleme gibt es durch die neue Situation aber doch. Die sind allerdings eher organisatorischer Natur: „Gerade am Anfang war alles ziemlich neu und unklar: Wie lange bleiben die Kinder, wer sind die Ansprechpartner?“

Durch den starken Anstieg der Flüchtlingszahlen innerhalb kürzester Zeit, scheinen viele Stellen personell und organisatorisch überfordert. Die Kinder aus dem Corlette-Circle werden beispielsweise mit dem Bus gebracht. Doch von der Haltestelle müssen sie erst einmal abgeholt werden. „Da fehlt uns dann das Personal. Ich kann in der Zeit ja auch nicht die anderen Kinder unbeaufsichtigt lassen“, erklärt Jutzi.

Ein übergeordneter gemeinsamer Ansprechpartner zum Thema Flüchtlinge wäre da sinnvoll, findet Jutzi. Einer, bei dem die Fäden zusammenlaufen. Eine Forderung, die auch öfters von Ehrenamtlichen zu hören ist, die sich um die Flüchtlinge kümmern. Dann könnte man flexibler reagieren: „Ich frage mich manchmal schon, ob man das nicht alles etwas unbürokratischer lösen könnte“, sagt Jutzi dazu.

Doch solche Probleme sind an diesem Morgen weit weg. Während die Kleinen um den Nikolaus herum rennen und lachen, kann man nicht mehr ausmachen, welche Kinder hier geboren wurden, und welche die Flucht hergetrieben hat. „Ich würde mir wünschen, dass sich diese Nähe und Toleranz zu anderen durchzieht wie ein roter Faden, vom Kindergarten bis ins Erwachsenenalter“, sagt Jutzi noch, bevor sie sich wieder ihren Kindern zuwendet.