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Prognosen für die Landwirtschaft: Blick über den Tellerrand


Autor: Robert Wagner

Kitzingen, Mittwoch, 30. März 2016

Im dritten Teil unserer Serie zur lokalen Landwirtschaft geht es um mögliche Szenarien für die Zukunft: Zwischen Zuversicht und Pessimismus - Sechs Prognosen zur Zukunft der Landwirtschaft.
Manfred Engelhardt:„Was es bedeutet, den CO? Ausstoß so drastisch zu reduzieren – das kann man sich kaum vorstellen.“


Die Welt wandelt sich rasant. Präzise Vorhersagen zu machen, wie sich etwas in der Zukunft entwickeln wird, ist praktisch unmöglich. Dennoch lohnt sich der Blick nach vorne. Und sei es auch nur, weil er hilft, die Chancen und Probleme heute besser einzuschätzen. Zum Abschluss unserer Reihe zur lokalen Landwirtschaft haben wir die sechs Teilnehmer deshalb um eine Prognose gebeten: Wie sieht die Landwirtschaft im Landkreis Kitzingen in 50 Jahren aus? Was wird sich verändern, was bleibt gleich?

Helmut Schmidt: Es wird sicher weitere dramatische Veränderungen geben. Der Strukturwandel wird sich massiv fortsetzen. In den nächsten zwanzig Jahren werden die Bauern aus den Dörfern verschwinden. Trotzdem werden die Flächen weiter bewirtschaftet, dann aber von einigen wenigen großen Betrieben. Der Klimawandel wird die Landschaft verändern: Es werden andere Pflanzen im Kreis wachsen. Hoffentlich werden sich dadurch aber auch Nischen und neue Chancen ergeben. Alois Kraus: Ich bin mir sicher, dass es auch im Jahr 2050 noch Landwirtschaft geben wird, auch im Landkreis. Wie genau die aber aussehen wird, weiß ich noch nicht. Vielleicht gibt es in jedem Ort nur noch einen Bauern. Sicher ist, dass die Ställe dann außerhalb der Orte stehen werden. Die Zahl der Biobetriebe wird moderat zunehmen. Wie stark, hängt aber sehr von der Wirtschaftlichkeit der Betriebe ab.

Herbert Pfriem: Ich bin eigentlich zuversichtlich. Das, was wir produzieren, das ernährt die Bevölkerung. Sicher, der Strukturwandel wird weitergehen. Es wird einen Klimawandel geben. Aber trotzdem ist die Ernährung der Bevölkerung die zentrale staatliche Aufgabe. Ich bin davon überzeugt, dass das in Zukunft sogar noch wichtiger wird: Weilweit nehmen die Spannungen zu. Wir müssen damit rechnen, dass dadurch auch der Handel mit Lebensmitteln eingeschränkt wird. Spätestens dann muss man sich darauf besinnen, im eigenen Land Lebensmittel zu produzieren. Das sehe ich als Chance. Wir Landwirte überbrücken auch schwierige Zeiten und hoffen auf Besserung. Aber sicher: Das wird eine Herkulesaufgabe.

Klaus Petter: Die Flächenversiegelung wird weitergehen, wahrscheinlich noch zunehmen. Immer mehr Höfe werden verschwinden. Es wird zwangsläufig zu weiteren Spezialisierungen kommen. Aber trotzdem: Die bleibenden Flächen werden bewirtschaftet werden. Ich glaube, die Menschen werden einen psychologischen Wandel mitmachen. Das kann man jetzt beispielsweise schon bei der Diskussion um das Freihandelsabkommen TTIP erkennen. Wenn die Menschen sich auf die regionale Produktion besinnen, dann wird es mir um die Landwirtschaft nicht bange. Ich hoffe nur, dass die Landwirtschaft grüner und bunter wird. Dass sie dem Gemeinwohl dient und dafür auch honoriert wird. Das ist auch eine Forderung an die Agrarpolitik.

Manfred Engelhardt: Wenn ich an die Zukunft denke, dann denke ich an meine Enkelin. Der durchschnittliche Deutsche produziert zehn Tonnen CO? pro Jahr, nachhaltig wären zwei Tonnen. Was es bedeutet, den Ausstoß so drastisch zu reduzieren – das kann man sich kaum vorstellen. Doch was passiert, wenn wir das nicht machen? Die Temperatur steigt um sechs Grad, der Wasserspiegel um 70 Meter. Wir haben also gar keine Wahl, als unser Leben zu verändern. Gerade wenn man eben Enkel hat. Sicher, das ist keine konkrete Prognose – aber man muss auch den Rahmen sehen, das große Ganze. Nur so kann man überlegen, wie die Landwirtschaft in Zukunft aussehen sollte. Was man noch bedenken muss: Die Bevölkerung wächst. Es wächst also auch die Nachfrage. Das heißt auch, dass man auf Flächenversiegelung verzichten muss.

Hans Plate: Ich denke, der Strukturwandel wird zu einer Isolierung der Landwirte führen. Aber ich gehe davon aus, dass wir, wenn nicht in 50 Jahren, dann in hundert Jahren, eine flächendeckende Biolandwirtschaft haben werden. Ganz einfach deswegen, weil die Menschheit bestimmte Risikotechnologien abschafft: Beispielsweise die Atomenergie oder die Gentechnik. Ebenso ist es mit der Agrochemie, die langfristig Böden und Grundwasser vergiftet. Außerdem steigt durch den Einsatz von Antibiotika die Gefahr durch multiresistente Keime. Die heutige Form der Landwirtschaft ist deshalb dauerhaft nicht tragbar.