Arme Schweine?

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Robert Wagner
Kritischer Blick: Eduard Mack inspiziert einen der Zuchteber. Georg Winterstein leitet von oben die Versteigerung.
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Stolzer Preis: Um die 1000 Euro bewegt sich der Preis für einen Zuchteber. Viel Geld für die wirtschaftlich geplagten Schweinehalter.
Foto: Robert Wagner

Beim Weihnachtsmarkt der Schweinezüchter in Dettelbach ist die Stimmung nicht gerade besinnlich. Wer den Landwirten zuhört, hört vor allem Klagen. Doch auch die Tierschützer sind unzufrieden.

Am Eingang zur Halle stehen zwei einsame Weihnachtsbäume. Das ist alles, was darauf hindeutet, dass es sich bei der Veranstaltung in der Dettelbacher Frankenhalle um einen Weihnachtsmarkt handelt. Und tatsächlich ist den Schweinezüchtern, die an diesem Mittwoch ihre alljährliche Versteigerung von Zuchtebern abhalten, nicht zum Feiern zumute. Wer den Landwirten zuhört, hört vor allem Klagen.

„So schlecht war die Stimmung noch nie“, bestätigt Georg Winterstein den ersten Eindruck. Er ist Vorsitzender des Verbandes unterfränkischer Schweinezüchter und hat an diesem Tag viele Gespräche geführt. „Die Reserven sind aufgebraucht. Viele Kollegen überlegen, ihren Betrieb aufzugeben.“ Sie wären nicht die ersten: Seit dem Jahr 2000 ist die Zahl der bayerischen Schweinehalter laut dem Bayerischen Bauernverband von knapp 50 000 auf etwa 15 000 gesunken.

„Von den Ferkelerzeugern arbeitet gerade kein einziger wirtschaftlich“, sagt Eduard Mack, Vorsitzender des Fleischerzeugerings Unterfranken. Er hat 160 Muttersauen in seinem Betrieb in Euerfeld und ist damit selbst direkt betroffen. „Je nach Betrieb schwankt der Preis für ein drei Monate altes Ferkel um die 40 Euro. Nur um die Kosten zu decken, müssten es schon 60 Euro sein“, erklärt Mack.

Bei der Frage nach den Gründen für die Misere, atmet Mack tief durch. „Schwierig, in ein paar Sätzen zu erklären“, sagt er. „Allein über die neuen Auflagen, beispielsweise zur Kastration und Eberzucht, die bis 2019 umgesetzt werden sollen, könnte ich stundenlang erzählen.“ Was Eduard Mack und Georg Winterstein dann beschreiben, lässt sich in drei Punkten zusammenfassen – einen ökonomischen, einen betrieblichen und einen gesellschaftlichen.

„Ferkelerzeuger stehen am Ende einer langen Schlange“, erklärt Winterstein: Die Verbraucher wollen billiges Fleisch und kaufen vorwiegend bei Discountern. Der niedrigere Preis wird über die Fleischer, die Mäster und Schweinehalter bis zu den Erzeugern weitergegeben. Und die müssen dann ihre Ferkel zu dem angebotenen Preis verkaufen. „Schließlich kann man ja die Muttersau nicht zunähen und ein halbes Jahr warten, bis der Preis besser wird.“

Das Überangebot auf dem europäischen Markt, der fehlende Absatz in Russland und China, tragen ihr übriges dazu bei, dass der Preis langfristig niedrig bleibt. „Dass der Preis auf und ab geht, das sind wir gewohnt“, erklärt Mack. Dieser „Schweinezyklus“ habe sich jedoch verändert: „Die Täler werden immer tiefer, die Höhen flacher.“ So viel zum ökonomischen Aspekt.

Betrieblich machen den Landwirten die Auflagen zu schaffen – gerade beim Tierschutz. „Wir machen das aus Berufung und Leidenschaft. Die Tiere sind uns wichtig“, sagt Mack schon fast beschwörend. Außerdem sei doch schon viel passiert: Mehr Licht, mehr Platz, Spielzeug für die Schweine. „Es gab noch nie in der Geschichte Nutztiere, denen es so gut ging.“

Laut Winterstein führen die Auflagen gerade dazu, dass der Strukturwandel in der Landwirtschaft noch beschleunigt wird. Dabei wolle man doch gerade das verhindern. „Nur große Betriebe können es sich leisten, alle Auflagen ohne Probleme zu erfüllen.“ So wären jene Betriebe, die vor fünf Jahren noch lukrativ gearbeitet haben, heute schon defizitär. Das Ergebnis: Obwohl die Anzahl der Betriebe in Unterfranken zurückgeht, steigt die Produktion von Schweinen an.

Aus Sicht der Tierschützer ist das jedoch ein hausgemachtes Problem. „Wachse oder weiche – diese Logik gilt schon seit Jahrzehnten bei der Tierzucht“, erklärt Edmund Haferbeck, Manager der Rechts- und Wissenschaftsabteilung von Peta Deutschland. Verständnis für die Beschwerden der Landwirte hat er nicht. Die neuen Vorschriften seien jahrelang diskutiert worden. „Wenn durch so kleine Verbesserungen für die Tiere ein Betrieb pleite geht, dann stimmt doch etwas mit dem Fleischmarkt nicht.“

„Man kann die Muttersau ja nicht zunähen und warten, bis der Preis steigt.“
Georg Winterstein Vorsitzender

Und die gesellschaftliche Komponente? Gemeinhin gilt, dass die Bauern eine große Lobby in der Politik haben. Doch der politische Einfluss sei zurückgegangen, sagt Georg Winterstein. „Fleischerzeugung ist nicht mehr en vogue“, bestätigt Mack. „Die Zeiten, in denen man als landwirtschaftlicher Verband ohne Weiteres Gehör beim Ministerpräsidenten fand, sind lange vorbei.“ Haferbeck relativiert: „Die kleinen Bauern haben sicher an Einfluss verloren. Allerdings gibt es immer noch keine mächtigere Lobby als den Bayerischen Bauernverband.“

Für Georg Mack sind es hingegen die „grünen“ Verbände und Tierschutzorganisationen, die die öffentliche Diskussion beherrschen. „Nutztiere sind sicherlich eines der schwierigsten 'Produkte', die man heute herstellen kann. Schließlich ist es ja auch ein Geschöpf Gottes – da wird sehr kritisch drauf geschaut“, sagt Eduard Mack.

Doch man müsse nicht einmal so weit gehen. Schon in der Dorfgemeinschaft hat sich die Position der Schweinhalter verändert. Während früher fast jeder Schweine hielt, gibt es heute meist nur noch einen Betrieb pro Ort – man werde zu Außenseitern.

Hinzu kommen Skandale in der Fleischindustrie. Die schlagen ungebremst bis zu den Ferkelerzeugern und Schweinhaltern durch – egal ob diese betroffen sind, oder nicht. Als vor kurzem beispielsweise eine Studie heraus kam, die dem Verzehr von Schweinefleisch eine krebsfördernde Wirkung zuschrieb, schlug sich das direkt auf die Preise von Ferkeln durch. „Und zwar lange bevor überhaupt absehbar war, ob die Kunden weniger Fleisch kaufen würden. Geschweige denn, dass die Ergebnisse überprüft worden wären“, so Mack.

Letztlich sei es aber einfach eine Frage des Geldes. „Die Menschen wünschen sich ja niedrige Fleischpreise“, sagt Winterstein. Und dass, obwohl ihnen gleichzeitig das Wohl der Tiere mehr am Herzen liegt. Auch Edmund Haferbeck kann da zustimmen: „Das ist sicherlich ein schizophrenes Verhalten.“

Ihre Hoffnungen setzen Mack und Winterstein deshalb darauf, dass regionale Produkte und Kampagnen wie „Tierwohl“ zu bewussteren Kaufentscheidungen und damit höheren Preisen führen. Auch Haferbeck befürwortet einen Ausbau solcher Projekt und steigende Preise. So könnten die Interessen von Tierschützern und Schweinhaltern unter einen Hut gebracht werden. Weder Schweine noch ihre Halter wären dann wohl arm dran – und auf dem Weihnachtsmarkt der Schweinzüchter könnte tatsächlich wieder eine besinnliche Stimmung einkehren.