Alles auf eine(r) Karte

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Leo Eckert, Geschäftsleiter der VG Iphofen, weiß genau, was sein Personalausweis so alles kann.
Foto: Eckert/Stadt Iphofen
Matthias Mahr und Linda Schlereth treiben bei der VG Iphofen die Digitalisierung der Behördendienste an.
Foto: Julia Volkamer

Die VG Iphofen ist nur eine von vielen Behörden im Landkreis Kitzingen, die sich digital gut aufgestellt sehen. Jetzt fehlen nur noch die Nutzer.

Fragend hält Leo Eckert das kleine, bunt schillernde Kärtchen in die Höhe. Natürlich, fast alle Bürger haben inzwischen ihren Personalausweis in EC-Karten-Form. „Aber nicht alle wissen, was sie damit alles machen können“, sagt der Geschäftsleiter der VG Iphofen. So mancher Behördengang würde – gerade in Zeiten von Corona – überflüssig, weil die Menschen ihre Amtsgeschäfte von zu Hause aus erledigen könnten. „Digitales Rathaus“ nennt sich die jüngste Offensive des Freistaates Bayern, viele Behörden sind schon dabei. Nur der Bürger selbst ist es noch nicht.

In Iphofen haben sich Linda Schlereth und Matthias Mahr der digitalen Strategie der Verwaltungsgemeinschaft und ihrer Mitgliedsgemeinden Markt Einersheim, Rödelsee und Willanzheim angenommen. Basis ihrer Arbeit ist das Onlinezugangsgesetz, das besagt, dass bis Ende des Jahres 2022 sämtliche Leistungen der deutschen Verwaltung vollständig digital erbracht werden müssen. Um dieses Ziel zu erreichen, wurden und werden großzügige Fördergelder freigesetzt. Davon profitieren auch Schlereth und Mahr. Sie zeichnet als Managerin der Allianz Südöstlicher Landkreis Kitzingen auch für die digitale, interkommunale Zusammenarbeit der Mitgliedsgemeinden und der Stadt Mainbernheim sowie der Schulverbände verantwortlich, die Regierung von Unterfranken fördert das Projekt mit 90 000 Euro. Mahr betreute die VG Iphofen in den letzten Jahren stundenweise als EDV-Fachmann, ab dem 1. Juli will er die Digitalisierung Vollzeit vorantreiben – mit Hilfe des Bayerischen Programmes, das jeder förderfähigen Gemeinde bis zu 20 000 Euro zusagt.

Da steht zwangsläufig die Frage nach der Verhältnismäßigkeit im Raum. In den letzten vier Jahren haben die Bürger ihre Möglichkeiten zwar mit steigendem, grundsätzlich aber noch relativ zurückhaltendem Interesse genutzt. Von A wie Aufenthaltsbescheinigung bis Z wie Zählerablesung bietet die VG Iphofen 21 Dienste digital an, am häufigsten werden Urkunden oder andere Dokumente wie das Führungszeugnis, Ehe-, Geburts- oder Sterbeurkunden und in diesem Jahr Wahlunterlagen angefordert. Insgesamt zählte Leo Eckert seit 2016 rund 7000 Online-Vorgänge – im Verhältnis zu den rund 9250 Bürgern der VG eine sehr geringe Zahl. Seine Erklärung: „Die Leute haben Angst um ihre Daten.“

Matthias Mahr kann da nur die Augenbraue hochziehen. „Bei Facebook und Instagram geben die Leute ohne zu Zucken ihre Daten preis, aber bei einer Behörde, die für Datensicherheit garantieren muss und beaufsichtigt wird, haben sie Hemmungen.“ Das BürgerservicePortal, also die Website, auf der die Bürger die Onlinedienste nutzen können, läuft im BSI-zertifizierten Rechenzentrum der Anstalt für Kommunale Datenverarbeitung Bayern (AKDB) und berücksichtigt sämtliche gesetzlichen Anforderungen an Datenschutz und Datensicherheit. Die Bearbeitung der Vorgänge findet dann im Haus statt. Dabei sei die Behörde durch das „Gesetz über die elektronische Verwaltung in Bayern" verpflichtet, angemessene organisatorische und technische Maßnahmen zu treffen, um die Datensicherheit zu gewährleisten. „Denn die größte Schwachstelle ist immer noch der Mensch“, weiß auch Leo Eckert.

Trotz der bislang geringen Nachfrage sei es gut möglich, dass sich die persönliche Bearbeitung mit der fortschreitenden Digitalisierung irgendwann erübrigt. Die größte Hürde sei dabei der hohe Authentifizierungsgrad vieler Anliegen bei Standes- oder Einwohnermeldeamt – oder anders gesagt: In den meisten Fällen braucht es die Unterschrift des Antragstellers. „Es gibt dafür schon vielversprechende Systeme“, meint Eckert. Auch die Entwicklung des E-Payments, also der digitalen Bezahlung, laufe in Zusammenarbeit mit der Sparkassen-Gruppe vielversprechend an. Eigentlich fehlt nur noch eines: Das Interesse der Bürger.

Denn die entscheiden letztendlich, was sie mit ihrem Personalausweis in EC-Karten-Form alles machen wollen. Seit fast zehn Jahren schon kann man die E-Funktion des Kärtchen aktivieren lassen, seit 2017 wird sie automatisch aktiviert. So kann sich jeder Ausweisbesitzer auf der Homepage seiner Verwaltungsgemeinschaft ein Bürgerkonto anlegen. Die Identifikation läuft über ein Lesegerät, das man bei der VG bekommt, oder inzwischen auch über das Smartphone und eine App.

Die Voraussetzungen für das „Digitale Rathaus“ sind also geschaffen – und zwar nicht nur in Iphofen. „Wir haben seit 2014 eine umfassende Digitalstrategie aufgebaut“, sagt der Wiesentheider Geschäftsleiter Christian Sturm. Ein sechsköpfiges Team kümmere sich um das Thema, und die aktuelle Situation beweise, dass die Digitalisierung gut funktioniert. „Alle Systeme arbeiten, unsere Verwaltung ist trotz fehlendem Publikumsverkehr gut ausgelastet.“

Auch in Volkach könne man den Bürgern alle Dienstleistungen ohne Probleme anbieten, erklärt EDV-Betreuer Jürgen Golz. In der VG Kitzingen ist die Digitalisierung Chefsache und Geschäftsleiter Dieter Pfister kümmert sich größtenteils selbst um die Betreuung des Bürgerbüro-Portals. Die VG Marktbreit arbeitet mit einem anderen System, das weniger Dienstleistungen online anbietet. Die Aussichten, das „Digitale Rathaus“ auszubauen, sind in den nächsten Jahren aber aufgrund der Förderangebote von Bund und Freistaat so günstig wie nie zuvor.

Und der Zeitpunkt, sich mit der Digitalisierung seiner Amtsgeschäfte anzufreunden, war auch nie günstiger. In Zeiten von Corona wünschen sich die Ämter und Behörden so wenig Publikumsverkehr wie möglich. Es wird Zeit, das kleine, bunt schimmernde Kärtchen aus dem Geldbeutel zu holen und sich einmal eingängiger damit zu beschäftigen.

Digitales Rathaus

Online-Zugangsgesetz Das Gesetz zur Verbesserung des Onlinezugangs zu Verwaltungsleistungen verpflichtet Bund, Länder und Kommunen, bis Ende 2022 ihre Verwaltungsleistungen (insgesamt rund 600) über Verwaltungsportale auch digital anzubieten. Sie sind in 35 Lebens- und 17 Unternehmenslagen gebündelt und 14 übergeordneten Themenfeldern („Familie Kind“ oder „Unternehmensführung und -entwicklung“) zugeordnet. Entscheidend ist die Nutzerperspektive, also letztendlich die Akzeptanz bei Bürgern und Unternehmen.

Anbieter Im Bereich E-Government gibt es verschiedene, externe Anbieter. Seit 2019 ist die Anstalt für Kommunale Datenverarbeitung Bayern (AKDB) das zentrale Zugangssystem für die Nutzung von Online-Verwaltungsdiensten im Rahmen des OZG. Weitere Anbieter sind Co-Net, Materna oder Nexus.

Montgelas 3.0 Der Begriff steht für die Bayerische Strategie „Vom Blatt zum Byte“. Die wichtigsten Säulen sind das Bayerische E-Government-Gesetz (der rechtliche Rahmen), der E-Government-Pakt (Zusammenarbeit von Freistaat und Kommunen) und das BayernPortal mit der ergänzenden, kostenfreien Bereitstellung von Basisdiensten für digitale Authentifizierung, Kommunikation und digitales Bezahlen (E-Payment).

Förderprogramme Seit Inkrafttreten der Förderrichtlinie 2019 läuft das Förderprogramm „Digitales Rathaus“. Gemeinden und Gemeindenzusammenschlüsse können für die Bereitstellung von Online-Diensten bis zu 20 000 Euro Förderung erhalten. Voraussetzung ist unter anderem, dass am Ende mindestens 20 Behördendienste zugänglich gemacht werden (die VG Iphofen bietet jetzt schon 21 Dienste an). Außerdem fördert der Freistaat Bayern das Basisseminar „Grundkurs Digitallotse“ der Bayerischen Verwaltungsschule und übernimmt 80 Prozent der Seminargebühren für einen Mitarbeiter (bei der VG Iphofen: Matthias Mahr).