Schlimme Unfälle gehen unter die Haut, sind aber oft schnell wieder vergessen. Der "Weltgedenktag für Straßenverkehrsopfer" erinnert an die unerwartet aus dem Leben gerissenen Menschen.
Sie gehören zum Straßenbild, fallen manchmal schon gar nicht mehr auf, und doch berührt ihr Anblick immer wieder aufs Neue: Straßenkreuze. Fast jeder fährt auf dem Weg zur Arbeit täglich an einem vorbei und fragt sich, wer hier wohl verunglückt ist, wie alt derjenige war, wer die Stelle immer wieder schmückt. Wenn das passiert, haben solche Kreuze ihren Zweck erfüllt: "Sie sind Mahnmale, aber auch Ausdruck von individueller Trauer", sagt Notfallseelsorger Hanjo von Wietersheim.
Am 18. November wird an die Straßenverkehrsopfer gedacht. An Menschen, die oft spektakulär aus dem Leben gerissen, aber oft ebenso schnell wieder vergessen werden, wenn die schrecklichen Bilder einmal verblasst sind.
"Nur die Angehörigen trauern viel länger - weil sie den plötzlichen Tod des geliebten Menschen nicht begreifen können."
Wieder mehr Verkehrstote Allein im Landkreis Kitzingen kamen im vergangenen Jahr zehn Menschen bei Verkehrsunfällen ums Leben. Dabei stieg die Zahl seit 2008 kontinuierlich an und ist wieder auf dem Niveau von 2005. Die Zahl der Schwerverletzten ging im Vergleich zu den Vorjahren allerdings zurück. "Leider ist die nicht angepasste Geschwindigkeit neben Vorfahrtsverletzungen die Hauptunfallursache", berichtet Polizeihauptkommissar Hans Büttner von der Polizeiinspektion Kitzingen.
Von Wietersheim ist als Notfallseelsorger oft dabei, wenn die Polizei Angehörigen die Todesnachricht überbringt.
"Die typische Reaktion ist, dass sie nicht glauben wollen, was passiert ist." Schließlich haben sie den Verunglückten meist erst kurz zuvor in einer ganz alltäglichen Situation erlebt. Wenn die Fakten schließlich ins Bewusstsein dringen, brechen manche Menschen zusammen, weinen, sind wütend und verzweifelt. "Wir Notfallseelsorger sind dann für die Menschen da und helfen ihnen, wieder Boden unter die Füße zu bekommen."
In einer späteren Phase der Trauer können die Straßenkreuze Freunden und Familie bei der Verarbeitung helfen, indem sie an den Ort des Unfalls zurückkehren. "Vielen tut das gut, weil sie sich dem Verstorbenen dort nahe fühlen." Das Geschehen sei weniger abstrakt, als möglicherweise in der Kirche oder auf dem Friedhof.
Warnung an andere Solche Mahnmale haben auch Tradition, weiß der Pfarrer.
Zwischen Rehweiler und Abtswind steht zum Beispiel ein fast 100 Jahre altes Steinkreuz, das an einen Josef Berthold aus Kirchschönbach erinnert, der dort mit seinem Fuhrwerk verunglückte. "Da steht sogar explizit drauf, dass auch Fremde an ihn denken sollen." Außerdem macht das Kreuz - wie andere Straßenkreuze auch - auf eine Stelle aufmerksam, an der schon einmal etwas passiert ist. "Das suggeriert: ,Vorsicht, hier ist es gefährlich. Fahr' lieber langsam.'"
Trotzdem sind diese Zeichen des Gedenkens nicht unumstritten, wie Gisela Ott von der Hospiz-Regionalgruppe Kitzingen weiß. "Sie könnten schließlich auch ablenken und erst recht einen Unfall provozieren." Im Umgang mit Menschen, die so einen plötzlichen Verlust verkraften müssen, hat aber auch sie bemerkt, dass das Trauern an so einem Ort oft mehr bringt, als am eigentlichen Grab.
"Erklären kann ich mir das nicht - aber ich verstehe die Trauernden, die dort ein Zeichen setzen wollen."
Kreuze sind nicht verboten Verboten ist es jedenfalls nicht, sagt Harald Hofmann, Dienststellenleiter der Polizei Kitzingen. "So lange sie nicht auf Verkehrsgrund stehen und den Verkehr nicht gefährden, machen wir uns keine Gedanken über diese Kreuze." Nur insofern, dass die Polizei natürlich bemüht ist, Unfälle möglichst zu vermeiden - durch Aufklärung und Kontrollen. "Gerade jetzt, in der dunklen und kalten Jahreszeit, muss man sich auf die äußeren Umstände wie Nebel, Laub und Eisglätte einstellen und konzentriert und mit angepasster Geschwindigkeit fahren", mahnt Hans Büttner.
Ganz vermeiden kann man Unfälle jedoch kaum, und wenn etwas passiert, ist es für die Angehörigen unglaublich schwer, damit zurecht zu kommen.
Ott und von Wietersheim appellieren daher an alle Menschen, die Trauernden nahe stehen, sie nicht alleine zu lassen. "Auch wenn man nicht weiß, wie man mit der Situation umgehen soll, muss man auf die Leute zugehen." Denn wenn in so einer schlimmen Lage auch noch die Freunde ausbleiben, dauert es oft noch viel länger, über den Verlust hinwegzukommen.
Gedenktag Der "Weltgedenktag für die Straßenverkehrsopfer" wurde im Jahr 1993 von der RoadPeace Stiftung in England gestartet. Seither unterstützen weltweit immer mehr Nichtregierungsorganisationen die Initiative. Am 26. Oktober 2005 erklärten die Vereinten Nationen gemeinsam mit der Weltgesundheitsorganisation den dritten Sonntag im November zum Weltgedenktag für die Straßenverkehrsopfer.
Trauer Hilfe beim Trauern bieten die Hospiz-Regionalgruppe Kitzingen und der Hospizverein Würzburg an. Infos unter Telefon 09323/1552, 09323/3379 oder 0931/53344.