War das Verbrechen im Wiesentheider Schlosspark versuchter Mord oder versuchter Totschlag? Werden die Angeklagten nach Jugend- oder nach Erwachsenenrecht verurteilt? Das Gericht berät jetzt.
Die Forderungen der Anklagebehörde und die der Verteidigung liegen weit auseinander. Für Oberstaatsanwalt Boris Raufeisen ist das, was am 4. Januar 2016 im Schlosspark von Wiesentheid (Lkr. Kitzingen) geschah , ein gemeinschaftlicher Mordversuch. Den 20-jährigen Angeklagten, der seine Ex-Freundin mit Messerstichen so schwer verletzt hat, dass die junge Frau heute querschnittsgelähmt ist, will er nach Erwachsenenstrafrecht zu 14 Jahren Haft verurteilt sehen.
Für den 19-Jährigen Angeklagten, der seinen Kumpel nach Wiesentheid begleitet, ihm sein Handy zur Verfügung gestellt, die Frau in den Schlosspark gebracht und das Verbrechen beobachtet hat, fordert er nach Jugendstrafrecht neun Jahre und die Unterbringung des Cannabisabhängigen in einer Entziehungsanstalt. Antreten soll der Mann die Therapie erst, wenn er sechs Jahre abgesessen hat. Der Anwalt der 22-Jährigen, Peter Auffermann, schließt sich dem Antrag an.
Für die Verteidiger ist die Bluttat kein versuchter Mord, sondern ein versuchter Totschlag. Nach Ansicht der Anwälte Jan Paulsen und Norman Jacob jr. soll auch ihr 20-jähriger Mandant nach Jugendstrafrecht behandelt werden. Ihre Forderung: Sechs Jahre und sechs Monate Jugendstrafe.
„Beihilfe statt Mittäterschaft“
Der 19-jährige Angeklagte soll laut seinen Verteidigern Hanjo Schrepfer und Dirk Wenz nicht, wie vom Staatsanwalt gefordert, wegen Mittäterschaft, sondern wegen Beihilfe verurteilt werden. Viereinhalb Jahre Jugendstrafe sowie eine zwangsweise Drogentherapie halten seine Verteidiger für angemessen.
Die Angeklagten haben das „letzte Wort“. Der 20-Jährige, den der Staatsanwalt als „Lügner“, „arrogant und rücksichtslos“ charakterisierte, sagt, dass er bis heute nicht wisse, was damals in ihm „vorgegangen ist“. Seine Tat tue ihm „wirklich leid“. Anfang der Woche hat er dem Opfer 10 000 Euro überwiesen, die sein Opa für ihn angespart hatte.
Sein Kumpel hat sich offensichtlich schon gut ins Gefängnis-Milieu eingefunden. Zur Verhandlung erschien er jedenfalls mit frischen, dilettantisch gestochenen Knast-Tattoos an den Händen. In seinem Schlusswort dankte er seinen Verteidigern. „Ich habe ein Drogenproblem“, sagte er dann, „ich habe meiner Familie und mir viel angetan. Ich will ein besserer Mensch werden“.
Beide Angeklagten stammen aus soliden, intakten Familien. Die Eltern des 20-Jährigen waren bei allen zwölf Verhandlungstagen dabei. Ganz still und blass saßen sie im Zuschauerraum, die Mutter kämpfte viele Male mit den Tränen, der Vater wirkte wie versteinert. Auch die Mutter des 19-Jährigen war schon als Zuschauerin im Prozess.