Die Landwirte der Region wollen wieder näher ran an den Verbraucher. Tizian Klein spielt dabei eine wichtige Rolle. Und Siegfried Voltz unterstützt ihn dabei.
Mit der Zeit redet er sich in Rage. Richtig wütend wird er trotzdem nicht. Nicht mehr. Eher besorgt, ein bisschen ratlos. Und für manche Dinge fehlt ihm schlicht das Verständnis. „Von Jammern auf hohem Niveau sind wir weit entfernt“, sagt der Schernauer Landwirt Siegfried Voltz. „Wenn alles gar nicht so schlimm wäre, wieso haben wir dann in Unterfranken innerhalb von fünf Jahren 30 Prozent unserer landwirtschaftlichen Betriebe mit Ferkelerzeugung verloren?“ Er will eine Lanze brechen für die regionale Landwirtschaft – und hat in Tizian Klein einen motivierten Mitstreiter gefunden. So kann es schließlich nicht weitergehen. Innerhalb eines Jahres ist der Preis für ein Ferkel von 95,00 Euro (Januar 2020) auf 43,00 Euro (Dezember 20) gesunken – bei 55 Euro, die es für die Aufzucht braucht. „Für jedes Ferkel legen wir aktuell zwölf Euro aus unserem eigenen Geldbeutel drauf“, sagt Siegfried Voltz. Er selbst habe mit dem Ackerbau noch weiteres Standbein, die ihn und seinen Hof über Wasser hielten. „Andere haben das nicht. Und müssen aufgeben.“ Solche Geschichten kennt auch Tizian Klein zur Genüge. Mit seiner Familie hat er ein Lohnunternehmen, Landmaschinenwerkstatt und einen Ackerbaubetrieb – und engagiert sich im Verein „Landwirtschaft verbindet Bayern“. Der möchte vor allem den Dialog suchen. Mit der Politik, mit dem Lebensmitteleinzelhandel (LEH), mit den Verbrauchern. Aber vor allem auch unter den Landwirten selbst. Zuletzt haben sich die Landwirte aus der Basisbewegung Land schafft Verbindung zusammengeschlossen und Anfang Dezember eine Blockade vor dem Edeka-Zentrallager in Gochsheim (Landkreis Schweinfurt) durchgeführt, Siegfried Voltz mit seine Söhnen Christian und Michael waren mit ihren Schleppern ebenfalls vor Ort. Dabei sei selbst dieser friedliche Protest eine Gratwanderung, sagt Voltz. „Wir machen das, um die Menschen mal wieder wachzurütteln. Mehr können wir uns aber auch nicht leisten.“
Zum einen könne eine solche Aktion durchaus rechtliche Folgen haben, finanzielle Strafen drohen – und da sei beim ein oder anderen schon einiges zu holen. Zum anderen müsse man sich mit den Verantwortlichen des LEH ja auch wieder an einen Tisch setzen. „Was sollen wir machen? In unserer Situation müssen wir alles, was sie uns anbieten, annehmen. Wir stehen mit dem Rücken zur Wand. Auch von vielen Hektar kann man nichts abbeißen.“
Tizian Klein kennt die verzweifelte Lage einiger Landwirte in Unterfranken. Als einer von vier Vorsitzenden versucht er, zwischen den Beteiligten zu vermitteln. Die Initiative „Landwirtschaft verbindet Bayern e. V.“ kann sich aus seiner Sicht schon einige Erfolge auf die noch junge Fahne schreiben. Nach der ersten, großen Aktion im Oktober 2019, als tausende Schlepper durch Bonn, München, Würzburg und noch einigen anderen Städten tuckerten, hat sich aber trotzdem zu wenig getan, was den Landwirten in der Praxis helfen kann. „Die Politik schiebt dem LEH die Schuld zu und der LEH der Politik“, ärgert sich der Lohnunternehmer. Und so liegt es an den Landwirten selbst, die Initiative zu ergreifen. Wieder zusammen zu kämpfen. Die Verbraucher von sich zu überzeugen. Das Image des Landwirtes, das in den letzten Jahrzehnten so dermaßen an Glanz verloren hat, wieder aufzupolieren. „Es gibt viele, die alles versuchen, die neue Wege gehen, die kämpfen wollen“, weiß Tizian Klein. „Aber es gibt eben auch schon viele, denen dazu schlichtweg die Kraft fehlt.“
Gerade die Viehbetriebe rückten dem Abgrund immer näher. Die Milchpreise sind genauso im Keller wie der Kilopreis für Schweinefleisch. Auch hier hat Siegfried Voltz Zahlen parat. Für ein Kilo bekam er im Dezember 2019 noch zwei Euro, ein Jahr später gab es nur noch 1,10 Euro. Im Einzelhandel gehen 150 Gramm für 1,16 Euro über die Theke. „Da frage ich mich: Wer steckt eigentlich das übrige Geld ein?“ Der Lebensmitteleinzelhandel sei einfach zu mächtig, um ihm als ebenbürtiger Verhandlungspartner gegenüberzutreten.
„Wir müssen die Bedingungen einfach so gut wie möglich annehmen. Auch wenn das bedeutet, das in den nächsten Jahren noch weitere Betriebe auf der Strecke bleiben.“ Die Folge davon: Die Selbstversorgungsraten – egal ob bei Ferkeln oder Mastschweinen, bei Milch oder Getreide – werde in den nächsten Jahren deutschlandweit weiter sinken. Dann müssen Produkte importiert werden, die unter ganz anderen als den hiesigen Bedingungen erzeugt wurden. Zum Beispiel aus Brasilien, wo riesige Flächen Regenwald weichen müssen, um Weizen oder Soja anbauen zu können. „Das macht doch alles keinen Sinn“, schüttelt Siegfried Voltz den Kopf.
Dementsprechend könne es auch nicht die Lösung sein, die komplette Versorgung mit Bio-Produkten bestreiten zu wollen. „Damit werden wir die Welt nicht ernähren können“, ist er sicher. Dabei sieht er die konventionelle und die Bio-Landwirtschaft sich immer mehr annähern. Er selbst hat in seinen Ställen und auf seinen Feldern schon die verschiedensten Konzepte ausprobiert und ist ein Befürworter) der nachhaltigen, regionalen Landwirtschaft. „Die Hürden werden aber immer höher.“ Von seinen fünf Kindern hat Siegfried Voltz zwei Söhne die in den Betrieb einsteigen wollen. Sie haben beide Interesse an der Arbeit auf dem Hof – nicht aber für den vielen Schreibkram, der dann im Büro wartet. „Man muss es dann auch verstehen, wenn die Kinder sagen: Darauf habe ich keine Lust.“
So weit ist es in seiner Familie noch nicht gekommen. Seinen Betrieb wird es hoffentlich noch lange geben. Der technische Fortschritt sei unaufhaltsam, auch in der Landwirtschaft, sagt Voltz. Und er will ihn mitgehen. Er weiß aber auch, dass viele andere sich das nicht leisten können – oder wollen. „Manche leben so vor sich hin in ihrer Blase, auf ihrem Hof“, sagt Tizian Klein. „Sie haben einfach nicht die Kraft, sich aufzulehnen.“