Wer einen Jungbullen mit der bloßen Hand fängt, der muss ein besonders kerniger Bursche sein. Auf Bernd Rüdiger trifft das mit Sicherheit zu. Nach mehr als 40 Jahren zieht er sich langsam aus dem Feuerwehrleben im Landkreis Kitzingen zurück.
Wer einen Jungbullen mit der bloßen Hand fängt, der muss ein besonders kerniger Bursche sein. Auf Bernd Rüdiger trifft das mit Sicherheit zu. Nach mehr als 40 Jahren zieht er sich langsam aus dem Feuerwehrleben im Landkreis Kitzingen zurück.
Das genaue Eintrittsjahr kann der 58-Jährige gar nicht mehr benennen. 1973 oder 1974 war es, als er zum ersten Mal zur Feuerwehr in Albertshofen ging. „Ein paar Kumpels haben mich mitgezogen“, erinnert er sich. Der Aufstieg ging schnell. Gerätewart, Jugendwart, Kommandant. „Nach und nach bin ich die Leiter hoch“, erzählt er. Sein Beruf hat ihm dabei sicherlich geholfen. Eine KfZ-Lehre hat er gemacht, nach der Bundeswehrzeit hat ihn die US-Armee eingestellt. Fast 20 Jahre lang war er „Fire-Inspector“. Sein Einsatzgebiet: die gesamten US-Liegenschaften in Kitzingen. „Ich habe viel gelernt bei den Amis“, sagt Rüdiger. Andere Strukturen, anderes Material, ein anderes Ansehen. „In den USA hat ein Feuerwehrmann einen höheren Stellenwert als hierzulande“, sagt er.
Kerosin in Flammen
Zu viert sind sie damals ausgerückt, beispielsweise zum Brand eines Tankwagens. 20 000 Liter Kerosin standen in Flammen. Und das zur Freundschaftswoche. Die vier haben das Feuer gelöscht, rund 16 000 Liter Wasser dafür benötigt. „Wir waren dank des Materials schneller und effektiver unterwegs“, erklärt Rüdiger. Dennoch waren die insgesamt zwölf Mann der „Fire-Brigade“ auf eine gute Zusammenarbeit mit den deutschen Kräften angewiesen. „Und das hat immer sehr gut geklappt“, erinnert er sich.
24 Stunden dauerte damals eine Schicht. In der Freizeit war für ihn deshalb noch lange nicht Schicht im Schacht. Seinen Dienst bei der freiwilligen Feuerwehr in Albertshofen hat er trotzdem absolviert. Und stieg weiter auf. Kreisbrandmeister, dann Kreisbrandinspektor. Insgesamt 25 Jahre hat er diese führenden Posten in der Feuerwehrhierarchie besetzt.
Im Landkreis Kitzingen gibt es lediglich drei Kreisbrandinspektoren. Rüdiger war für die insgesamt 42 Wehren im Raum Dettelbach, Kitzingen und Marktbreit zuständig. Leistungsprüfungen abnehmen, Ehrungen überreichen, an Jahreshauptversammlungen teilnehmen, Gerätschaften wie Leitern und Anhänger überprüfen: Zu tun gab es für Bernd Rüdiger immer mehr als genug. Manchmal war er „nur“ an einem Abend in der Woche im Einsatz, manchmal auch an drei Abenden. Und am Wochenende standen oft Übungen an. Oder Tagungen mit den anderen Führungskräften.
Wie viel Zeit er für die Feuerwehr „geopfert“ hat, kann Bernd Rüdiger beim besten Willen nicht sagen. Die Ernstfälle sind dabei noch gar nicht bedacht. Und die gab es zuhauf. Rüdiger erinnert sich noch gut an den BayWa-Brand in Kitzingen, als er mit einem Kollegen ganz oben im Turm war, in vorderster Front. „Irgendein Brocken ist mir da an den Kopf geflogen“, erzählt er. Oder die Silvesternacht 1984/85, als das Rathausdach in Kitzingen in Flammen stand. Rüdiger wieder mittendrin, wollte mit einem Kollegen kontrollieren, ob das Feuer unter Kontrolle ist. „Der Sauerstoff hat die Glutnester plötzlich wieder befeuert“, erzählt er. „Alles stand lichterloh in Brand.“ Rüdigers Reaktion in solchen Momenten: „Die Ruhe bewahren, weiter klar denken. Hektik oder Panik wären das Schlechteste.“ Eines hat der 58-Jährige in all den Jahren gelernt: Jeder Einsatz ist anders, birgt ein neues Risiko. „Die Ungewissheit beginnt schon mit der Alarmierung“, sagt er. „Und vor Ort sind immer Überraschungen möglich.“
Eine ganz besondere Überraschung erlebte er vor rund zehn Jahren. Bei Seinsheim war ein Tierlaster umgekippt, sieben Jungbullen entkamen. „Die Polizei hat sechs erschossen“, erinnert er sich. „Weil sie teilweise an Straßen oder der Bahnstrecke standen.“ Den siebten hat Bernd Rüdiger gerettet. Mit der Kraft seiner Hände hat er den Jungbullen zu Boden gerissen. Die Seinsheimer Kollegen haben ihm zum 50. Geburtstag einen Cowboyhut geschenkt.