Und genau dort liegt eines der Probleme, die Schweinehalter derzeit haben. Wegen der Arbeitsbedingungen – die Mitarbeiter stehen auf engstem Raum, viele kommen aus dem Ausland – wurden einige Schlachthöfe geschlossen, andere dürfen und können aufgrund von Auflagen längst nicht so viel schlachten wie früher. Die Folge: Die Schweinemäster bekommen ihre Tiere nicht verkauft. 120 Mastschweine vermarktet Niedermeyer normalerweise alle 14 Tage. „Wenn die nur 100 mitnehmen, muss der Rest halt im Stall bleiben“, sagt er nüchtern. Die Folge ist der Schweinestau. Auf über 600.000 Schweine ist der „Überhang“ an Tieren deutschlandweit inzwischen angewachsen, so Helmut Schmidt.
Stehen die Tiere länger bei den Mästern im Stall, müssen sie länger gefüttert werden, legen an Gewicht und damit auch an Fett zu, erzielen einen deutlich geringeren Preis. Auf einer Grafik, die der stellvertretende BBV-Kreisobmann Schmidt mitgebracht hat, weist ein dicker roter Pfeil nach unten. Corona, der Lockdown mit der Schließung der Gastronomie, die Schließung von Schlachthöfen und schließlich auch noch der erste Fall der Afrikanischen Schweinepest in Deutschland – jedes Mal wieder ein Einschnitt, jedes Mal wieder sank der Preis. Inzwischen liegt der Schlachtpreis gerade mal etwas über 1,20 Euro pro Kilo, informiert Claus Schmiedel vom Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF) in Kitzingen. Ende vergangenen Jahres lag er bei über zwei Euro.
Überleben wird da für immer mehr Betriebe schwierig. 119 Schweinemastbetriebe gibt es im Landkreis Kitzingen in diesem Jahr, 2009 waren es 320. Noch deutlicher ist der Rückgang bei den Zuchtsauen, also den Ferkelerzeugern. 143 Betriebe waren es 2009, jetzt sind es noch 37. Der Trend wird anhalten. „Auch große, zukunftsfähige Betriebe werfen in letzter Zeit immer häufiger das Handtuch.“ Gerade mal 52 Prozent der Betriebe im Landkreis Kitzingen haben 800 Tierplätze und mehr, die anderen sind kleiner. Eine Reihe davon, so befürchtet Schmiedel, wird langfristig nicht überleben.
Der Schlachtstau wirkt sich nicht nur auf die Schweinemäster aus, sondern auch auf die Ferkelerzeuger. Denn wenn Mäster wie Schmidt ihre Tiere nicht verkaufen können, ihre Ställe voll sind, ist kein Platz für neue Ferkel. Auch dort wird es also enger in den Ställen. „Ich bin nicht so flexibel wie ein Industriebetrieb“, sagt Martin Uhlmann. Von heute auf morgen kann er die Produktion nicht verringern. Die Sauen, die jetzt Ferkel werfen, wurden vor vier Monaten gedeckt. Es dauert also deutlich mehr als ein Vierteljahr, bis sich die Zahl der Tiere tatsächlich reduziert. Wie dann die Marktlage ist, ist nicht absehbar. Schlachten die Schlachthöfe dann wieder? Ist die Gastronomie wieder geöffnet? Und was ist mit Verträgen, die Schweinehalter mit Zulieferern und Abnehmern abgeschlossen haben?
Noch geht es bei den Uhlmanns, noch bringen sie ihre Tiere so unter, dass das Tierwohl gewahrt ist. Schließlich liegen ihnen ihre Tiere am Herzen, sie wollen sie gut versorgt wissen. So mancher Kollege, erzählt Margarete Uhlmann, hat aber schon begonnen, Futtersilos oder Maschinenhallen zu provisorischen Ställen umzurüsten, um Platz für die Tiere zu schaffen. Gerade bei den niedrigen Temperaturen im Winter ist das nicht einfach, gibt Klaus Niedermeyer zu bedenken.
30 Euro bekommt Martin Uhlmann derzeit für ein Ferkel. Um zumindest kostendeckend arbeiten zu können, müsste der Preis bei 60 Euro liegen, sagt Niedermeyer. „Und da ist noch kein einziger Cent verdient.“ Helmut Schmidt verdeutlicht es mit einer Rechnung: „Wenn ein Ferkelerzeuger im Monat 1000 Ferkel verkauft und pro Ferkel 30 Euro verliert, geht das schnell an die Existenz.” 30.000 Euro weniger Einnahmen monatlich bei gleichzeitig steigenden Kosten, weil die Tiere ja länger versorgt werden müssen und mehr fressen. Wie dann noch die Investitionen finanzieren, die in den letzten Jahren getätigt wurden? Wie noch die Kosten für die neuen Auflagen decken, die anstehen, fürs Tierwohl zum Beispiel? Wären andere Zweige wie der Maschinenbau von derartigen Einbußen betroffen, die Politik hätte längst reagiert, ist Martin Uhlmann sicher.
Als wären der Preisverfall und der Schweinestau nicht genug, verschärft ein drittes Problem die Situation zusätzlich, die Afrikanische Schweinepest. Ausgebreitet hat sie sich in Deutschland noch nicht, aber es gab Fälle nahe der polnischen Grenze. China hat deshalb ein Importverbot für deutsches Schweinefleisch erlassen. Dabei ist China ein wichtiger Exportmarkt, dort sind viele Teile des Schweines begehrt, die Deutsche nicht gerne essen – der fette Bauch, der Rüssel, der Kopf, die Füße. Die Deutschen dagegen wollen nur die Edelteile wie Nackensteak, Schnitzel, Lende oder Schinken. Der Lebensmittelhandel verlangt dafür seinen Preis – aber die Landwirte haben nichts davon, sie bekommen seit längerem Woche für Woche weniger Geld. „Da ist kein Miteinander möglich“, kritisiert Klaus Niedermeyer. Dabei wären höhere Preise wichtig, um den Bauern die Existenz zu ermöglichen. „Wir haben schon zehn nach zwölf.“