Die Grusel-Queen

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Papier, Latexmilch und Filmblut sind die Zutaten, aus denen Michelle Zausinger täuschend echt aussehende Wunden auf allen möglichen Körperteilen entstehen lässt. Diana Fuchs
Papier, Latexmilch und Filmblut sind die Zutaten, aus denen Michelle Zausinger täuschend echt aussehende Wunden auf allen möglichen Körperteilen entstehen lässt. Diana Fuchs
Im Gruselgarten kreuzen seltsame Grinsbacken den Weg. Zausinger
Im Gruselgarten kreuzen seltsame Grinsbacken den Weg. Zausinger
 
Rezept für eine Schein-Wunde: Das getrocknete, mit Latexmilch getränkte Papier auf dem Arm wird mit einer Schere eingeschnitten, um so eine Tiefenwirkung zu erzielen. Foto: Diana Fuchs
Rezept für eine Schein-Wunde: Das getrocknete, mit Latexmilch getränkte Papier auf dem Arm wird mit einer Schere eingeschnitten, um so eine Tiefenwirkung zu erzielen.  Foto: Diana Fuchs
 
Spinnennetze, Laub, Steine, Wurzeln und vieles mehr dienen als Kulisse für die Erschrecker-Show. Foto: Zausinger
Spinnennetze, Laub, Steine, Wurzeln und vieles mehr dienen als Kulisse für die Erschrecker-Show.  Foto: Zausinger
 
Rezept für eine Schein-Wunde: Das getrocknete, mit Latexmilch getränkte Papier auf dem Arm wird mit einer Schere eingeschnitten, um so eine Tiefenwirkung zu erzielen. Diana Fuchs
Rezept für eine Schein-Wunde: Das getrocknete, mit Latexmilch getränkte Papier auf dem Arm wird mit einer Schere eingeschnitten, um so eine Tiefenwirkung zu erzielen. Diana Fuchs
 
Spinnennetze, Laub, Steine, Wurzeln und vieles mehr dienen als Kulisse für die Erschrecker-Show. Zausinger
Spinnennetze, Laub, Steine, Wurzeln und vieles mehr dienen als Kulisse für die Erschrecker-Show. Zausinger
 
Papier, Latexmilch und Filmblut sind die Zutaten, aus denen Michelle Zausinger täuschend echt aussehende Wunden auf allen möglichen Körperteilen entstehen lässt. Diana Fuchs
Papier, Latexmilch und Filmblut sind die Zutaten, aus denen Michelle Zausinger täuschend echt aussehende Wunden auf allen möglichen Körperteilen entstehen lässt. Diana Fuchs
 
Kater Benni bewacht das Gruselgästebuch. Diana Fuchs
Kater Benni bewacht das Gruselgästebuch. Diana Fuchs
 
Marcus geht in seiner Rolle als Erschrecker auf. Zausinger
Marcus geht in seiner Rolle als Erschrecker auf. Zausinger
 

Busfahrerin Michelle Zausinger und ihre Freunde lassen in der Nacht vor Allerheiligen sämtliche Schreckgespenster raus.

Er beobachtete seine Frau kopfschüttelnd. Was hatte es nur alljährlich am 31. Oktober mit dieser Verwandlung auf sich? Marcus Zausinger verstand es jahrelang nicht. Erst, als seine Michelle ihn für ihre Halloween-Geister-Show engagierte - als Erschrecker -, ging ihm sozusagen ein Grusellicht auf. "Als die Leute vor Schreck in die Luft gehüpft sind, habe ich Spaß an der Sache bekommen."

Marcus Zausinger hatte, um im Bild zu bleiben, Blut geleckt. Etliche Jahre ist das nun schon her. Mittlerweile freut sich der 39-jährige Rolladen- und Jalousienbauer selbst alljährlich auf den 31. Oktober. Er ist ein eingefleischter Halloween-Freund - und ein eifriger Kulissenbauer obendrein. Seine Frau Michelle, von Beruf Busfahrerin, schätzt das sehr, denn mit Marcus' Hilfe und der Unterstützung von Freunden kann sie den Garten vor ihrem Haus alljährlich zu Halloween in ein echtes Grusel-Kabinett verwandeln. Vom Zombi, der aus seiner Gruft aufsteigt, bis zum schwebenden Geist sind allerhand zwielichtige Wesen im unterfränkischen Kleinlangheim angekündigt.

"Halloween ist mein Leben", sagt Michelle Zausinger grinsend, während sie eine Flasche mit Latexmilch schüttelt. Sie taucht einen feinen Pinsel in die weißliche Flüssigkeit und streicht damit über einen Hügel Papier, den sie zuvor auf dem Unterarm ihrer Tochter Monique platziert hat. "Sodale", sagt sie, "die Milch verbindet sich jetzt mit dem Papier und das haftet auf der Haut. Sobald die Masse hart wird, kann man sie noch ein bisschen modellieren oder aufschneiden - quasi Wunden nachbilden." Bemalt mit Kunstblut und Schminkfarben sieht Moniques Arm wenig später aus, als müsse er sofort amputiert werden.

Wenn Leute ihre Kunst als "Ami-Kitsch" verurteilen, lässt sie das völlig kalt. "Jedem das Seine", sagt die Busfahrerin, fügt dann aber doch hinzu, dass Halloween ursprünglich überhaupt nicht aus Amerika, sondern aus dem katholischen Irland kommt. Am Abend vor dem Allerheiligenfest, "All Hallows' Eve", wurden einst alte Herbstbräuche zelebriert. Erst später haben irische Auswanderer in den USA die Tradition verändert, bis das heute bekannte Halloween entstand.

"Ich habe mich schon als Kind gern gegruselt", erzählt die gebürtige Castellerin. "Unser Nachbar war ein US-Amerikaner. Immer, wenn wir konnten, haben wir uns zu ihm und seiner Frau rübergeschlichen und heimlich Freddy-Krüger-Videos geguckt." Freddy Krüger ist der Hauptdarsteller der "Nightmare"-Filme - ein Serienmörder. Angst habe sie beim Filmschauen nie gehabt, eher ein "wonniges Gänsehaut-Gefühl - ähnlich wie bei unseren Mutproben".

Mutproben? "Naja, wir sind nachts über den Friedhof gegangen und so. Das hat mir nicht groß was ausgemacht. Auch hat es in unserem Ort ein verlassenes, altes Haus gegeben. Das hat mich und meine Freundinnen immer magisch angezogen."

Andere Leute, die nicht so hart im Nehmen waren, habe sie schon immer gerne erschreckt. Selbst vor der eigenen Mutter machte Michelle nicht Halt. "Ich weiß noch, dass ich mich mal von hinten an sie rangeschlichen habe, als sie gerade Jägersoße kochte. Ich hab' sie an der Taille gepackt und geschrien. Sie ist so erschrocken, dass mich der Schöpflöffel, den sie in der Hand hatte, voll erwischt hat."

Kuriert haben solche Erlebnisse das Mädchen jedoch nicht. Im Gegenteil. "Ich mag es, wenn Leute sich so richtig gruseln. Dafür tun wir an Halloween auch ganz schön was: Raschelndes Laub, Spinnweben, Wurzeln, passende Musik - nicht nur die großen Schocker sind wichtig, sondern auch die kleinen, feinen Effekte und Details." Schon Wochen vor dem großen Tag lagen seltsame Holzgebilde und von Planen überspannte, geheimnisvolle Haufen auf ihrem Grundstück herum. Was genau das ist? Michelle will vorab nicht zuviel verraten. Doch ein ganzes Heer an Farbdosen, Filmblut-Flaschen und geheimnisvollen Figuren regt die Fantasie an.

Sicher ist: Schon seit Mitte September bastelt Michelle jeden Tag an erschreckenden Dingen. Und nicht nur sie selbst: "Ich bin echt sehr, sehr froh und dankbar dafür, dass ich so tolle Helfer habe: meine Familie und drei gute Freunde. Ohne sie wäre das alles gar nicht möglich, auch in finanzieller Hinsicht nicht." Denn: "Die Figuren aus Amerika lasse ich mir ganz schön was kosten. Da muss ich schauen, dass ich die Kulisse außenrum möglichst kostengünstig selbst gestalten kann."

Wie Michelle auf immer neue, schockende Ideen kommt? "Ich schaue tatsächlich immer noch gern Horrorfilme - das hat sich seit meiner Jugend nicht geändert." Sich und andere furchteinflößend zu kostümieren und zu schminken und sich kleine, feine Grusel-Gags auszudenken, mache ihr von Jahr zu Jahr mehr Spaß, sagt die dreifache Mutter. Sie erinnert sich noch gut an die Anfänge ihrer Leidenschaft: "Wenn Kinder zu Halloween an unserer Tür geklingelt haben, war es für mich selbstverständlich, ihnen Süßigkeiten zu schenken. Als von Jahr zu Jahr immer mehr Kinder gekommen sind, habe ich Haus und Garten auch immer mehr geschmückt."

Dann fuhren eines Tages ein paar richtig freche Schüler in ihrem Bus mit. "Tja, und da bin ich auf die Idee gekommen, mich an Halloween so zu verkleiden, so das es sogar den Frechen mal die Sprache verschlägt." Das war die Geburt des Kleinlangheimer Grusel-Gartens.

Seither wächst Michelles Halloween-Sortiment stetig. "Das Wichtigste ist aber, dass die Atmosphäre einfach passt. Dass das Ambiente echt spuky wirkt. Ich probiere das vorher aus. Nur, wenn die Testpersonen wirklich Gänsehaut bekommen, bin ich zufrieden."

Haben Frauen eigentlich mehr Schiss als Männer? Oder Kinder mehr als Erwachsene? "Eher umgekehrt: Grundsätzlich haben die Erwachsenen mehr Angst als Kids", sagt Michelle Zausinger. "Generell reagiert jeder Mensch individuell. Manche rennen hysterisch fort, andere schreien ununterbrochen, wieder andere schauen sich alles ganz genau an und analysieren." Solche "Grusel-Genießer" belassen es meist nicht bei einem Rundgang durch den Garten, sondern stellen sich drei-, viermal an. Damit die Effekte auch gut wirken können, werden immer nur kleine Gruppen gleichzeitig eingelassen.

"Wer möchte, kann sich heuer nach seinem Besuch in unserem schwarzen Buch verewigen und Lob oder Kritik äußern", kündigt Michelle Zausinger an. Ihr Mann Marcus ist gespannt, wie seine Grusel-Kulissen ankommen. Am Halloween-Abend selbst wird er auch wieder aktiv bei der Show mitmischen: in seiner Lieblingsrolle als Erschrecker. Der 39-Jährige macht allen Mut, die sich bisher noch nicht in die Nähe des Geistergartens gewagt haben: "Bis jetzt sind alle lebend rausgekommen!"

Grusel-Garten: Wer sich gruseln möchte, ist an Halloween, 31. Oktober, ab 16.30 Uhr ins "Horrorhaus" in der Schulstraße/ Kreuzung Bahnhofstraße in Kleinlangheim (Landkreis Kitzingen) eingeladen. Schilder weisen den Weg. Der Eintritt ist frei. Falls es in Strömen regnen sollte, musst die Gruselnacht entfallen.