Die Biebelrieder Bürger erheben schwere Vorwürfe gegen Jochen Kuhstrebe. Der Bescheid über die Beitragsbescheide ist ihm zu spät zugestellt worden. Schuld soll ein defekter Briefkasten sein.
Das letzte Wort hatten bei der Gemeinderatssitzung am Dienstagabend wie immer die Bürger. Daher nutzte Alfred Wolf die Gelegenheit und fragte, ob es bei den Beitragsbescheiden zu den Straßenausbaubeitragssatzung Zustellprobleme gegeben hat. Im Dorf sei die Rede davon. Wegen einer verspäteten Zustellung sei der Anspruch der Gemeinde nun verjährt. Wolf nannte konkret zweiten Bürgermeister Jochen Kuhstrebe (Allgemeine Bürgerliste). Der habe den Bescheid erst im neuen Jahr erhalten.
Bürgermeisterin Renate Zirndt (Allgemeine Bürgerliste) waren die Vorhaltungen zum Teil bekannt. Der Bescheid sei zugestellt worden, der Empfänger aber nicht der Empfangsberechtigte gewesen. Daher sei die Zustellung erst am 2. Januar 2013 erfolgt. Die Rechtskraft ist laut Dieter Pfister von der Verwaltung nicht eindeutig geklärt.
In einer Sitzungspause räumte Kuhstrebe ein, von Weihnachten bis Silvester im Urlaub gewesen zu sein. Am 31.
Dezember sei er wieder zurückgekommen. Da sein Briefkasten wegen eines Defektes abgebaut war, sei der Bescheid nicht zustellbar gewesen.
Einige Bürger sind darüber verärgert. Ihre Vermutung: Kuhstrebe hat von der fristgerechten Auslieferung der Bescheide als zweiter Bürgermeister gewusst. Er hätte also Vorkehrungen treffen und seinen defekten Briefkasten reparieren müssen, damit ihn die Gemeindepost rechtzeitig erreicht. Für sie, die Bürger, sei er weder als Gemeinderat noch als stellvertretender Bürgermeister noch tragbar.
In der Sitzung war es vorher erneut um die Straßenausbaubeiträge gegangen. Gemeinderat Matthias Manger (CSU-FB) hatte sich die Behandlung seines Antrages, die entsprechende Satzung aus dem Jahr 2008 wieder aufzuheben, wohl einfacher vorgestellt.
Bürgermeisterin Renate Zirndt (Allgemeine Bürgerliste) und Verwaltung machten der Ratsrunde deutlich, dass dies nur über eine Aufhebungssatzung möglich wäre.
Die Bürgermeisterin wies darauf hin, dass die Gemeinde nach dem Kommunalabgabengesetz zur Einnahmebeschaffung verpflichtet ist, um sich primär aus Entgelten wie Beiträgen und Gebühren zu finanzieren. Sie wies weiter darauf hin, dass das Fehlen einer Straßenausbaubeitragssatzung seitens der Rechtsaufsicht bis 2008 regelmäßig beanstandet wurde.
Außerdem, so Zirndt weiter, könne sich der Wegfall der Satzung nachteilig auf Haushaltsgenehmigungen auswirken, etwa dann wenn Kreditaufnahmen wie beim Bau des Feuerwehrhauses, der Dorferneuerung, der Kanalsanierung und anderer Vorhaben erforderlich seien.
"Das Landratsamt kann der Gemeinde entgegen halten, dass eine Kreditaufnahme bei Erheben von Ausbaubeiträgen nicht oder in geringerem Umfang nötig wären", betonte die Bürgermeisterin.
Solange die Gemeinde Schlüsselzuweisungen und sogar Bedarfszuweisungen erhalte, sei für den Verzicht auf eine Beitragsfinanzierung kein Raum. Zudem könne der Verzicht auch den Tatbestand der Untreue erfülen - mit strafrechtlichen Konsequenzen auch für das einzelne Gemeinderatsmitglied. Die Bürgermeisterin machte weiter deutlich, dass sie einen Beschluss des Gemeinderates, den sie für rechtswidrig halte, beanstanden und eine Entscheidung der Rechtsaufsicht herbeiführen müsse.
Wegen der möglichen Konsequenzen stellte sie den Antrag, namentlich abzustimmen.
Umstrittene Satzung An Manger gewandt fragte sie nach der schriftlichen Vorlage des Antrages, aus dem auch der Termin ersichtlich sei, zu dem der Beschluss wirken solle. "Die Gründe sind unverändert, ich will sie nicht mündlich vortragen", stellte Manger fest.
Für die Verwaltung unterstrich Dieter Pfister, dass der Antrag rechtswidrig sei, sowohl was die Aufhebung als auch die Rückwirkung angehe. Da die umstrittene Satzung am 1. April 2008 Rechtskraft bekam, nannte Manger diesen Termin schließlich auch als Aufhebungstermin. Als Grund führte er knapp an, dass entweder alle oder keiner zahlen müssten.
"Aufheben ist zu kurz gegriffen", fand Jochen Kuhstrebe (Allgemeine Bürgerliste), denn diesen Beschluss werde die Rechtsaufsicht sicher kassieren.
Er beantragte die Aufhebungssatzung um einen Paragrafen zu ergänzen, der das jüngst ergangene Urteil des Bundesverfassungsgerichtes, in dem rückwirkend in Kraft getretene Satzungen als mit dem Grundgesetz unvereinbar beurteilt wurden, beinhalte.
Kuhstrebe regte eine neue Satzung mit dem sperrigen Namen an: "Über die Erhebung von Beiträgen zur Deckung des Aufwandes für die Herstellung, Anschaffung, Verbesserung oder Erneuerung von Straßen, Wegen, Plätzen, Parkplätzen, Grünanlagen und Kinderspielplätzen." Bis dahin sollte allerdings eine Handlungsempfehlung des Innenministeriums abgewartet werden.
Die namentliche Abstimmung über den Antrag Mangers ergab eine erste Überraschung: Die Aufhebung der Satzung wurde einstimmig abgelehnt. Die weitere namentliche Abstimmung über den Antrag Kuhstrebes ergab, dass fünf Gemeinderäte für die Aufhebung, aber sechs dagegen stimmten.
"Die Satzung bleibt also bestehen", stellte die Bürgermeisterin sicherheitshalber fest.
"Der Freistaat muss jetzt die Rückwirkung klären", merkte Pfister an. Die Gemeinde wird nun auf dem Dienstweg beim Innenministerium anfragen, ob es unter Berücksichtigung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes nun möglich ist, eine Satzung rückwirkend inkraft zu setzen. Die Vollstreckung der erlassenen Bescheide bleibt bis dahin ausgesetzt.