40 Millionen Euro Schaden sind entstanden. Nürnberger Unternehmen stellte jetzt Strafanzeige.
Nach turbulenten Monaten für den Autozulieferer Leoni hatte Vorstand Dieter Bellé kürzlich nur einen Wunsch: „mehr Ruhe“ für das Unternehmen.
900 Mitarbeiter im Kitzinger Leoni-Werk und ihre 75 000 Kollegen in aller Welt werden eher unruhig sein, seit sie durch die Pflichtmitteilung an die Aktionäre am Dienstag erfuhren: Betrüger haben mit der „Chef-Masche“ 40 Millionen Euro abgezweigt – Geld, das man für die Umstrukturierung selbst bräuchte.
Das Unternehmen hatte Strafanzeige gestellt. „Der Fall ist bei uns bekannt“, sagt auf Anfrage Markus Huber, Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft Bamberg. „Mehr können wir zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht sagen.“
Inoffiziell hieß es, jemand habe sich bei Leoni als leitender Mitarbeiter ausgegeben und behauptet, „besondere Befugnisse zu haben“. Man nutzte „gefälschte Dokumente und Identitäten“ und „elektronische Kommunikationswege“, um an das Geld zu kommen, heißt es offiziell.
Bei der „Chef-Masche“ holen sich Gauner erste Informationen bei den Internetauftritten von Firmen. Oft sei da schon erkennbar, wer für was zuständig ist, erklärte das Polizeipräsidium Unterfranken nach einem ähnlichen, aber gescheiterten Fall in Aschaffenburg im Januar. Und soziale Netzwerke enthüllen, ob der Chef gerade in Urlaub ist – was es schwierig macht, bei angeblichen Anweisungen von ihm nachzufragen.
Dann erhält ein Mitarbeiter in der Buchhaltung eine Nachricht – angeblich von oberster Stelle. Er wird um Hilfe in einer „diskreten“ Angelegenheit gebeten – etwa dem Kauf von Firmenteilen. Dafür müsse Geld ins Ausland überwiesen werden. Die Betrüger halten vorbereitete Zahlungsaufträge bereit, die die notwendige zweite Unterschrift schon beinhalten. Diese ist jedoch gefälscht. Zuvor werden ausländische Konten, bevorzugt in China, Hongkong oder Osteuropa, unter falschem Namen eingerichtet. Sobald das Geld eingetroffen ist, werden sie leer geräumt. Die verwendeten E-Mail-Adressen sind gefälscht, Prepaid-Handynummern nicht nachverfolgbar.
Das FBI beziffert den Schaden weltweit auf 3,1 Milliarden US-Dollar (2,8 Milliarden Euro) in 100 Staaten. „Besonders anfällig sind patriarchalisch-autoritär geführte Unternehmen, in denen Zweifel und Widerspruch nicht erwünscht sind“, sagten Ermittler bisher in solchen Fällen. Aber Leoni hatte moderne Regeln eingeführt, in denen Transparenz und klar geregelte Verantwortlichkeiten Schutz vor Betrug und Korruption bieten sollen. „Wir müssen nun erst mal intern prüfen, wie es passieren konnte, dass die Regeln außer Kraft gesetzt wurden“, sagte Firmensprecher Bernd Buhmann. Derzeit könne man noch nichts im Detail sagen.