Textilien stützen diese Brücke

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Roy Thyroff zeigt an der ehemaligen Bahnbrücke bei Naila ein Carbon-Gitter. Der Beton der Gewölbebögen wurde 2016 mit Carbonbeton instandgesetzt. Foto: Ronald Rinklef
Roy Thyroff zeigt an der ehemaligen Bahnbrücke bei Naila ein Carbon-Gitter. Der Beton der Gewölbebögen wurde 2016 mit Carbonbeton instandgesetzt. Foto: Ronald Rinklef
Foto: Ronald Rinklef
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Wo bisher immer nur Stahl verbaut wurde, könnten bald nur noch leichte Textilfasern zum Einsatz kommen. Carbonbeton ist auf dem Vormarsch und dürfte die Baubranche revolutionieren. Eine Vorreiterfirma sitzt in Franken und hat ursprünglich mit ganz anderen Produkten zu tun.

Vor gut zehn Jahren noch drehte sich in Roy Thyroffs Berufsleben alles um Schals, Mützen oder Handschuhe. Kein Wunder. Der 48-Jährige arbeitet seit 18 Jahren für die Firma V. Fraas im kleinen Helmbrechtser Ortsteil Wüstenselbitz (Landkreis Hof). Dort hatte Firmengründer Valentin Fraas im Jahr 1880 eine Textilhistorie gestartet, die alles überdauert hat - auch den Niedergang der Branche in Oberfranken in den 1970er und 1980er Jahren. Das Familienunternehmen wird heute in fünfter Generation geführt, ist einer der letzten vollstufigen Textilhersteller in Deutschland und mit einer Produktion von zehn bis zwölf Millionen Schals jährlich einer der Weltmarktführer bei diesem Modeaccessoire.

Rund 250 Mitarbeiter hat die Firma in Oberfranken, weltweit sind es rund 600. Die meisten davon in China, wo Roy Thyroff im Auftrag seiner Chefs vor mehr als 15 Jahren eine eigene Fertigungsstätte aufgebaut hat.

Neues Standbein

Inzwischen trägt Thyroff zwar Schal, interessiert sich aber mehr für Bautechnik und Beton. "Ich hatte damals die Idee für ein neues Standbein. Was es genau wird, haben wir damals noch gar nicht gewusst", erzählt er. Das Unternehmen gründete die Tochter V. Fraas Solutions in Textile mit ihm als Geschäftsführer. Ziel war es, auf dem aussichtsreichen Markt für Technische Textilien Fuß zu fassen.

Das war vor zehn Jahren. Inzwischen hat Thyroff in der neuen Firma 13 Mitarbeiter, entwickelt und produziert mit diesen in einer alten Fabrikhalle in Hof und konzentriert sich aktuell auf zwei Produkte: Hochleistungsgurtbandnetze und Gittergelege aus Carbon- und Glasfasern.

Letztere sollen die Baubranche revolutionieren. 2016 gab es für Forscher der TU Dresden, mit denen Fraas zusammenarbeitet, den Zukunftspreis des Bundespräsidenten. Die bauaufsichtliche Zulassung liegt vor, aber in Berlin und Brüssel müsse noch Überzeugungsarbeit geleistet werden, sagt Thyroff.

Die Referenzprojekte sind aktuell überschaubar: riesige Zuckersilos bei Braunschweig, die Sanierung eines Bahnsteigs in Erlangen und die einer Bogenbrücke in Naila. Das soll sich ändern. "Wir dürfen über vieles noch nicht sprechen, aber die Technologie ist schon ziemlich weit. Das wissen viele noch nicht." Und schließlich forschten auch andere Länder intensiv, vor allem die Chinesen.

Bis zu 80 Prozent weniger Beton

Man werde den Stahlbeton nicht ganz ersetzen, aber einen bestimmten Teil, ist Thyroff überzeugt. Kein Rost mehr, bis zu 80 Prozent weniger Beton, dünne Verstärkungsschichten oder auch Fassadenelemente, schnelle Ausführung und eine Lebensdauer von 200 Jahren - der Carbonbeton hat das Potenzial, die Baubranche zu revolutionieren. "Wenn der Schalter umgelegt wird, dann geht es los. Wir sind da kurz davor", sagt Thyroff.

Schon jetzt steht in Hof eine kleine Fertigungsstraße für die Serienherstellung der Textilgitter. Diese werden dann in Helmbrechts noch veredelt. Der Markt dafür weltweit ist groß. Allein mit der Instandsetzung von Brücken ließe sich viel Geld verdienen. Aber neue Technologien brauchen ihre Zeit. Dennoch dürfte Carbonbeton mehr sein als eine Modeerscheinung.

Info Carbonbeton

Verbundwerkstoff Carbon ist ein Faserverbundwerkstoff. Bei der Herstellung werden Kohlenstofffasern in eine Kunststoffmatrix eingebettet. Eigenschaften Die Polymermatrix durchdringt die Fasern, wodurch sie leistungsfähiger und stabiler werden. Die getränkten Fasern wiederum sorgen unter anderem für die Anbindung an den Beton und lassen den Werkstoff auch bei häufiger Belastung nicht ermüden. Vorteile Betonbauteile mit Carbon sind leichter und viel dünner. Außerdem steigt die Tragfähigkeit gegenüber herkömmlichem Stahlbeton um das Sechsfache. Um Stahlbeton vor Korrosion zu schützen, ist eine mehrere Zentimeter dicke Betondeckung erforderlich. Carbon dagegen rostet nicht. Aufgrund der dünnen Bauteile sind filigrane Bauwerke möglich. Deren Haltbarkeit soll im Vergleich zu Stahl doppelt so lang sein. Preis Ein Kilo Stahl kostet rund einen Euro, für die gleiche Menge Carbon muss man rund 16 Euro hinlegen. Carbon-Experten rechnen allerdings vor: In Bezug auf Dichte und Tragfähigkeit erhält man für den 16-fachen Preis die 24-fache Leistungsfähigkeit.