Bei Philipp Lahm und seinen Kollegen floss der Schweiß in Strömen, im Oskar-Kandler-Zentrum in Kirchlauter das Blut. Aderlass zur gleichen Stunde wie ein WM-Viertelfinalspiel, bei dem die deutsche Elf gegen Frankenreich antritt. Funktioniert denn das? Kommt da wer?
Es kamen welche. Um 17 Uhr standen sie am Freitag Schlange, um 17.45 Uhr wartete der Arzt vergeblich auf Beratungskunden. 53 Spender kamen letztlich doch zum Termin, bis 18 Uhr, dem Zeitpunkt des Anpfiffs waren es schon 40 gewesen. "Sonst sind es in Kirchlauter zwischen 80 und 90", erzählt Jutta Röber vom Blutspendedienst des Roten Kreuzes in Wiesentheid. "Es war uns schon klar, dass es diesmal weniger werden. Aber wir stellen unseren Terminplan stets zu Jahresbeginn auf."
Und da hat kaum einer an die Fußballspiele gedacht. "Wir kommen immer gern nach Kirchlauter, hier gibt's nette Leute in der Bereitschaft und es klappt doch auch heute", meint Röber. Vier oder fünf Mal im Jahr kommen sie und ihr Trupp nach Kirchlauter.
Wegen der besonderen Umstände wird an diesem Freitag etwas früher begonnen. "Ich war schon bei Zeiten dran, weil ich muss ja noch ins Vereinsheim", drückt Horst Berger aus Salmsdorf aufs Tempo.
Aber mit Husch-husch klappt das nicht. Nach der Anmeldung muss ein Frageboden ausgefüllt und das Gespräch mit einem der beiden Ärzte abgewartet werden. Das dauert. Und die Uhr tickt.
"Wo ist denn Fernseher?", fragt ein erstaunter Blutspender. Aber außer den medizinischen Monitoren sind keine Bildschirme zu finden. Die zeigen an, wann die 485 Milliliter Blut abgezapft sind, aber nicht wie es im Stadion Maracana in Rio de Janeiro steht.
Auch Heinz Stretz ist extra früher als sonst gekommen. Er will nach Neubrunn zurück, um dort Fußball zu schauen. "Beim Ernst haben sie im Hof extra ein Stadion aufgebaut." Weswegen es fast einen Zwist mit dem Doktor gegeben hätte. "Der hat mich gefragt, was ich heute schon getrunken habe? Einen Liter Wasser, was ihm zu wenig erschien. Ich habe ihm versichert, dass ich beim Fußball schon noch ein bisschen mehr trinke, was er mit einem Kopfschütteln quittierte: Das sei zu spät", erzählt der einstige Gemeinderat.
"Schaun mer mal, wie's läuft", gibt sich Johanna Muckelbauer gelassen, die als Vertreterin der BRK-Bereitschaft Kirchlauter die Reagenzgläser sortiert. "Damit meine ich nicht, wie das Blut läuft, sondern das Spiel läuft bzw. wie sich das auf unseren Termin auswirkt."
Bis 18 Uhr waren es 40 Blutspender, am Ende 53. "Während des Spieles sind ein paar noch gekommen, die sich nicht für Fußball interessieren und einige Frauen, nach dem Schlusspfiff waren es dann sogar noch einmal vier", zieht sie Bilanz über den Termin, der bis 20.30 Uhr dauerte und durchgezogen wurde.
Zu diesem Zeitpunkt saß Anneliese Steppert aus Neubrunn schon lange vor dem Fernseher. Entgegen dem medizinischen Rat ruhte sie sich nach dem Aderlass nicht ein Weilchen aus und gönnte sich eine Tasse Kaffee. Ihr Paar Wiener ließ sie sich samt Brötchen und zwei Scheiben Brot einpacken. "Ich muss doch heim zum Fußball." Sie hat das goldene Tor durch Mats Hummels nicht verpasst.