Am Eberner Marktplatz herrscht vor einem mexikanischen Restaurant an jedem Abend südamerikanisches Temperament. Über sieben Millionen Menschen verfolgten in Deutschland am Freitagabend den 1:0-Sieg von Mexiko über Kamerun. Rund 40 davon saßen beim Public-Viewing auf dem Eberner Marktplatz.
Sie kamen aus Bamberg und Schweinfurt ins Lokal ihrer Freundin Linda Ortiz-Morales. Mitten drin auch ein Brasilianer, Bertram Wolgien (65), der seit Jahrzehnten in Ebern lebt. Der Marktplatz wird zum Zentrum des südamerikanischen Temperamentes. Auch am Montagabend, wenn die deutsche Mannschaft erstmals aufläuft.
Großer Bildschirm "Wir öffnen unser Schatzkästchen jeden Abend, wenn das Wetter passt", verspricht die Santa-Cruz-Wirtin, deren Mann, Klaus Wohlfahrt, bis kurz vor Anpfiff noch an der Technik des Großbild-Fernsehers bastelt, der in einen verschließbaren Holzkasten eingebaut wurde. Wohlfahrt schließt das Antennenkabel an, stöpselt die Lautsprecheranlage ein. Wegen des Brambergers ist die 47-Jährige vor 16 Jahren nach Deutschland gekommen. Kennen gelernt hat sie ihn während seiner Tätigkeit im mexikanischen FTE-Zweigwerk in Puebla.
Stolz auf das Heimatland "Ich bin stolz auf mein Land, je weiter man weg ist, desto stolzer wird man", schwärmt Linda, die "natürlich will, dass Mexiko gewinnt so lang es geht. Denn dann haben wir auch oft Grund zum Feiern". Aber eigentlich sei sie froh, dass Mexiko die Qualifikation überhaupt geschafft hat. "Peru zum Beispiel ist gar nicht dabei."
Am Montag schlägt sich die Mexikanerin auf die deutsche Seite. "Schließlich sind meine Kinder Deutsche." Und sei verspricht dazu auch "volle Kanne südamerikanisches Temperament".
Dafür sorgte beim Mexiko-Spiel am Freitag auch die Samba-Truppe aus Hofheim.
"Für das Deutschland-Spiel wollte ich eine Blasmusik anheuern, aber das hat nicht geklappt", vermisst Linda Ortiz-Wohlfahrt den musikalischen Rückhalt.
Für das Mexiko-Spiel lagen 40 Platzreservierungen vor und die Freunde und Bekannte kamen in Original-Trikots an bzw. verteilten vor Ort die letzten Exemplare, die eben über 7500 Kilometer aus der Heimat eingeflogen kamen. "So haben wir in Ebern ein Heimspiel", freut sich die Gastwirtin aufgeregt.
Etwas ruhiger lässt es Bertram Wolgien angehen. Seit drei Jahren ist er nicht mehr in Brasilien gewesen, 1970 ist er nach Deutschland gekommen, um in Gütersloh Landwirtschaft zu studieren. Zurück in Brasilien, im südlichsten Staat Panammbi, "hat es nicht mehr gut getan", weswegen er wieder nach Europa zurückkehrte und in Ahlen/Westfalen als Hubschrauber-Mechaniker arbeitete. "Wegen einer Frau" landete er letztlich in Ebern, wo er als Lkw-Fahrer bei einer Spedition anheuerte.
Mit seinen 65 Jahren genießt er jetzt den Ruhestand.
"Mit Fußball habe ich nicht so viel am Hut", gesteht der "Brazil", wie ihn viele Eberner nennen. Aber das Eröffnungsspiel hat er dann doch angeschaut. Wo? "Natürlich beim Mexikaner." Mit der Leistung seines Teams war er "zufrieden". Euphorie klingt anders.