Mohammed (24) aus Syrien hat die Bomben auf Homs fallen sehen. Seine Mutter und acht Geschwister sind tot. Er selbst steht auf der schwarzen Liste der Regimetruppen. Um zu leben ist er geflohen. Jetzt hofft er von Zeil aus auf Asyl.
Worte reichen ihm nicht, wenn Mohammed von den Luftangriffen auf seine Heimatstadt Homs erzählt. Er deutet an seine Schulter, das Knie, den Kopf. "Wenn die Raketen kamen, wurden Menschen einfach auseinandergerissen. Frauen, Kinder, Babys." Mohammed ist 24, aber seine Augen und der ausgezehrte Körper lassen ihn alt wirken. Seit Mittwoch lebt Mohammed in der Asylbewerber-Unterkunft an der Karl-Link Straße in Zeil. Er hofft auf ein besseres Leben. Aber die Bilder bleiben.
Seit drei Jahren ist Syrien im Bürgerkrieg. Truppen der Regierung von Präsident Baschar al-Assad kämpfen gegen verschiedene Oppositionsgruppen. Mohammed erinnert sich an die Tage, an denen die ersten Bomben auf seine Heimat fielen: "Im Mai 2011 begannen Assads schwere Angriffe." Mohammed spricht immer von Assad selbst, wenn er dessen Truppen meint. Er hasst den Diktator.
Hunderte Tote in Homs Homs ist die drittgrößte Stadt des Landes und war lange Zeit eine Hochburg der Rebellen, die gegen Assad kämpfen. Dementsprechend hart waren die Kämpfe in dem Gebiet: In den Jahren 2011 und 2012 wurde die Protesthochburg Ziel massiver Angriffe der syrischen Armee, die Demonstrationen der Opposition gegen das Regime zu unterdrücken versuchte.
"An manchen Tagen wurden zwischen 150 und 200 Menschen getötet. Allein in meiner Stadt. Ich habe es gesehen", sagt Mohammed. Ende Juni 2013 starteten Regierungstruppen und regimetreue Milizen eine Offensive, um den Rebellen die Kontrolle über mehrere Stadtteile zu entreißen. Dabei setzten sie Luftwaffe und Artillerie ein, um Schlüsselstellungen von Rebellentruppen zu zerstören.
Mohammed hat bei den Raketenangriffen seine Mutter verloren.
Er hat vier Brüder und vier Schwestern verloren. Er hat insgesamt 45 Familienangehörige verloren. "Können Sie sich das vorstellen?", fragt er.
Das Haus, in dem der junge Mann lebte, ist nur noch ein Haufen Steine. "Große Teile von Homs wurden dem Erdboden gleich gemacht", sagt Mohammed. Immer wieder hält er inne und sucht Worte. Er benutzt arabische Begriffe, die er nicht ins Englische übersetzen kann, um das Ausmaß der Zerstörung zu verdeutlichen.
Gefoltert und verstümmelt Vor dem Krieg war Mohammed ein "Salesman", ein Verkäufer. Er hat Hotels mit Möbeln versorgt und gut davon gelebt. Dann zerstörten die Bombardements seine Lebensgrundlage. Die vergangenen drei Jahre hat der 24-jährige mit dem Versuch verbracht, zu überleben und gesund zu bleiben.
Es sollte nicht gelingen: Im April 2012 kamen Soldaten des Regimes und holten ihn aus seiner Wohnung. Er hatte gegen den Machthaber Assad gesprochen und wurde verraten. "Sehen Sie sich meinen Daumen an. Das haben sie im Gefängnis getan", sagt Mohammed. Ein Stück des Daumenknochens an der rechten Hand fehlt, herausgesplittert. "Sie haben eine Tür dagegengeschlagen. Sie wollten, dass ich rede." Da Mohammed aber keine Verbindungen zu kämpfenden Rebellen hatte, hätte er keine Informationen liefern können. Einen Monat saß er im Kellerverließ, wurde verprügelt und gefoltert. Dann kaufte ihn seine Familie frei. Sonst, meint Mohammed, wäre er nicht mehr am Leben.
Er steht seitdem auf der schwarzen Liste der Regimetruppen, die im Mai dieses Jahres Homs eingenommen haben. Bis vor einem Monat versteckte sich Mohammed in einem Haus, das von den Bomben verschont worden war, vor den Truppen.
Die Flucht über den Libanon Er bekam etwas Geld zusammen, konnte sich für umgerechnet 500 Euro die Flucht leisten: Zuerst mit dem Auto in das Nachbarland Libanon. "Da brauchte ich kein Visum." Er reiste nach wenigen Tagen weiter: mit dem Flugzeug nach Kairo (Ägypten), über Land nach Algerien, nach Marokko und von dort per Motorboot nach Spanien. Dann kam er nach Trier in Deutschland, von dort in die zentrale Aufnahmestelle für Asylbewerber in Zirndorf und dann nach Zeil.
An der Karl-Link-Straße teilt sich Mohammed eine Wohnung mit einigen anderen Asylbewerbern. Er hat ein Zimmer mit Bett, Couch, einem Tisch und Kommoden für die Wäsche. Wenige Fächer sind gefüllt: "Ich habe nichts mitgenommen. Nur die Kleider am Körper", sagt er. Keine Bilder von der Familie, die er am liebsten nachholen würde.
Vor allem den 17-jährigen Sohn seiner Schwester, der kürzlich in Homs inhaftiert wurde. Aus dem gleichen Grund wie damals Mohammed: "Er hat etwas gegen Assad gesagt. Ein falsches Wort reicht, dann holen sie Dich. Dabei ist er doch noch ein Kind."
Der Krieg soll enden Was er sich für die Zukunft erhofft? "Ich will studieren und arbeiten", sagt er. Am liebsten wieder als "Salesman", so wie früher. Einen Deutschkurs wird er belegen und sein Englisch verbessern. "Wissen Sie, früher habe ich gut gesprochen. Aber im Krieg habe ich es vergessen", erklärt Mohammed ruhig.
Kein Lachen, keine Träne während des gesamten Gesprächs. Weder hebt noch senkt er seine Stimme. Er wirkt erschöpft, körperlich wie seelisch ausgemergelt. Er will nur, dass der Krieg endet. "Ich hasse das Kämpfen."