Als weiterer Schritt, so Lutz, müsse die Wahrnehmung in der Bevölkerung geändert werden. "Unsere Schulbuslinien sind öffentlich und werden so nicht wahrgenommen", sagt Schneider. "Die Haltestellen sollen erkennbar sein, die Fahrpläne sollen gelesen werden." Dafür werden die Busse und Haltestellen jeweils mit dem VGN-Logo versehen und leserliche Fahrpläne angebracht. Mit dem Mobilitätskonzept "läuft wahnsinnig viel an", sagt der Landrat. Beispiele: die Etablierung der Freizeitlinien "Burgenwinkel-Express" und "Express Nördlicher Steigerwald". Diese sollen nicht nur Touristen locken, sondern öffentliche Linien sein. Mobilitätstationen und E-Dorfautos sollen Lücken im Verkehrsnetz schließen. Es soll die grenzüberschreitende und -neutrale ÖPNV-Verbindung von Ebern nach Bad Rodach geben.
Keine Geisterbusse mehr
Schneider: "Ich hoffe, dass es dann auch angenommen wird. In der Vergangenheit haben wir die Erfahrung gemacht, dass Geisterbusse in der Gegend herumgefahren sind." Seit etwa 15 Jahren, so betont der Landrat, fahren keine Geisterbusse mehr durch den Landkreis. "Es könnte sein, dass die Leute einen leeren Bus sehen, der zum Beispiel auf der Rückfahrt ist", sagt Bengel. Wenn aber generell zu wenig Bedarf besteht, "dann mache ich eben einen Rufbus aus der Linie, und wenn ich merke, da fahren doch fünf bis sechs Leute mit, dann wird wieder eine Linie draus", erklärt der Busunternehmer.
Mehr zum Thema Mobilität: Wie wirkt sich im Landkreis Haßberge das Umweltbewusstsein auf die Reiseplanung aus?
Schon jetzt gibt es flexible Angebote wie Rufbusse. Werden sie genutzt? Bengel: "Gar nicht." Das mag daran liegen, führt er fort, dass die Bürger eine gewisse Bequemlichkeit erreicht haben. "Oft kommt auch der Spruch, dass die Tickets zu teuer sind", meint die Sachgebietsleiterin. In der Tat sind fünf Euro einfach für die Strecke Haßfurt-Oberschleichach ein Happen.
Während die Buslinie weiter ausgebaut wird, sehnen sich manche Bürger ihren alten Bahnhalt zurück. Aus Obertheres etwa kämen häufig Reaktivierungsanfragen, wie der Landrat bestätigt. "Ich denke, die Verbindung muss da sein, ob die nun mit dem Bus ist oder mit der Bahn, ist, glaube ich, nicht die entscheidende Frage", sagt er. Eher sollte man darüber nachdenken, wie die Busse betrieben werden und in welchem Takt. Zudem fahren Busse auch die Orte an, die früher keine Bahn-Anbindung hatten.
Mitfahrangebote werden geprüft
"Macht doch einfach eine Mitfahr-App, bei der man sich anmeldet und Fahrer und Mitnehmer kommunizieren können", schlägt Facebook-Nutzer Rudi vor. Ulrike findet, dass in jedem kleinen Ort Mitfahrbänke aufgestellt werden sollten. Der Landrat erklärt dazu, dass die Kommunen für die Mitfahrbänke zuständig sind. "Das ist Individualverkehr. Ich glaube, wenn jemand darauf sitzt, wird er mitgenommen. Aber ich habe von Maroldsweisach aus nach Haßfurt noch nie jemanden sitzen sehen." Den würde er sogar mitnehmen. Generell seien die Mitfahrbänke als Ergänzung zum ÖPNV kein Fehler.
Zum Thema Mitfahr-App fällt dem Landrat das Anrufsammeltaxi-Projekt von 2003 ein. Im Schnitt hätten das 1,2 Personen genutzt, so die ernüchternde Bilanz. Natürlich ist seitdem viel Zeit vergangen, räumt Schneider ein. Vielleicht ist es nun erfolgreich? "Wir haben es schon einmal andiskutiert in Verbindung mit einer App, aber das ist teuer", sagt er. Nicht nur die Technik, auch die Bereitstellung von Taxiunternehmen. "Man kann schon etwas pilotieren, aber man muss damit rechnen, dass es funktioniert und finanzierbar ist." Für den Kreis wären das Beträge in Millionenhöhe. "Ich bin skeptisch, dass wir das finanziell schultern können." Dennoch möchte er es nicht ausschließen, so ein Angebot kleinräumig zu testen.
"Fahrdienste werden generell wenig genutzt", sagt Lutz. So wurde etwa der Discobus nach 22 Jahren eingestellt. Immer wieder wird aber der Landrat nach eigenen Aussagen darauf angesprochen, warum es kein Mitfahrangebot gibt. "Da antworte ich immer, dass doch seit 2010 eine Mitfahrzentrale besteht."
Mehr aktuelle Geschichten aus dem Kreis Haßberge: Ein zweites Leben in der Brust - Wie eine Organspende Harald Schüler rettete
Schneider appelliert: "Wenn die Bürger schon etwas bemängeln, dann sollen sie das Angebot auch wahrnehmen und annehmen." Dabei solle man im Hinterkopf behalten, dass nicht jeder Wunsch erfüllt werden könne und, dass die Angebote auch eine gewisse Wirtschaftlichkeit haben müssen. "Wir reden hier schließlich um viel Geld und Steuergeld", so der Landrat.
46 Prozent der Befragten bewerteten die Versorgung mit öffentlichen Nahverkehr im Kreis als sehr schlecht.
VVM-Beitritt ab 2023
Erweiterung Die Notwendigkeit des Beitritts zum Main-Franken-Verbund (VVM) sieht Landrat Wilhelm Schneider. "Mancher wünscht sich mehr Verbindungen, die nicht an den Landkreisgrenzen aufhören: Wir sind ja ein Brückenlandkreis, wir haben Auspendler nach Bamberg, Forchheim und Nürnberg, wie ebenso nach Schweinfurt und Würzburg." Richtung Osten sei der Landkreis als Vollmitglied in der Verkehrsverbund Großraum Nürnberg (VGN) abgedeckt, doch in Richtung Westen zum VVM-Gebiet nicht.
Ticket Das betreffe auch viele Schüler: "Ab heuer wird fürs neue Schuljahr wahrscheinlich das 365-Euro-Ticket eingeführt. Das gilt aber nur in Verkehrsverbünden." Zwar befinden sich 80 bis 85 Prozent der Schüler in VGN-Gebiet, aber die Schüler, die in Richtung Schweinfurt wohnen, können das Ticket nicht nutzen. "Wir sind gerade dabei, dem Main-Franken-Verbund beizutreten. Die ersten Schritte sind getan, 2023 soll dann die Umsetzung folgen", sagt er. Das sei "auch noch nicht das Gelbe vom Ei". "Ich stelle mir vor, dass wir irgendwann einen bayernweiten Verbund haben."
Kontakte Die Mitfahrzentrale ist im Internet erreichbar unter has.mifaz.de.
Die Rufbusnummern finden sich in der Regel an den Haltestellen und bei den jeweiligen Linienbetreibern. Ein Anruf lohnt. Am besten mal ausprobieren.
Kritik und Wünsche im Diskussionsforum
Die FT-Facebookgruppe "Was braucht der Landkreis Haßberge?" wächst. Und immer mehr neue, unterschiedliche Forderungen an den Landkreis werden laut.
Engstelle Sylbach Talstraße
So schreibt Nutzer Holger: "Wir bräuchten eine sinnvolle Lösung für die Engstelle in der Talstraße in Sylbach. Eigentlich sollte dort immer ein Fahrzeug warten, und dadurch den Verkehr beruhigen. Aber leider warten viele nicht, und wenn es etwas zu knapp wird, wird einfach auf den Gehsteig ausgewichen." Daher sei dort eine sehr gefährliche Stelle, hauptsächlich für Fußgänger, geschaffen worden. "Ich bin der Meinung es gehört dringend etwas geändert." Daraufhin antwortet Thomas: "Die Talstraße ist eh ein Problemfall, wenn ich dran denke, wie viele Autos mit deutlich überhöhter Geschwindigkeit früh an der Bushaltestelle beziehungsweise den Schulweg der Grundschüler vorbeibrettern, wird mir Übel. Ein Wunder dass es hier noch keine Unfälle gegeben hat."
Mülltrennung im Gymnasium fehlt
Ein anderes Thema spricht Marianne im Forum an, die erfahren hat, dass im Haßfurter Gymnasium noch kein Müll getrennt wird. "Seit Jahren wird jeder Bürger dazu (zu recht) erzogen, seinen Müll zu trennen und zu den Wertstoffhöfen zu bringen... und bei unseren Kindern fangen wir damit nicht an? Für mich unverständlich!", schimpft sie. Gruppenmitglied Ulrike stimmt ihr zu: "Genau. Jahrelang trennten wir akribisch und jetzt das Chaos fast alles rein. Dann findet man nicht mal einen Glascontainer, denn das darf nicht in die gelbe Tonne. So wie es mit den Glascontainern gehandhabt wird sehr unbefriedigend." Die Kritik an die Einführung der Gelben Tonne wird laut.
Kleine Orte nicht vergessen
Sibylle fordert: "Die kleinen Dörfer nicht komplett vergessen! Es gibt in der Region viele kleine und kleinste Dörfer, die ein trauriges Dasein fristen. Sie sind oft wenig beachtet von der Kommunalpolitik, haben nicht einmal einen Vertreter im Gemeinderat und werden auch von der eigenen Bevölkerung nicht sehr gut behandelt..." Dabei bieten die Ortschaften eine sehr hohe Lebensqualität. Umso trauriger für Sibylle: "sogar die Basics wie sauberes Wasser oder Internet fehlen hier."
Der Fränkische Tag greift polarisierende Beiträge auf und macht sie zum Thema. Auch in den nächsten Wochen nehmen wir einiges unter die Lupe.