Nicht bis zum letzten Kieselstein in Sand abbauen!

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Das Maintal mit Blick auf Sand: Links liegt das aktuelle Sand- und Kiesabbaugebiet. Rechts neben der Wasserfläche befindet sich das Gelände für die beantragte Ausbeute. Im Vordergrund sind gewerbliche Gebäude von Zeil zu sehen und wie ein grünes Band zieht sich der Main von links nach rechts durch das Bild. Foto: Klaus Schmitt
Das Maintal mit Blick auf Sand: Links liegt das aktuelle Sand- und Kiesabbaugebiet. Rechts neben der Wasserfläche befindet sich das Gelände für die beantragte Ausbeute. Im Vordergrund sind gewerbliche Gebäude von Zeil zu sehen und wie ein grünes Band zieht sich der Main von links nach rechts durch das Bild.  Foto: Klaus Schmitt

Die Gemeinde Sand will die weitere Gewinnung von Sand und Kies auf 20 bis 25 Hektar unbedingt vermeiden.

Ein "spannendes Thema", das nicht nur die Anlieger, sondern alle Sander betrifft, hatte die Gemeinde nach den Worten ihres Bürgermeisters Bernhard Ruß (SPD) auf die Tagesordnung der Bürgerversammlung gesetzt. Rund 80 Bürger kamen am Donnerstagabend in den Saal des Gasthauses Goger und diskutierten zwei Stunden über die beantragte und umstrittene weitere Sand- und Kiesausbeute in der Gemarkung Sand. Und die Meinung ist eindeutig: Mit teils drastischen Worten lehnten die Sander den Sand- und Kiesabbau ab. Ihr Hauptargument: Sie befürchten eine Verschärfung der Hochwassergefahr, und diese Situation wollen Gemeinde und Bürger unbedingt vermeiden. Bürgermeister Ruß wertete die Haltung der Bürger in der Versammlung als einen "klaren Auftrag" und "ein Signal für mich", alles dafür zu tun, dass der Antrag der Firma von den zuständigen Behörden abgelehnt wird.


Nicht im
Regionalplan

Bereits vor über 20 Jahren hatte die Gemeinde darauf hingewirkt, dass die jetzt beantragte Abbaufläche, die in der Nähe des Mains neben bestehenden Ausbeutezonen liegt und fast bis an die Straße Sand-Zeil heranreichen würde, aus dem Regionalplan Main-Rhön als Vorrang- oder Vorbehaltsflächen für die Rohstoffgewinnung herausgenommen wird. "Wir wollten die Kiesausbeute beendet haben", nannte der Bürgermeister als Motiv für das damalige Vorgehen. Und die Argumente gelten bis heute, vielleicht sogar noch mehr, meint er. "Muss das letzte Sandkorn aus dem Boden gepresst werden?", fragte Bernhard Ruß. Sand habe eine Gemarkung mit 1300 Hektar, die bereits auf 80 Hektar eine Wasserfläche sei. Rechne man die Autobahn und die große Stromleitung hinzu, die über Sander Gebiet führen, könne man sagen, dass Sand genügend für die Allgemeinheit tue. Die Frage müsse erlaubt sein: Wo sind die Grenzen?


1,75 Millionen Kubikmeter

Die ortsansässige Firma Dotterweich hat beantragt, Sand und Kies auf weiteren 20 bis 25 Hektar zu gewinnen. Das zu bewegende Erdvolumen liegt bei rund 1,75 Millionen Kubikmeter. Wirtschaftliche Gründe führt das Unternehmen an und weist darauf hin, dass die Vorräte an Sand und Kies auf dem derzeit ausgebeuteten Areal nur noch etwa zwei Jahre reichen.

Für die Gemeinde und die Bürger sind die Argumente der Firma nicht stichhaltig und vor allem nicht überzeugend. Die Gemeinde lehne die weitere Sand- und Kiesausbeute unter anderem wegen des Verlusts an landwirtschaftlichen Flächen und wegen des Wegfalls von Vegetation ab, nannte Bürgermeister Bernhard Ruß zwei Gründe. Der wichtigste Grund ist aber der Hochwasserschutz.

Die Gefahr von Überflutungen sehen die Gemeinde und die Bürger durch das neue Abbaugebiet als verschärft an. Sand wird von Hochwasser immer wieder gebeutelt. Vor allem die Bürger im Ortsteil "Wörth" sind betroffen. Das Hochwasser steigt mitunter auf solche Pegelstände, dass dieser Ortsteil komplett abgetrennt wird.

In ihrem Antrag hat die Abbaufirma einen Trenndamm vorgesehen, der nach ihrer Ansicht Hochwasser vom Ort fernhält. Die Gemeinde und die Bürger sind anderer Ansicht: Sie glauben, dass dieser Damm, sofern er überhaupt eine Wirkung hat, die Hochwasserlage eher verschlimmert. Und: Durch den geplanten Abbau würden Bodenerhebungen auf der Ausbeutefläche weggenommen, die bisher einen natürlichen Schutz vor dem Hochwasser darstellen, betonte Ruß.

In ihrer Stellungnahme für die zuständigen Behörden will die Gemeinde laut Bürgermeister den Hochwasserschutz detailliert und akzentuiert vortragen. "Das ist ein Punkt, bei dem man keine Kompromisse eingehen kann", sagte der Bürgermeister. "Am Hochwasserschutz lassen wir nicht rütteln. Es geht um das Hab und Gut der Menschen", sagte er.


Eindeutige Redebeiträge

Die Bürger pflichteten ihm bei. "Was da geplant ist, ist eine Sauerei", schimpfte Alfred Weiß und beklagte, dass bei Hochwasser immer wieder die Keller volllaufen. Wer wolle da noch wohnen?, fragte er. "Wir müssen mit allen Mittel versuchen", die geplante Ausbeute zu verhindern, sagte er.

"Vorrangig ist der Schutz der Bürger", erklärte Arnold Mühlfelder. Er appellierte an die Sander, so viele Stellungnahmen wie möglich gegen das geplante Vorhaben vorzulegen. "Jeder einzelne Einwand, der von Bürgern kommt", sei wichtig, pflichtete ihm Mark Werner bei. Er ist der Sprecher der Bürgerinitiative "Sand bleibt!", die sich gegen den Sand- und Kiesabbau wendet. Er sagte: "Man kann für Sand- und Kiesabbau sein. Aber man kann nicht dafür sein, dass die Anwohner eine schlechtere Hochwassersituation haben."

Ein weiterer Abbau von Sand und Kies "ist nicht mehr tragbar", unterstrich Rudi Ruß, der Ortsobmann des Bayerischen Bauernverbandes. Er befürchtet durch den Abbau den Verlust von weiteren Landwirtschaftsflächen. Rudi Ruß erinnerte an frühere Stellungnahmen seines Verbandes, die sich gegen den Sand- und Kiesabbau wenden.


Was machen die Besitzer?

Die Bauern und weitere Grundstücksbesitzer sind die, die die Rohstoffgewinnung verhindern könnten. Wenn sie ihr Land nicht an das Unternehmen verkaufen, gibt es keine weitere Sand- und Kiesausbeute. Ganz so einfach ist es aber nicht. Bürgermeister Bernhard Ruß weiß, dass es "unterschiedliche Interessen" gibt. Wer verkauft, kann gutes Geld verdienen, wer nicht verkauft, kann den Rohstoffabbau verhindern.

Am Tag vor der Bürgerversammlung hatte in Sand eine Versammlung der Landwirte stattgefunden, organisiert vom Bauernverband. Laut Rudi Ruß nahmen 15 Personen teil. Allerdings konnte der Bauernobmann nicht sagen, wie sich die Landwirte verhalten werden. "Ich habe nicht gefragt. Ich weiß es nicht", gestand er.

Es sind über 30 Grundstücke in dem Gebiet. Etwa ein Drittel, so war zu erfahren, wird von den Besitzern (Bauern) selbst bewirtschaftet. Etwa zwei Drittel besitzen dort Grund, bewirtschaften ihn aber nicht, teilweise wohnen Grundstücksbesitzer gar nicht in Sand. Laut Rudi Ruß geht die Tendenz dahin, dass die Landwirte, die selbst ihre Flächen dort bewirtschaften, eher nicht verkaufen wollen. Und die anderen? Die Frage ist offen.

Sicher ist, dass die Gemeinde Sand, die einen Weg im geplanten Abbaugebiet besitzt, diesen Weg nicht hergeben wird. Ebenso will die Stadt Zeil mit einem anderen Weg verfahren, der sich auf der Zeiler Gemarkung ebenfalls auf dem Gelände befindet.


Wie geht es weiter?

Herr des Verfahrens zu dem beantragten Sand- und Kiesabbau in Sand ist das Bergamt bei der Regierung von Oberfranken in Bayreuth. Die Gemeinde Sand geht aber davon aus, dass diese Behörde ihre Entscheidung zum Antrag des Unternehmens nur im Einklang mit der Regierung von Unterfranken fällen wird.

Derzeit liegen die Pläne bei der Gemeinde aus und können im Internet eingesehen werden. Bis 8. August läuft die Auslegung. Bis 22. August können Bürger Stellung nehmen.

Der Bauausschuss der Gemeinde befasst sich vor dem Gemeinderat mit dem Thema. Erarbeitet wird eine Stellungnahme, die mit dem Siedlerverein, Bauernverband und der Bürgerinitiative abgestimmt werden soll. Am 23. August tagt der Sander Gemeinderat und gibt in der Form eines Beschlusses eine Stellungnahme ab.


Kommentar von Klaus Schmitt

Heute mit besseren Karten

Bei der Bürgerversammlung in Sand nahmen einige Redner kein Blatt vor den Mund und schimpften auf die Kies- und Sandbranche, die sich auf Kosten der Allgemeinheit die Taschen vollmache. Solche Aussagen sind nicht neu. Schon vor etwa 30 Jahren prangerten Kommunalpolitiker das Gebaren der "Kiesbarone" an, die das Maintal ausbeuteten.

Eines hat sich aber geändert. Die Unternehmen konnten sich damals darauf berufen, dass die Sand- und Kiesgewinnung im Maintal als ein Ziel der örtlichen Politik im Regionalplan mit Vorrang- und Vorbehaltsflächen verankert war. War eine Fläche einmal als solche ausgewiesen worden, gab es so gut wie keine Möglichkeiten mehr, die Rohstoffgewinnung zu verhindern. Diesmal ist es anders. Das Gebiet, um das es jetzt geht, ist keine Vorbehalts- oder Vorrangfläche mehr. Sie ist bereits Ende der 1990er Jahre auf Betreiben der Gemeinde Sand aus der Regionalplanung herausgenommen worden. Es gab damals schon gute Argumente für einen solchen Schritt, und warum sollten die jetzt nicht mehr gelten? Oder anders gesagt: Sie sollten jetzt in Zeiten eines gewachsenen Ökologie-Bewusstseins noch mehr Bedeutung haben. Ganz abgesehen von dem starken Argument des Hochwasserschutzes.

Dass die Sander jetzt komplett den weiteren Sand- und Kiesabbau ablehnen, trägt aber auch noch andere Winkelzüge. Jetzt will eine Firma, die zwar in Sand sitzt, aber kein einheimisches Unternehmen ist, die Rohstoffe aus dem Boden holen. Früher war das eine Sander Firma, die viele Arbeitsplätze vor Ort angeboten hat und die die Fußballer unterstützt hat. Da fiel es nicht so leicht, nein zu sagen. Örtliche Verflechtungen und Vorteile einzelner sind jedenfalls nicht zu unterschätzen.