Die Flüchtlingskrise erreichte vor drei Jahren ihren Höhepunkt. Auch der Landkreis musste sich auf die Situation einstellen. Wie war es damals, wie heute?
Die neue Situation stellt uns vor eine weitere Herausforderung. [...] Ein erstes Kontingent von bis zu 200 Personen wird Anfang der nächsten Woche im Landkreis eintreffen. Mit diesen Zeilen wendete sich Landrat Wilhelm Schneider (CSU) im August 2015 an die Mitarbeiter im Haßfurter Landratsamt. Worum es ging? Die Flüchtlingswelle. Der Landkreis wurde, im Zuge des landesweiten Notfallplans, aufgerufen, Notaufnahmeeinrichtungen bereitzustellen. Das bedeutet, dass neben den dezentralen Unterkünften, die wir bisher schon unterhalten, ab sofort größere Gruppen von Asyl suchenden Menschen aufzunehmen sind. Kurzerhand wurden aus den Turnhallen Ost und West am Schulzentrum Haßfurt Erstaufnahmeeinrichtungen.
Zu Spitzenzeiten, so Pressesprecherin Monika Göhr, waren dort bis zu 120 Menschen untergebracht. Insgesamt kamen, von der ersten Ankunft der Flüchtlinge am 18. August 2015 bis zur Rückgabe der letzten Notunterkünfte am 31. Juli 2016 rund 700 Menschen in den Landkreis.
Wie war es damals?
"Schwierig wurde es ab Mitte September 2015", berichtet Dieter Sauer vom Landratsamt. Der Notfallplan ging von einer provisorischen Unterbringen für bis zu sechs Wochen aus. "So hatten wir hier auch geplant. Wir als kleiner Landkreis hatten 240 Plätze an die Regierung von Unterfranken gemeldet." Die Platzzahl wurde im September auf 300 aufgestockt, dann "ging es wirklich sehr eng zu." Neben den Grundbedürfnissen wie Nahrung und Hygiene musste auch an die medizinische Versorgung gedacht werden.
Die Neuankömmlinge wurden direkt ins Gesundheitsamt gebracht. Ansonsten habe es keine Sicherheitsprobleme gegeben: "Die absolute Mehrheit der Flüchtlinge waren freundliche und vernünftige Menschen." Um das Klima aufrechtzuerhalten und Missverständnisse vorzubeugen halfen Betreuer mit Fremdsprachenkenntnissen. "Die bekannteste dieser Betreuerinnen war Siza Zaby", sagt er. Die heutige Integrationslotsin stammt selbst aus Syrien und war von Anfang zur Stelle: "Als die Menschen dann gleich in Bussen kamen, habe ich funktioniert, wie man so schön sagt. Es war da wenig Zeit zum Nachdenken", sagt sie.
Hohe Erwartung, viele Probleme
Die Syrer seien überrascht gewesen, "dass ausgerechnet in Haßfurt jemand da ist, mit dem sie sich in ihrer Muttersprache unterhalten können". Oft musste sie ihnen nach der Ankunft die hohen Erwartungen an Deutschland nehmen. "Ich hatte natürlich auch die sozialen Medien in arabischer Sprache verfolgt und wusste, was da zum Teil für ein Unsinn über Deutschland erzählt wurde. Die allermeisten sind aber schnell auf dem Boden der Tatsachen angekommen."
Vor allem, so Zaby, benötigten die Flüchtlinge Beistand und Trost, denn sie hatten "schlimme Erinnerungen und zum Teil tiefgreifende persönliche Probleme". Von rührenden bis zu erschreckenden Geschichten sei alles dabei gewesen.
So erzählt eine Asylbewerberin von der Flucht mit ihren vier Töchtern im Alter zwischen neun Monaten und sechs Jahren. Jedes Geräusch hätte den Tod bedeutet können. Sie gab ihnen deshalb zwei Tage lang Schlaftabletten - was ebenfalls zum Tod hätte führen können. Auf dem Boot angekommen musste sie dann zwei ihrer Töchter in die Obhut fremder Männer geben, da sie nicht alle festhalten konnte. Dennoch fielen sie ins Meer, konnten aber gerettet werden. Das Gefühl, als Mutter versagt zu haben, habe sie fast umgebracht. Die Erinnerungen daran lassen sie bis heute nicht los.