Das Jugendgericht am Haßfurter Amtsgericht stellte ein Verfahren wegen Körperverletzung gegen einen 20-Jährigen ein. Der Angeklagte konnte sich an nichts mehr erinnern, und das Opfer erschien nicht zur Verhandlung.
Alle Blicke richteten sich auf die Tür des Verhandlungssaals im Amtsgericht Haßfurt. Kommt er noch, oder kommt er nicht? Er kam nicht, der einzige Zeuge, der in einem Fall von vorsätzlicher Körperverletzung geladen war.
Verhandelt wurde trotzdem. Aber nicht lange, dann wurde das Strafverfahren gegen eine Geldauflage eingestellt.
Angeklagt war ein 20-jähriger Handwerker aus dem Landkreis Haßberge. Er soll Ende November vergangenen Jahres in einer Diskothek in Bad Neustadt im Kreis Rhön-Grabfeld morgens gegen 4 Uhr einem 28-Jährigen dreimal mit der flachen Hand auf die Nase geschlagen haben. Der Ältere wurde dabei verletzt.
Der junge Angeklagte konnte sich an nichts mehr erinnern. "Die Hälfte des Abends weiß ich gar nichts mehr", sagte er am vor dem Jugendgericht des Amtsgerichts. Schuld war der Alkohol. Drei Flaschen Bier will der 20-Jährige getrunken haben und danach Wodka.
Wie viel genau? Auch das wusste er nicht mehr. "Auf jeden Fall viel", räumte er ein.
An die Auseinandersetzung mit dem 28-Jährigen konnte er sich ebenfalls nicht mehr erinnern. "Meine Kumpels haben mir alles am nächsten Tag erzählt", schilderte er. Und: Hat der Angeklagte zugeschlagen?, wollte der Richter Martin Kober wissen. "Ich kann's mir nicht vorstellen", antwortete der Angeklagte, der versicherte, dass er normalerweise nicht so viel trinke. Warum er in jener Nacht im November offenbar Unmengen von Alkohol konsumiert hatte, wusste er ebenfalls nicht mehr.
Licht in das Dunkel des Vorfalls in der Diskothek im Nachbarlandkreis hätte die Aussage des Opfers bringen können.
Aber der Zeuge kam nicht zur Verhandlung nach Haßfurt.
Diesen Umstand und die Tatsachen, dass das Opfer keine zivilrechtlichen Ansprüche geltend gemacht hat und sich auch die Krankenversicherung nicht gerührt hatte, veranlassten den Verteidiger des Angeklagten, Rechtsanwalt Tilman Fischer, zu einem Vorstoß. Man könnte doch, da der ganze Vorfall nicht so schlimm gewesen sei, an eine Einstellung des Verfahrens denken, schlug der Jurist vor.
Der Staatsanwalt und Richter Kober schienen damit einverstanden zu sein. Allerdings, so mahnte Martin Kober, müsste dann etwas mehr vom Angeklagten kommen - etwas, das in Richtung Geständnis geht.
So geschah es dann auch. Nach einer kurzen Beratung des Anwalts mit seinem Mandanten und dessen Mutter erklärte der Verteidiger für den Angeklagten: "Mein Mandant meint zwar, dass er es nicht war.
Er kann es aber auch nicht ausschließen."
Richter Martin Kober stellte das Strafverfahren gegen eine Geldauflage in Höhe von 600 Euro gegen den 20-Jährigen ein. Zu zahlen ist die Summe an den Jugendhilfefonds Haßberge. Hat der Angeklagte das Geld bezahlt, ist der Fall für ihn endgültig aus der Welt.
Zur Einstellung des Verfahrens wurde das Jugendgericht auch dadurch ermutigt, dass der Angeklagte bisher strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten ist. Und: Der junge Mann ist, wie die Jugendgerichtshilfe des Jugendamtes Haßberge bestätigte, beruflich, familiär und sozial vollkommen integriert.