Deutsche und Brasilianer auf einem Sofa

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Deutschland- und Neymar-Trikot wie die Fahnen beider Heimatländer liegen bereit: Iris, Valdinez und Oliver Dünisch (von links) stehen für deutsch-brasilianische Freundschaft, aber auch fußballerische Konkurrenz.
Deutschland- und Neymar-Trikot wie die Fahnen beider Heimatländer liegen bereit: Iris, Valdinez und Oliver Dünisch (von links) stehen für deutsch-brasilianische Freundschaft, aber auch fußballerische Konkurrenz.
Georg und Sonia Strehl vor einem schon etwas verblassten Bild von Sonias Elternhaus in Belo Horizonte. Fotos: Ralf Kestel
Georg und Sonia Strehl vor einem schon etwas verblassten Bild von Sonias Elternhaus in Belo Horizonte. Fotos: Ralf Kestel
 
Klaus Gockler
Klaus Gockler
 

In Ebern leben zwei deutsch-brasilianische Ehepaare. Bei beiden hängt der Haussegen aber nicht schief, wenn im Halbfinale zum Aufeinandertreffen ihrer Heimatländer kommt. Wir haben sie besucht und noch dazu einen WM-Besucher aus Kirchlauter befragt, der bei zwei Spielen der deutschen Mannschaft im Stadion gewesen ist.

Entzweit die Fußball-Weltmeister Ehepaare? Es gibt Fälle, da werden schon Fernseher in unterschiedlichen Zimmern (mit unterschiedlichen Programmen) aufgestellt. Und wie sieht dies bei Paaren mit unterschiedlichen Herkunftsländern aus? Hängt da der Haussegen schief? Wir haben zwei in Ebern lebende deutsch-brasilianische Ehepaare vor dem WM-Halbfinale nach deren Stimmungslage befragt.

Sonia und Georg Strehl sitzen am Dienstagabend gemeinsam im heimischen Wohnzimmer im Wichernweg in Ebern vor der Mattscheibe - und sehen dem brisanten Derby gelassen entgegen. "Ich lebe ja schon 38 Jahre hier und bin eine halbe Deutsche", sagt Sonia, früher Dozentin an der Universität in Belo Horizonte, einem der Austragungsort der WM-Spiele.
"Wir verfolgen beide mit Freude und Interesse die WM, Fußball ist doch der schönste Sport, den es gibt", freut sich Sonia.

Kennen gelernt hat sich das Paar in Schottland, als Georg Strehl (67) an einer Schule unterrichtete und Sonia in Nottingham studierte. An einem Feiertag hatten beide die gleiche Idee zu einem Trip nach Edinburgh, wo sie sich in einem Hotel kennen lernten.

Brasilianerin setzte auf Löw-Team

Beim Tipp zeigen sich aber doch Unterschiede. Einig sind sich die Ehepartner, dass "eine Vorhersage schwierig" sei, weil beide Mannschaft sehr ausgeglichen besetzt sind. Aber dann gehen die Meinungen auseinander. Während der Gymnasiallehrer im Ruhestand auf einen Sieg für Brasilien setzt, weil "die mit mehr Leidenschaft zu Werke gehen", spekuliert die Ehefrau auf einen 2:1-Sieg für Deutschland, weil "unser bester Spieler ja nicht dabei sein kann".

Ganz und gar nicht wie ein Philologe analysiert Strehl treffend: "Aber wir haben ja auch noch einen Neuer, aber wenn Brasilien in Schwung kommt, spielen sie begeisternden Fußball."

Die Strehls haben noch Verwandtschaft in Brasilien, Besuche finden aber kaum noch statt. Ein anderer "Brazil", Bertram Wolgien (65), der seit Jahrzehnten in Ebern lebt, weiß über seine Heimat: "Wenn Brasilien spielt, brauchst Du dort nicht anzurufen. Da ist Feiertag und keiner arbeitet."

Mitgefiebert wird auch im Hause Montóia-Dünisch in der Coburger Straße, wo der Leiter der Schreinermeisterschule, Oliver Dünisch, mit seiner aus Manaus, einem weiteren WM-Spielort, stammenden Frau wohnt. "Unbedingt" werde man sich das WM-Halbfinale gemeinsam im Wohnzimmer anschauen.

Grenze im Wohnzimmer

Aber dort wird sich eine Grenze auftun: "Meine Frau und Tochter Iris (11) setzen auf Brasilien, ich und unser Sohn drücken für Deutschland die Daumen", blickt Dünisch voraus. Und gibt zu: "Bei der WM 2002 gab es diese Konstellation ja im Finale und wir waren damals in Brasilien, da habe ich schon gelitten."

Kennen gelernt haben sie sich auch im Heimatland von Valdinez Montóia (41), wo der Diplomholzwirt und Privatdozent Dr. Oliver Dünisch (49) im Auftrag der Uni Hamburg arbeitete. Seit elf Jahren leben sie zusammen in Deutschland, seit acht Jahren in Ebern.

Während Ehefrau und Tochter auf ein 2:1 für Brasilien tippen, befürchten Vater und Sohn eine deutsche 2:3-Niederlage nach Verlängerung. "Trotz aller Sympathien für die Löw-Truppe, aber der Heimvorteil wird den Ausschlag geben ", sieht Oliver Dünisch den Rückschlag kommen. Andersherum schwant auch Valdinez noch Böses: "Deutschland ist leider sehr gefährlich. Und wenn bei Brasilien etwas nicht gleich so funktioniert, verlieren sie schnell das Konzept."

WM-Stimmung schon live eingefangen hat Klaus Gockler (57) aus Kirchlauter. Zusammen mit Sohn Christoph und Schwiegersohn Jens (aus Heubach) flog er für gut eine Woche nach Südamerika. "Das war der absolute Traum, die Stimmung ist bombastisch", schwärmt der einstige FTE-Geschäftsführer, der jetzt in leitender Funktion bei einer Firma in Bad Neustadt tätig ist.

Bei zwei Spielen im Stadion

"Ich war ja geschäftlich schon oft in Brasilien , aber man bekommt einen ganzen anderen Eindruck von dem Land, wenn man nicht nur Business-Leuten zusammen trifft. Und das waren absolut angenehme Impressionen. Alle friedlich und freundlich", bilanziert Gockler über seine Familien- und Privatreise, die ihn von Frankfurt aus, nach Sao Paulo, Salvator, Fortaleza und über Rio de Janeiro zurück nach Frankfurt führte. Viele Flugkilometer, aber für einen Flug- und Workaholic kein Problem.

Zwei Spiele der deutschen Mannschaft besuchten die Gocklers. "Die Karten hatte ich schon vorher über den Fanclub Nationalmannschaft, dem ich angehöre, besorgt", erzählt der 57-Jährige. "Das Spiel gegen Portugal war natürlich wunderbar, und auch die Partie gegen Ghana höchstinteressant. Das ist schon etwas Anderes, wenn Du als Zuschauer bei 35 Grad und 85 Prozent Luftfeuchtigkeit im Stadion sitzt und schon wegen des Anmarsches fertig bist. Da erkennt man erst, was die Spieler da unten leisten. Das sieht daheim auf dem Sofa beim zweiten Bier schon ganz anders aus."

Zwischen den Spielen gab es jede Menge netter Begegnungen. "Wir trafen mit Israelis, Schweizern und Leuten aus vielen anderen Ländern zusammen, alles total international und total entspannt. Dabei haben wir einen Russen kennen gelernt, der ist nur zu dem Spiel, das sie in der Verlängerung mit 1:2 verloren, eingeflogen, und danach wieder zurückgereist, ohne eine Übernachtung." Das ringt sogar einem Vielflieger und Weltenbummler Respekt ab.

Oliver Dünisch über die Gockler-Berichte: "Es freut uns sehr, wenn man hört, dass es in Brasilien so gut läuft."