Jung-Landwirt Christoph Fösel baut Kartoffeln, Zwiebeln, Möhren und Knoblauch an. Ohne Spritzen. Für "bio" braucht es die richtige Einstellung im Kopf.
Man könnte sagen, es war ein Schlüsselmoment: Nachdem ihm Spritzmittel über die Hand gelaufen war, bekam Christoph Fösel einen Ausschlag. Und fragte sich, was solche Chemie eigentlich auf seinem Feld anrichtet. Aber genau genommen, gab es viele kleine Schritte und Momente, die ihn dazu brachten, die Landwirtschaft des Onkels ohne Chemie zu betreiben. Heute liefert der 30-Jährige aus dem Eltmanner Stadtteil Limbach Kartoffeln, Zwiebeln, Möhren und Knoblauch an den Eltmanner Bioladen, an Tegut, den Weiki-Hof und auch benachbarte Kindergärten. 2012 stellte er die kleine Nebenerwerbslandswirtschaft um, inzwischen ist er von dem angesehenen Bioland-Verband zertifiziert.
Christoph Fösel ist im Hauptberuf Landschaftsgärtner, den Landwirt-Gesellen machte er an der Abendschule. Seine "Tutoren" sind, wenn man so will, die beiden Ur-Biobauern in Limbach, Luitgard und Manfred Schmitt. Mit dem Hof der Familie Schmitt verbinden Christoph Fösel nicht nur Kindheitserinnerungen, schon als Bub hat er hier mitgeholfen, inzwischen haben die beiden auch eine "Futter-Mist-Kooperation". Das heißt, sie helfen sich gegenseitig, der Rinderhaltungsbetrieb und der Gemüsebauer. Jeder kann vom anderen etwas gebrauchen, auch wenn die Schmitts freilich für ihre 60 Tiere das meiste selbst auf dem Hof erwirtschaften. Aber gutes Kleegras mögen Milchkühe immer.
Stallmist und Mulchen
Das liefert der junge Bauer. Er hingegen bekommt von den Schmitts den Rindermist. Wie in den frühesten Tagen der Landwirtschaft bis heute lebensnotwendig.
Der Bio-Gemüsebauer greift nicht wie der konventionelle Bauer auf chemischen Dünger oder Spritzmittel zurück, dieser Weg ist ihm verwehrt. Christoph Fösel wendet die klassische Fruchtfolge auf den Feldern an und dazu mechanische Bearbeitung. "Wenn man das Unkraut nicht in den Griff bekommt, wird die ganze Ernte nichts", sagt er.
Vor allem aber hält er damit ohne Chemie Pflanzen- und Bodenkrankheiten sowie die Schädlinge auf dem Feld in Schach. Das Wechselspiel von Wetter, Bodenbeschaffenheit und Pflanzenwachstum ist eine Philosophie für sich, wird manchmal schon auch zum Glaubenskrieg. Die Theorie lernt der Landwirt, in der Praxis muss er Faktoren wie das Wetter und die Bodenbeschaffenheit abwägen und im richtigen Moment die richtige Entscheidung treffen. Zu früh ausgesät, und es gibt Frost? Dann ist das teure Saatgut dahin. Das kann sich kein Landwirt leisten.
Dabei sind die sandigen Böden im Maintal zumindest für den Kartoffelbauern ideal, Knollenfäule wegen Staunässe ist da nicht zu befürchten. Eher das Gegenteil: Fösel kann "nur bewässerungsfähige Flächen" nutzen; Wasser gibt's am Main genug. "Den Klimawandel merkt man", erklärt Manfred Schmitt, im Hintergrund stehen seine Kühle im Offenstall, es ist kalt, doch die Sonne scheint schräg herein - eine Idylle. Doch jedes Jahr müssen die Landwirte auch im Maintal mit langen Trockenperioden rechnen.
Die Fruchtfolge ist für den Bio-Gemüsebauern noch tausendmal wichtiger als in der konventionellen Landwirtschaft. Hier kann man gegen Pilzkrankheiten spitzen oder gegen Schädlinge. Auf dem Bio-Hof geht das nicht. "Die Fruchtfolge ist schon einmal ein Teil, um ein gesundes Wachstum zu ermöglichen," erklärt Manfred Schmitt, "je mehr ich dagegen verstoße, umso mehr muss ich chemisch gegen Krankheiten arbeiten." Schmitt und Fösel sind sich einig: Die Fruchtfolge nimmt schon einmal einen guten Teil des Krankheitsdrucks vom Boden.
Humus wird abgebaut und muss auch wieder aufgebaut werden
Zwei wesentliche Faktoren braucht es für den Gemüsebau. Den perfekten Boden und die richtige Bodenbearbeitung. Dann muss "nur" das Wetter passen.
Wie bekommt ein Biolandwirt den perfekten Boden? Ganz grob skizziert: Kartoffeln bauen als so genannte Starkzehrer den Humus (die fruchtbare Bodenschicht) ab, daher dürfen sie nur einmal in sechs Jahren auf dem selben Feld stehen. Vorbereitet wird der Boden im Sommer des vorangehenden Jahres, indem ein Gründünger-Gemenge aus Sonnenblumen, Phacelia, Ackerbohnen, Senf und vielen weiteren Ackerkräutern gesät wird. Dazu bringt der Landwirt einen "Mistschleier" aus: dünn aufgebracht, bietet der Stallmist genau die richtige Grundlage für die Gründüngerpflanzen. Zwischenfrucht ist dann Weizen oder Dinkel. Nach Kartoffel und Getreide ist Ruhe auf dem Feld: Für drei Jahre muss der Boden sich erholen unter einer Decke von Kleegras. Das wird gemäht und getrocknet. Die Milchkühe brauchen es als Futter.
Faktor Bodenbearbeitung: Wenn beispielsweise Kartoffeln gepflanzt werden sollen, braucht es ein sauberes, zersetztes feinkrümeliges Saatbeet. Ob man im Herbst mulcht oder erst im Januar, es ist die Kunst des Landwirts, das Wetter richtig zu beurteilen. Der Frost ist ebenso wichtig, denn nur dann friert der Humus letztlich feinkrümelig auf.
Viele Arbeitsschritte kosten Geld und Zeit
Doch die eigentliche Arbeit des Bio-Landwirts beginnt mit der Pflanzvorbereitung: Einmal mit der maschinellen Harke übers Feld, um das Unkraut zu bändigen, dann mit der Pflanzmaschine die Kartoffeln setzen und Erde aufhäufeln. Darauf folgt das "Striegeln": Federzinken holen einige Tage nach dem Pflanzen die ersten Unkräutchen mit der Wurzel aus der lockeren Erde, sie vertrocknen. Gleichzeitig wird dabei der Pflanzdamm niedriger und erwärmt sich.
In der Konkurrenz der (Un-)Kräuter
Wieder ein paar Tage später kommt die vierreihige Fräse, um den Damm erneut etwas zu erhöhen und Unkräuter am Wachsen zu hindern. Fösel: "Die Kartoffeln müssen eher aufgehen, als die Unkräuter." Sind die Kartoffeltriebe einmal zehn Zentimeter hoch, folgt erneut das "Striegeln". Der Landwirt muss das Gerät gut einstellen, denn obwohl an Federn befestigt, beschädigen die feinen Zinken dennoch das Blattwerk der Kartoffeln - das Unkraut aber auch. Schließlich kommt nach Tagen noch einmal das Häufelgerät an die Reihe, das die Dämme aufschüttet, und dann ist es irgendwann vollbracht: Das Kartoffelblattwerk überspannt den Boden, Unkraut kann nicht mehr hochkommen. So sieht der Idealfall aus, und "jeder Kartoffelbauer hat da eine andere Technik", räumt Christoph Fösel ein. "Bei anderen Feldfrüchten wie Zwiebeln oder Möhren ist es noch intensiver. Da geht's nicht ohne die Handhacke." Und wenn ein Starkregen kommt, der die Dämme niederschwemmt, heißt es eh noch einmal raus und wieder aufhäufeln.
Es ist eine Lebenseinstellung
Warum tut man sich das an? Manfred Schmitt lacht. Als er mit seiner Frau Luitgard 1986 auf Bio umsattelte, wurde er belächelt. "Heute ist der Markt da." Christoph Fösel weiß, dass es mehr ein Zubrot ist, als dass er von der Landwirtschaft leben könnte, aber beide Landwirte sind sich auch einig: "Die Einstellung im Kopf gehört dazu für das biologische Wirtschaften. Es ist eine Lebenseinstellung", meint Schmitt. "Die Gesellschaft ist heute sehr materiell eingestellt. Der biologische Landbau geht darüber hinaus. Es geht um die Idee einer besseren Gesellschaft." Die Bilanz: "Es funktioniert super gut." (Schmitt) "Ich kann's mir eigentlich nicht mehr anders vorstellen."(Fösel)