Auf einem Stück Ackerland bei Horhausen teilen sich 15 Familien ein Gemüsebeet. Initiiert wurde das Projekt vom Verein "Wir gestalten Heimat". Der Gemeinschaftsgarten soll ein Stück Unabhängigkeit ermöglichen - und beweist, dass Corona auch positive Nebeneffekte haben kann.
Viele Köche mögen zwar den Brei verderben, aber bei vielen Gärtnern in einem Beet muss das nicht zutreffen - zum Beweis strahlt der Mangold in den schönsten Regenbogenfarben. Auf einem Feld bei Horhausen bietet das Netzwerk "Wir gestalten Heimat" Hobbygärtnern die Möglichkeit, eigenes Gemüse anzupflanzen. Gegenseitige Unterstützung hat dabei Priorität.
Die soziale und ökologische Klimawende anzupacken, indem Menschen einander in der Natur begegnen - das ist das Ziel des Gemüsegartens, erklärt Oliver Kunkel als Initiator des Projekts. "Wenn wir zusammen etwas mit nachhaltigen Lebensmitteln machen und mit Menschen, die wir vielleicht noch gar nicht kennen, dann schaffen wir Nähe zueinander und zur Natur. Dann erst sind wir zu wirklicher Nachhaltigkeit in der Lage", ist der Zeiler überzeugt.
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Los ging es ganz praktisch im April, als Bio-Landwirt Markus Lenhart das Feld zur Vorbereitung grubberte. Lenhart war es auch, der dem Verein das Stück Acker im Frühjahr zur Nutzung angeboten hatte. Der Landwirt engagiert sich seit rund einem Jahr beim Netzwerk, etwa bei den Landwirtschaftsdialogen. "Das ist natürlich super, wenn man Fachleute hat mit Grund und Boden, die sagen: Ich riskiere da was", freut sich Kunkel über die Unterstützung.
Arbeiter und Gemüsegenießer
Nach dem Pflügen wurden Kartoffeln in den Boden gesetzt, dann das restliche Gemüse angepflanzt. Mittlerweile beteiligen sich zehn Familien aktiv am Projekt. Fünf weitere nutzen die Ernteerträge als passive "Gemüsegenießer", kaufen der Gruppe also Gemüse zu einem gängigen Marktpreis ab. "Die meisten davon wohnen auch in Zeil, denen bringe ich dann immer was mit", erzählt Kunkel.
Die restlichen Mitglieder treffen sich samstags zum Anpflanzen, Jäten und Ernten. Dabei arbeitet aber nicht jeder auf seinem streng abgesteckten Ackerfleckchen vor sich hin: "Das ist mir total wichtig: dieses Gefühl, dass wir gemeinsam für etwas verantwortlich sind. Nur so gelingt Klimaschutz", betont Kunkel. Zu Beginn des Projekts trug jedes Mitglied mit etwa 50 Euro zum Startkapital bei, das in Pflanzen und Samen von Lenharts Hof oder anderen Bio-Händlern investiert wurde.
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Am Ende des Tages notieren die Teilnehmer, wie viel gearbeitet und für den eigenen Verbrauch geerntet wurde. "So hat man das Gefühl, Kontrolle darüber zu haben. Wir werden aber nicht nachzählen." Zum Saisonende wird bilanziert, ob die Mitglieder einen Beitrag nachzahlen müssen. Fest steht, dass Landwirt Lenhart für das zur Verfügung gestellte Feld und Wasser finanziell entschädigt wird, da er auf dieser Fläche selbst keine Ernte einfahren konnte.
Mangold, Kohl, Fenchel, Bohnen oder Tomaten: Die Auswahl auf dem Feld fällt üppig aus - und dementsprechend positiv auch die Zwischenbilanz nach fünf Monaten gemeinsamen Gärtnerns. "Wir sehen, dass es richtig gut wächst. Das ist auch dem guten Boden geschuldet", meint Kunkel. "Aber wir sehen auch, dass es für uns 15 Familien zu viel ist." Zukünftig will die Gruppe daher auf weniger Pflanzen, aber mehr Vielfalt bei den Gemüsesorten setzen und die Fläche eventuell reduzieren. "Einige kommen auch aus Königsberg hierher - das ist eigentlich zu weit. Wir möchten es daher nächstes Jahr an verschiedenen Orten anbieten."
Jeder Gärtner kann sich einbringen
Thomas Heller gehört zu denjenigen Gärtnern, die eine weite Anfahrt auf sich nehmen. Von Römershofen ist er bis nach Horhausen geradelt. Der pensionierte Arzt bringt aus seinem eigenen Garten schon Erfahrung im Gemüseanbau mit. Ein paar der anderen Mitglieder hielten auf dem Feld dagegen zum ersten Mal Spaten und Schaufel in der Hand. "Jeder bringt sich ein und dann diskutieren wir darüber. Das ist ja das Schöne, wenn man experimentieren kann", schwärmt Heller. "Es ist toll, zu sehen, was wir hier als Laien leisten können."
Mittlerweile wisse Heller, welche Gemüsesorten er in seinem eigenen Garten gar nicht mehr anzupflanzen brauche, weil sie auf dem gemeinsamen Feld besser gedeihen. "Manche Sachen sind ziemlich viel geworden", resümiert der Königsberger, während er den Blick über den Acker schweifen lässt. "In der richtigen Verteilung, was man anpflanzt, da müssen wir uns noch mal abstimmen."
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Hilfe gibt es außerdem von Christian Wittmann, dessen Verein "Besser gemeinsam leben" die Idee zum Gemüsegarten bereits in Friesenhausen umsetzte und damit für die Horhausener Gruppe Vorbild war. "Ab und zu hilft uns auch Markus Lenharts Frau Carolin mit Know-how oder ein paar Samen, die sie noch hat", ergänzt Kunkel. Auch im Herbst und Winter soll das Gemüsefeld auf keinen Fall brachliegen, damit der Boden kein unnötiges und Methan in die Luft abgibt. Winterkohl wäre beispielsweise eine Anbauoption.
Dass das Projekt bisher so viel Zuspruch erfahren hat, liege auch an der Corona-Pandemie. "Irgendwie war im Frühjahr plötzlich das Gefühl da, dass wir mehr mit der Natur zu tun haben wollen", findet Kunkel. Lebensmittel selbst zu produzieren - zumindest einen Teil davon - sei eine Antwort auf die Verletzlichkeit der modernen, globalisierten Welt. "Wir haben durch Corona gelernt, dass wir die großen Krisen nur bewältigen können, wenn wir vieles wieder regionalisieren."
Weitere Hobbygärtner gesucht
Für das Fortbestehen des Projekts sei nun wichtig, dass sich eine bunte Mischung weiterer Hobbygärtner, aber auch Landwirte beteiligen, die über den Landkreis verteilt ihre Felder zur Nutzung anbieten. "Auch das Thema ,Urban Gardening‘ könnten wir für Zeil oder Haßfurt anstoßen", schlägt Heller vor. "Im Siedlungsgebiet oder an der Haßfurter Promenade: Dort könnte man Beete anlegen. Oder im Bereich des ,Meehäusle‘."
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Der Gemüsegarten habe ihm eine neue Wertschätzung von Lebensmitteln gelehrt, verrät der Anästhesist. "Ich bezahle jetzt gerne mehr für einen Blumenkohl, weil ich weiß, wie schwer es ist, ihn anzupflanzen und so hinzubekommen, wie man ihn im Geschäft vorfindet. Man hat einen ganz anderen Respekt vor den Sachen."
Weitere Projekte des Netzwerks "Wir gestalten Heimat"
Gemüse-Gärtner Wer auf dem Acker bei Horhausen mitanpacken möchte, kann sich unter 09524/300075 oder per Mail an aktionsnetz@wir-gestalten-heimat.de anmelden. Mehr Infos zum Projekt gibt es unter www.wir-gestalten-heimat.de.
Mobilitätswoche Gemeinsam mit der Stadt Ebern gestaltet der Verein verschiedene Beiträge zur "Europäischen Mobilitätswoche". Diese bietet ein Forum zur Diskussion über nachhaltige Mobilität und den Austausch bei Bürgerdialogen sowie eine Technikschau mit Elektroautos, E-Rädern und Ladesäulen im Schloss Eyrichshof. Auch die Schulaktion "Zu Fuß zur Schule" soll im Rahmen der Mobilitätswoche vorgestellt werden. Die Eröffnung findet am Mittwoch, 16. September, um 17.30 Uhr am Eberner Bahnhof statt.
Blühen und Kühlen Mit einer Kamelkarawane soll am 3. Oktober die Aktion "Blühen und Kühlen" starten. Stefan Lettner stellt dafür ein Kamel seines Hofes in Goßmannsdorf zur Verfügung. Dieses führt die Karawane in Neubausiedlungen, wo Bewohner über klimaresistente und nachhaltige Gärten informiert werden. Passend zu dieser Aktion ist zudem ein gemeinsames Projekt mit den Kreisfachberatern des Landkreises Haßberge und einer Landschaftsgärtnerin geplant, um Privatleute, Schulen und Betriebe kostenlos bei der Planung von klimaangepassten Außenflächen zu beraten.
Landwirtschaft Ebenfalls für Oktober ist ein Vortrag zur klimagerechten Bearbeitung landwirtschaftlicher Böden vorgesehen. Die Referenten des Verbands "Bioland" planen zudem, im Anschluss an den Vortrag Kurse im Kreis Haßberge anzubieten.
Bauberatung Ab Mitte Oktober können Bauherren in Zeil ein Beratungsangebot des Vereins nutzen, in dessen Rahmen Energieberater Günter Lieberth Tipps zum nachhaltigen Bauen und zur Gartengestaltung gibt.
Photovoltaik In Zusammenarbeit mit den lokalen Energieversorgern soll eine Informationsveranstaltung zu verschiedenen Formen von Photovoltaik-Anlagen stattfinden.