Zeitreisen in vielen Facetten

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Vor 20 Jahren hat Georg Rammensee das Turmuhrenmuseum eröffnet. Seitdem entführt er die Besucher auf spannende Zeitreisen und erzählt die Geschichten, die hinter den Uhren stehen - wie etwa die jener echten Rammensee, die beinahe auf dem Müll gelandet wäre. Foto: Petra Malbrich
Vor 20 Jahren hat Georg Rammensee das Turmuhrenmuseum eröffnet. Seitdem entführt er die Besucher auf spannende Zeitreisen und erzählt die Geschichten, die hinter den Uhren stehen - wie etwa die jener echten Rammensee, die beinahe auf dem Müll gelandet wäre.  Foto: Petra Malbrich

Die Uhren im Museum von Georg Rammensee erzählen ihre eigenen Geschichten. Nicht nur über die Zeit, auch über die Firmen, die diese Uhren herstellten. Zwei Neuerwerbungen versprechen wieder spannende Einblicke.

Es gibt wohl keinen besseren Indikator für Zeit als das Turmuhrenmuseum in Gräfenberg. Abgesehen davon, dass es Georg Rammensee vor genau 20 Jahren eröffnet hat, versteht er es wie kein anderer, die vielen Geschichten rund um die Zeit anhand seiner vielen Uhren kurzweilig und spannend zu erzählen.

Auch die Geschichten hinter den beiden Neuerwerben. Eine Uhr davon schließt den Kreis der Uhrmacherdynastie Rammensee, ist sie doch eine echte "Rammensee" anno domini 1952, wie die Gravur verkündet. Daneben steht noch die Zahl 1461. "Das ist die Produktionsnummer", erklärt Rammensee.

In der Uhrenfabrik Rammensee am Bahnhof in Gräfenberg wurde bis 1955 produziert und von der Firmengründung an wurden insgesamt 1500 Uhren gebaut. 1957 schloss die Fabrik dann endgültig die Tore.

Dass diese echte "Rammensee" nun wieder bei Rammensee steht, ist fast ein Wunder, wäre sie doch beinahe im Müll gelandet. In einer Scheune in einem leer stehenden Gutshof in Weidensees war die Uhr abgestellt worden und sollte vor Jahren auf dem Wertstoffhof in Betzenstein entrümpelt werden. Doch dessen Leiter Göldner erkannte in dem völlig verrosteten Teil eine "Rammensee." Wie das?

"Er und seine Familie waren Flüchtlinge. Sie waren meinen Eltern und Geschwistern zwangszugewiesen worden", erklärt Georg Rammensee. Der Aufseher des Wertstoffhofs hatte somit als Kind nicht nur die Merkmale der Rammensee-Uhren im Haus der Rammensees gesehen, sondern auch in der Fertigung der Rammensee'schen Uhrenfabrik. Zugleich war er Landwirt und hatte sich in Stierberg ein kleines Landwirtschaftsmuseum aufgebaut. Dort hatte er die Rammensee-Uhr ausgestellt. Einem Touristen war sie aufgefallen. Bei einem Besuch in Gräfenberg informierte er Georg Rammensee über die Uhr.

"Am schlimmsten war der Rost"

"Das war vor zehn Jahren. Ich bin dann zur Familie Göldner gefahren. Die Ehefrau versprach, wenn ihr Mann stirbt, bekomme ich die Rammenseeuhr", erzählt Georg Rammensee. Vor zwei Jahren holte Georg Rammensee die Uhr ab. "Die Uhr stand wohl im Freien. Eineinhalb Jahre habe ich sie restauriert und jede Schraube fünf Mal angefasst. Am schlimmsten war der Rost", erklärt der Gräfenberger. Das Zahnrad hatte gefehlt, auch das Seil mit den Gewichten. Georg Rammensee erneuerte das Kontrollrad und baute noch eine Glocke dazu. Oben leuchtet ein rotes Ziffernblatt. Das hat Georg Rammensee in der Farbe gestrichen, aber auch das Ziffernblatt hat eine eigene Geschichte, lehnte es doch vor Jahren einfach am Scheunentor des Turmuhrenmuseums. Woher es stammt und wer es hier abgestellt hat, ist noch immer ein Rätsel.

Der zweite Neuzugang im Turmuhrenmuseum steht ein Stockwerk höher. Es handelt sich um eine kleine Uhr von der Nürnberger Uhrenfabrik Riedl, die Georg Rammensee voriges Jahr im Herbst von einem Juwelier aus Fürth in Bayern bekommen hat. "Der Juwelier wollte die Uhr eigentlich restaurieren und in seinem Geschäft ausstellen. Er kam aber nie dazu. Nun hat er das Geschäft verkauft und die jungen Besitzer wollten die Uhr nicht", erzählt Rammensee.

Der Juwelier schenkte Georg Rammensee die Uhr, der sie auf Vordermann brachte. Es ist eine kleine Uhr, mit der Produktionsnummer 605 aus dem Jahr 1903. Wo sie all die Jahre die Zeit verkündete, weiß man nicht genau. Der Überlieferung zufolge wohl in irgendeiner kleinen Dorfkirche. "Es war die kleinste Uhr, die Riedl baute. Die Größe 1 mit einem Viertelstundenschlag", erklärt Rammensee. Das galt damals als sehr modern. "Es ist eine sehr schöne Uhr. Nun habe ich insgesamt drei Riedl-Uhren und kann somit auch diese Firmengeschichte gut nachweisen", sagt Rammensee.

Einst 36 Beschäftigte

Nachdem er die Uhr restauriert hatte, ersteigerte er einen passenden Uhrenschrank dazu. "Nun sieht sie aus wie zu der Zeit, als sie das Werk verlassen hat", erklärt der Uhrmachernachfahre, dessen Ururgroßvater Uhren gefertigt hat. Die Fabrik wurde dann von Rammensees Urgroßvater Georg Rammensee gegründet. "Am meisten Beschäftigte hatten wir 1936", erzählt Georg Rammensee. Damals zählte die Fabrik 36 Beschäftigte, wobei 16 Lehrlinge waren. "Sie lernten wie ich Industriemechaniker. Das Uhrmacherhandwerk kam erst beim Meistertitel dazu", erinnert sich der 76-Jährige.

Da die Lehrlinge aber schon mit Elektronik zu tun hatten, wanderten sie alle in die Industrie nach Nürnberg ab und bildeten sich zum Elektriker weiter. In der Stadt konnte man eben mehr verdienen. Für die Uhrenfabrik war das auch ein Grund, die Pforten zu schließen.

Die Geschichte hinter den Uhren und der Zeit jedoch hat Georg Rammensee mit seinem Museum am Leben erhalten. Zwei Vorträge über die Zeitmessung, angefangen bei der Sonnenuhr, den ersten Wasseruhren, der Sanduhr und der Öllampenuhr, bis zu den ersten Räderwerken und der heutigen Technologie wird Wolfram Degen im Turmuhrenmuseum halten.

Wie gewohnt entführt auch Museumsbesitzer Rammensee selbst die Besucher in Gräfenberg auf eine Zeitreise, und zwar ab dem heutigen Samstag jeden Samstag und Sonntag von 14 Uhr bis 18 Uhr. Der letzte Einlass ist jeweils um 17 Uhr.