Zuvor hatte die Berliner Studentin Sigrid Rüger bereits probiert, diese sehr eigene Gemüseverwendung zu etablieren. "Du bist objektiv ein Konterrevolutionär und ein Agent des Klassenfeinds dazu", rief die Studentin auf der Delegiertenkonferenz des Sozialistischen Deutschen Studentenbunds am 13. September 1968 in Frankfurt. Dann flogen die Tomaten, die die Hochschwangere in der Mittagspause für 1,40 Mark gekauft hatte, Richtung Vorstandstisch und klatschten auf den Kopf des SDS 
Chefideologen Hans Jürgen Krahl.
Warum ausgerechnet die Tomate? Experten meinen dazu: "Sie ist weich genug, um nicht zu verletzen und entfaltet doch eine Wirkung, die über das reine Wort hinausgeht. Perfekt als Wurfgeschoss." Die Tomate ist vermutlich neben dem Ei zweifelsohne das politischste Gemüse. 
  
  
  
  
  
    
    
    Die Frage der "faulen Tomate" ist daher recht schnell zu beantworten. Die frische Tomate ist einfach zu fest, die Schale platzt gar nicht so leicht. Wer frische Tomaten passieren will, weiß um diese Festigkeit. Die faule oder zumindest überreife Tomate entfaltet allerdings ihre volle Wirkung. 
     Tomatina lockt Touristen  
Nicht erst 2017 bei rechten Anti-Merkel-Demonstrationen war das zu beobachten. Wobei Merkel, das sei am Rande erwähnt, dem Tomatenwurf vorbeugend begegnete und eine rote Weste trug. Die farbliche Sauerei hielt sich in Grenzen. Walter Steinmeier kommentierte einst: "Tomaten und Trillerpfeifen sind im demokratischen Diskurs keine Mittel zu höherer Erkenntnis, und Ohrenschmerzen kein Ausweis einer wirklich geglückten Kontroverse."
Heute ist das Tomatenwerfen, seit dem Eierwurf auf Helmut Kohl ein wenig aus der Mode gekommen. Immerhin sind die Tomaten die beliebteste Gemüseart in Deutschland. Acht Kilogramm verspeist jeder Deutsche im Jahresturnus. Wer heute noch mal werfen will, der muss eine Fahrt in die spanische Region Valencia unternehmen. Dort gibt es die Tomatina. Bei dem Fest, das jedes Jahr am Mittwoch der letzten Augustwoche in Buñol stattfindet. Bis zu 45 000 Besucher werfen überreife Tomaten in einer harmlosen Schlacht aufeinander. Die Tomaten werden tonnenweise von Lastern in die Straßen von Buñol gekippt, so dass nach der Schlacht regelrechte Flüsse aus Tomatensaft durch die Straßen laufen. 
Noch etwas Außergewöhnliches? Die Tomate stand einst in dem Verdacht, nicht nur ein Wurf-, sondern auch ein Mordinstrument zu sein. In höheren gesellschaftlichen Kreisen kam es zu mehreren Vorfällen, bei denen Aristokraten nach dem Genuss von Tomaten starben. Schuld war in dieser eher unwissenschaftlichen Zeit die Tomate. Ungerechtfertigterweise: Denn die Gefahr ging von den Tellern aus, auf denen die Früchte gelegen hatten. Im 16. Jahrhundert waren Schalen und Teller aus Hartzinn in adeligen Haushalten weit verbreitet. Dieses Material ist sehr bleihaltig. Säurehaltige Nahrungsmittel, wie die Tomate, führten zu einer chemischen Reaktion, bei der das Blei in die Frucht gezogen wird. Und der Fall war damit geklärt ...
Zum Abschluss darf die Erotik nicht fehlen, denn auch das ist außergewöhnlich. In manchen europäischen Ländern galt die Frucht auch als ein die Sinne verwirrendes Aphrodisiakum, daher die Namen Paradiesapfel oder Pomme d'amour in Frankreich. Ob sie Austern, Granatapfel und Ingwer aber tatsächlich schlagen kann, sei dahingestellt. Die Tomate an und für sich ist viel aufregender. Denn sie ist androgyn. Sie befruchtet sich selbst, es braucht nur eine Brise Wind, die die Pflanze schüttelt und schon fällt der Blütenstaub aus. Sozusagen ein Musterfall für Gendergerechtigkeit. Insofern eine sehr fortschrittliche und vor allem außergewöhnliche Frucht.