Die einen leben vom Holz und dessen Verarbeitung und sind bereit, für die besten Stämme beachtliche Summen zu zahlen. Die anderen sehen in der Fällung einen Frevel an der Natur und mahnen zum Umdenken in der Waldwirtschaft. Ein Stimmungsbild im Kreis Haßberge.
Eckehard Kiesewetter
Nachfolger Nummer 45, Donald Trump, stellt alte Werte gerade vor eine unsägliche Nagelprobe. Doch vor rund 220 Jahren standen in den USA die ersten Präsidenten Washington, Adams und Jefferson für ein junges, hoffnungsvolles Pflänzchen: die amerikanische Demokratie. Napoleon war gerade dabei, das politisch ungeordnete Europa neu aufzumischen und Beethoven, viel zu kurz gekommener Jubilar des Corona-Jahrs 2020, schrieb seine ersten Sinfonien. Dies alles ereignete sich um das Jahr 1800.
Ungefähr zu dieser Zeit muss in einem Wald bei Losbergsgereuth eine Eichel gekeimt sein, aus der seither ein mächtiger Baum wuchs, ein Methusalem, der nun bei einer Wertholzsubmission im Landkreis Haßberge für Aufsehen sorgte. Kurz vor Weihnachten versteigerte die Forstbetriebsgemeinschaft (FBG) Haßberge die wertigsten Stämme aus ihrem Einzugsbereich. Die FBG betreut private und kommunale Waldbesitzer im östlichen Teil der Fränkischen Platte, den Haßbergen und im nördlichen Steigerwald, insgesamt über 21 000 Hektar Wald.
Den höchsten Preis bei dieser Versteigerung, rund 18 000 Euro, erzielte eine 220 Jahre alte Eiche aus dem Wald der Rentweinsdorfer Adelsfamilie von Rotenhan.
Protest im Internet
Was die Forstbetriebsgemeinschaft als Marketingerfolg für sich verbuchte und Forstleute als großartige Leistung von Generationen von Waldbauern würdigten, stieß in Teilen der Bevölkerung auf Unverständnis. Auf der Facebook-Seite des FT und per WhatsApp wurde der Bericht über die Wertholzsubmission kontrovers diskutiert und mit zahlreichen Bedauerns- und Empörungs-Emojis bedacht.
Alte Gebäude, so wird kritisiert, halte man in Ehren, stelle sie unter Denkmalschutz, doch Naturdenkmäler wie dieser Baum würden rücksichtslos gefällt, biologisches Erbe falle dem Kommerz zum Opfer.
Andere halten entgegen, Kulturwälder seien für die Nutzung angelegt und nur durch forstliche Eingriffe hätten sich hierzulande über Jahrhunderte hinweg derart biodiverse Waldflächen entwickeln können.
Als Sauerstoffspender unersetzlich
Wiederholt mündet die Diskussion in eine Grundsatzdebatte um den Steigerwald. Der Streit um einen möglichen Nationalpark brach just zur Jahreswende wieder aus, weil die Bayerischen Staatsforsten im nördlichen Teil des Waldgebietes etliche alte Buchen fällten. Über den Protest von Umweltschützern und Verfechtern eines Nationalparks Steigerwald hat der FT berichtet. Der Ausverkauf einzigartiger Buchen müsse aufhören, fordern Umweltverbände und Grünen-Politiker, schließlich seien heimische Laubwälder unverzichtbare Sauerstoffspender.
Werden dicke Stämme geschlagen, so beklagen Gegner der Fällaktionen, reiße dies riesige Löcher in die Kronendächer, was gerade bei extremen Klimaverhältnissen dem Biosystem dauerhaften Schaden zufüge.
Förster aus der Region halten dagegen, die Nutzung der Ressourcen in ihrem Bereich sei schonend und nachhaltig. Für den Steigerwald zum Beispiel gilt, dass Buchen mit einem Durchmesser von mehr als 80 Zentimetern auf Brusthöhe nicht gefällt werden dürfen.
Bäume in Kulturwäldern, schreibt eine Facebook-Userin, seien gepflanzt, um sie zu ernten. Ihr sei es unbegreiflich, weshalb ein Forstwirt sich rechtfertigen soll, "wenn er für ein tolles Holz einen tollen Preis bekommt".
Für die Rotenhans in Rentweinsdorf gehört der Holzverkauf seit Generationen zum täglich Brot. Sie haben sich in der Region einen Ruf als Vorreiter der naturgemäßen Waldbewirtschaftung erworben. Immer wieder führen Experten den jahrhundertealten, durchmischten Dauerwald der Barone aus dem Markt im Baunachgrund als Vorbild für eine relativ naturnahe und sensible Art der Waldbewirtschaftung an. Eindrucksvolle Baumriesen stehen dort, wie man sie sonst kaum mehr bewundern und "ernten" kann. Die dicksten Erlöse bringen die besten Wertholzstämme, die sich zum Möbel- und Instrumentenbau oder für kostbare Furniere eignen.
Die Holzverarbeiter
Kein Mensch kommt auf die Idee, den Schreiner oder den Möbelkäufer zu kritisieren, stellt eine Schreiberin im Internet fest. Holz gehöre genauso geerntet, wie Getreide auch. Ein Holzarbeiter, den der FT auf die Thematik ansprach, winkt ab: "Wer jetzt noch nicht kapiert hat, wie es um unseren Wald bestellt ist, dem ist nicht mehr zu helfen", meint er. "Aber der Mensch braucht das Holz aus dem Wald." Das sei heute nicht anders als früher. "Der eigene Wald ist sowas wie das Sparbuch für viele Leute", sagt sein Mitarbeiter. "Und ab und zu muss man halt auch mal eine größere Summe abheben."
Empört reagiert ein Schreiner aus dem Raum Ebern, der ebenfalls nicht namentlich in der Zeitung genannt werden will, auf die Diskussion um Wertholz, das er zu Möbeln verarbeitet: "Das ist unser Lebensunterhalt." Er betont, mit wie viel Aufwand und Liebe zum Material in kleinen Handwerksbetrieben wie dem seinen Möbelstücke entstehen. "Das ist doch kein Vergleich mit so Gelump aus Pressspanplatten oder Billigware mit Exportholz aus dem Osten." Mancher Schrank oder Tisch aus wertigem Hartholz überdauere Jahrhunderte.
In die Debatte schaltet sich per E-Mail auch Wolfgang Aull ein. Der einstige Abfallreferent des Landkreises Haßberge sieht sich nach seinem Ausscheiden beim Landratsamt als Referent für Nachhaltigkeit und Umwelt vielseitig gefordert. Der FT-Artikel über die Holzvermarktung stimme ihn nachdenklich, wenn nicht melancholisch, schreibt der gelernte Verpackungsingenieur: "Sie ist der Dreh- und Angelpunkt bei den Schnittstellen Bewahrung der Schöpfung, Konsumrausch und Entsorgungsproblematik."
Die andere Perspektive
Der Bericht über die von der Forstbetriebsgemeinschaft Haßberge gefeierte "Braut" - so heißt in der Branche der Baum mit dem höchsten Versteigerungsergebnis - sei eine Erfolgsmeldung. Aber auch die Kehrseite habe im Zeitalter des Transformationsprozesses das Recht, erwähnt zu werden. Aull zeigt diesen Perspektivwechsel anhand dreier wesentlicher Faktoren auf (siehe den bunt gefärbten Notizzettel oben).
"Wir erleben zunehmend Gottes Schöpfung als zart und gebrechlich; wir müssen ihre Bedürfnisse erkennen und achten", lautet das Credo des 63-Jährigen. Klimawandel, Artensterben und Landverlust seien Vorboten einer besorgniserregenden Entwicklung, der die Menschen durch ihre Lebensgewohnheiten Vorschub leisten.
Der Eschenauer mahnt: "Ganzheitliche Betrachtungsweise ist das Gebot der Stunde, alle sind gefordert: Hochachtung vor der Natur, sorgsamer Umgang mit unseren Rohstoffen und Abfallvermeidung durch den Kauf langlebiger Produkte."